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von Peter Pansen
Die Polizei, Dein Freund & Helfer
Nach einem langsamen 14-km-Lauf am Samstag hatte ich zwar schwere Beine und eigentlich war auch mal wieder ein Familientag geplant, aber die aufreissende Wolkendecke liess mich immer wieder nervös ans Fenster rennen. Da Beate ja diese sehnsüchtelnden Blicke in Richtung Fenster schon kennt, bekam ich also auch gestern kurzerhand 'Urlaub' genehmigt.
So habe ich mich also mit ganz viel freier Zeit im Rücken schon in der Früh dazu entschlossen, gestern nochmal eine bike & run-Kombi zu machen.
Im vergangenen Sommer bin ich ja nach dem radeln häufiger zu 'ner walking-Runde aufgebrochen und das hat auch relativ gut geklappt. Aber leider wurde mir erst seit Beginn der Lauferei bewusst, dass mir der Bewegungsablauf beim walken doch wesentlich einfacher fällt als die Joggerei und so musste ich bei meinen letzten beiden Versuchen schmerzhaft feststellen, dass ich nach dem radeln nicht einfach 'mal eben so' losjoggen kann
Es 'musste' aber einfach mal klappen!
Ich hatte mir vorgenommen, mit meinem alten Stahl-MTB im Grunewald die ersten 20 km zu machen, dass Rad an 'nem Pfahl anzuschliessen und dann die Laufeinheit irgendwie hinter mich zu bringen. Anschliessend nochmal 20 km radeln und klein-Peterle wäre glücklich
Diesen alten, schweren Bock würde sowieso niemand klauen wollen, aber Satteltasche & Co. habe ich dann doch lieber daheim gelassen.
Ich starte also frohgemut und gebe direkt Gas. Nach knapp 5 Kilometer, ich bin gerade am 'Wilder Eber' und gehe zum beschleunigen aus dem Sattel, blockiert plötzlich mein Hinterrad. Heilfroh, dass ich nicht über den Lenker abgestiegen bin, schiebe ich das Rad rechts auf den Seitenstreifen und schau mir das Dilemma aus der Nähe an.
Das Hinterrad hat sich an den Ausfallenden wohl irgendwie gelöst und wird jetzt vom Hinterbau zwischen zwei Stollen blockiert. Die Schrauben sitzen aber rappelfest und ich hab natürlich wegen der fehlenden Satteltasche null Werkzeug dabei; also auch noch nicht mal ein Handy
Zwei kräftige Tritte gegen das Laufrad später merke ich, dass ich ohne fremde Hilfe nicht weiterkommen werde. Kurz umgeschaut und in der nebenanliegenden Seniorenresidenz ein paar 'Blaumänner' entdeckt. Diese Herren nach Werkzeug befragt, aber leider ohne Erfolg. Ich wurde aber an den Hausmeister 'ne Strasse weiter' verwiesen.
Während ich da also das Rad hinten angehoben durch die Gegend schiebe, fällt mir im Augenwinkel das grün-silber lackierte Auto mit der blauen Farbnuance auf dem Dach auf.
In mir keimt Hoffnung auf, ich winke dem Freund und Helfer hilfesuchend zu und dieser fährt auch sofort rechts ran. Mein freundliches "Moin moin" kommentiert mein scheinbar doch nicht so hilfsbereiter neuer Freund mit 'nem nordisch-kühlen-fragenden "Haste datt Fahrrad jeklaut?"
Ich dachte, ich höre nicht richtig
Hatte zwar schon ein "Nee, mache Oberarmtraining!" auf den Lippen, aber wollte den verbeamteten Helfer ja nun auch nicht direkt wieder vergraulen.
Die Situation liess sich dann schnell aufklären, aber meine Bitte nach 'nem 15er Maul- oder Ringschlüssel beantwortet mir mein uniformierter (Ex-)Freund mit den Worten "Ick bin doch nich der ADAC." Sprachs und brauste auch schon wieder davon....
Also blieb mir nur noch der Tipp mit dem Hausmeister. Hat mich bis auf ein "Der ist jerade irjendwo im Haus unnerweechs. Kanns aber warten wennse wills!" auch nicht viel weiter gebracht.
Also aus der Not eine Tugend gemacht, Radel angeschlossen und auf kurzem Weg 3 km nach Hause ge-jogg-walked. Dort dann erstmal zwei Zigaretten aus der Satteltasche verputzt, Werkzeug eingepackt, Autoschlüssel umgehangen und auf 4 Rädern wieder zum Fahrrad zurück.
Hinterrad gerichtet, Rad in den Kofferraum geladen, runter zum Grunewald gefahren. Königsweg 2 km hochgerannt, umgedreht, zurück gejoggt. Wieder nach Hause gefahren. Fahrrad aus dem Kofferraum geladen, Schrauben nochmal nachgezogen und erneut auf 'ne kleine Runde gestartet. Kein Bock mehr auf Grunewald, also einfach mal Beate's Tipp "Du wolltest Dir doch mal das Tempelhofer Flugplatzgelände anschauen!" beherzigt. Über's Südgelände rüber nach Tempelhof, dort etwas rumgecruised, die beiden Startbahnen hoch- und runtergeradelt und anschliessend wieder heimgefahren.
Und so nahm auch dieser Tag doch noch ein zufriedenstellendes Ende...
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Samstag ist Ausschlaftag. Normalerweise! (09.08.2010)
Heute ist Samstag. So ein Samstag ist immer ein Ausschlaftag. Also normalerweise jedenfalls. Ausser, ich muss ins Büro. Oder habe Telefonbereitschaft. Oder bin im Urlaub. Oder bin verabredet. Oder es muss eingekauft werden. Oder eben irgendein anderer Blödsinn, der mich meine wohlverdiente Regenerationsphase unterbrechen lässt.
Naja, jedenfalls war heute endlich mal wieder so ein Ausschlaftagsamstag. Es stand nichts auf dem Zettel und so krabbelte ich am Vorabend gegen 02:00 Uhr ins kuschlige Bettchen.
Doch wie sollte es anders sein? Mitten in der Nacht werde ich durch einen blöden, weil rücksichtslosen Nachbarn geweckt, der seine Altflaschen im Glascontainer entsorgt. Es scheppert höllisch laut und ich schrecke auf, bin zuerst orientierungslos und weiss gar nicht, wie mir geschieht. So langsam erkenne ich die Situation und stürze ans Fenster, um den Nachbarn ordentlich anzumaulen. Mir fällt dabei auf, dass es draussen schon wieder hell ist. Also fix noch einen überprüfenden Blick auf den Wecker geworfen und schnell weiter in Richtung Fenster. Uups, Moment, was ist denn das? Zögern! Der Wecker muss kaputt sein, stehengeblieben oder so. Die Digitalanzeige will mir vorgaukeln, dass es nun kurz vor 12:00 Uhr sei. "Kann doch gar nicht sein", denke ich mir, "da hättest Du ja fast 10 Stunden am Stück geschlafen!?!"
Lange Rede, kurzer Sinn: Herr Nachbar schaute mich etwas überrascht an, als ich gerade Jalousien und Mund aufriss, um meine explosiven Verbalattacken gegen ihn zu schleudern. Die Handyuhr bestätigte 12:01 Uhr und keine 15 Minuten später sass ich, völlig ausgeschlafen und mit dem Cappu in der Rechten und einer Zichte in der Linken, am Computer und (ver)plante den trainingsintensiven Sportlersamstag mit wichtigen Fragen wie: schaue ich Leichtathletik oder Fussball? Setze mich dazu in den Sessel oder lege ich mich auf die Couch? Chips oder Gummitiere?
Vor mich hin phantasierend verarbeitete ich gerade irgendwelche Ironman-Gedanken auf Hawaii, als es an der Tür klingelte und zwei liebgewonnene alte Bekannte, Herr Übermut und Frau Größenwahn, beide aus Übertreiblingen (Ortsteil Selbstüberschätzung), um Einlass baten.
Die Beiden versuchten mich zu überreden, es am Nachmittag doch noch einmal mit einem kleinen Ein-Mann-Duathlon über die Sprintdistanz zu versuchen und, wenn's gut läuft, dass Ganze dann im Anschluss vielleicht nochmal in Bruchteilen zu wiederholen.
Ich liess mich davon natürlich sehr schnell überzeugen, machte mich nach einem guten Frühstück, ausgerüstet mit Laufhose, -Schuhen und 'ner Wasserflasche auf den Weg nach unten und verabschiedete mich von Beate mit den Worten: "Sollte ich bis übermorgen nicht zurück sein, dann schick mir bitte die Post ins Trainingslager Grunewald nach!"
Ich wusste, es wird ein geiler Tag werden: die Beine fühlten sich gut an, ich war richtig ausgeschlafen und zudem noch bis in die nicht vorhandenen Haarspitzen hoch motiviert; sogar das alte Stahlross schnaubte erfreut, als ich in den Sattel kletterte. Also alles in allem rundum perfekte Trainingsvoraussetzungen!
Ich radelte meine übliche Strecke durch Schmargendorf und Wilmersdorf in Richtung Bahnhof Grunewald, um ab dem Auerbachtunnel die KFZ-freie Strecke vom Königs- und Kronprinzessinnenweg geniessen zu können.
Ich fuhr bis dahin zwar mit teils kräftigem Pedaldruck, aber liess es mit 75% Puls noch halbwegs ruhig angehen (was sich auch in einem grandiosen Schnitt von 22,2 km/h wiederspiegelte!)
Doch nun ging es richtig los. Die Stollen der Marathon XR jagten singend über den Asphaltteppich hinweg und die Landschaft flog nur so an mir vorbei. Ok, zugegeben, der ein oder andere Hobbyradler flog auch an mir vorbei, während ich mich mit 20 km/h die kaum spürbare 0,8% Steigung hochquälte.
Ich wurde immer schneller und die ungefederte Gabel des 20 kg Panzers bügelte treu jede nicht vorhandene Unebenheit weg.
Was soll ich sagen? Es lief! Es lief einfach nur. Es machte höllisch viel Spass und mein Vorsatz, es ruhig angehen zu lassen, um Kraft zu sparen, war sehr schnell wieder über den Haufen geworfen.
Ich raste teilweise am Anschlag, also mit etwa 76% Puls, an vielen anderen Wochenendsportlern vorbei und spürte dabei förmlich die bewundernden Blicke der spaziergehenden Mitglieder mehrerer Seniorenclubs im Nacken.
Einmal hatte ich sogar das Gefühl, dass sich eine ältere Sportlerin mit Rollator in meinen Windschatten hängen wollte, aber mit drei kräftigen Tritten war auch diese Konkurrentin abgeschüttelt. Ähmm, mit 'Tritten' meine ich selbstverständlich 'Pedalumdrehungen'! Ehrlich!
Bei der zweiten Kontrollstelle, am Wendepunkt Krone / Ecke Havelchaussee, stand sogar schon ein fantastischer Schnitt von 22,7 km/h auf dem GPS geloggten Tacho. Da ich bis dahin ausschliesslich mit heftigem Gegenwind und ordentlichen Böen mit Windspitzen von bis zu 2 bft zu kämpfen hatte, wusste ich, dass auf dem Rückweg noch deutlich mehr möglich sein würde.
Nach der Wende ging ich zur Beschleunigung aus dem Sattel und prügelte den Gaul in erbarmungslos hohe Geschwindigkeitsbereiche, in welchen selbst Reinhold Messner das Atmen schwer fällt. Bei etwa 25 km/h stoppte ich dann diesen formidablen Vorwärtsdrang, machte mich möglichst windschnittig (schloss also den obersten Knopf am flatternden Popo-Shirt) und versuchte, die Geschwindigkeit möglichst lange zu halten.
Die mir nun entgegenkommende Rentnerreihe machte ehrfurchtsvoll Platz und ich strampelte Kilometer um Kilometer bis zur "Wechselzone" am Auerbachtunnel. Sogar der mir unterwegs auf seinem Renner begegnende Ausnahme-Athlet Achim Achilles schenkte mir, immer noch in Führung liegend, seine staunende Aufmerksamkeit! Also zumindest belobte er mich mit einem kleinen Lächeln. Glaube ich jedenfalls gesehen zu haben!
Nach insgesamt 20,5 km wurde dann fix das Rad angeschlossen, nochmal ein guter Schluck des isotonischen Aufputschers "Berliner Wasserbetriebe medium" genommen und schon ging es los auf die Laufstrecke.
Ich hatte mir vorgenommen, den ersten Kilometer zwar zügig, aber noch im Wohlfühltempo zu laufen und mich über die nächsten Kilometer am Tempo des ersten Kilometers zu orientieren; und zwar auch so, dass auf dem letzten Kilometer sogar noch ein kleiner Schlussspurt machbar sein sollte. Und, man mag es kaum glauben, ich lief die 5 km Strecke wirklich in äthiopisch-rekordverdächtigen 7:49, 7:50, 7:49, 7:48 und 7:24 min/km.
Wie nicht anders zu erwarten kam ich als Erster ins Ziel und mir brandete ein tosender Beifall entgegen. Die nicht vorhandenen Zuschauermassen tobten wie wild, ich wurde von Autogrammwünschen überhäuft und dutzende Kiddies wollten abklatschen; ich zog mich jedoch erst einmal schweisstriefend in die Siegerkabine zur anschliessenden Pressekonferenz zurück, sprich: ich setzte mich für ein paar Minuten auf 'nen Baumstamm und schaute den fettgepolsterten Energievorräten bei der Nachverbrennung zu. Da mich aber die nicht vorhandenen Journalisten mit ihren nervigen Fragen zum Thema Leistungssport & Doping langweilten, machte ich mich alsbald wieder auf den Start zum zweiten Wettkampf.
Ich vergass zu erwähnen, dass dieses Mal die Zielverpflegung schlecht organisiert war und somit die 0,75 l Getränkevorräte schnell zu Neige gingen. Da ja der zweite WK vorsah, ohnehin noch einmal in Richtung Havelchaussee zu radeln, wollte ich die Gelegenheit nutzen und ein paar hundert Meter weiter rollen, um am Rastplatz Grunewald den dreiviertel Liter grossen Wasserkanister aufzufüllen. Gesagt, getan und ich machte mich fix auf den Weg. Die 6,25 km liefen recht ereignislos und kurz vor dem Rastplatz wurde mir von den Organisatoren sogar noch Wolfgang Beckmann auf seinem edlen Carbon-Renner als Pacemaker zur Seite gestellt. Da ja das Windschattenfahren verboten war, sind wir dann halt ein paar hundert Meter nebeneinander geradelt. (In diesem Sinne: viele Grüsse & einen schönen Alpenurlaub!)
Frisch motiviert und mit voller Wasserflasche ausgestattet liess ich es diesmal etwas schneller angehen und trieb den Gaul an seine Grenzen. Kurz vor der Krone konnte ich dann einen ebenfalls beleibteren Konkurenten im eng anliegenden Team-Telekom-Trikot auf seinem MTB hinter mir lassen, welcher mich aber schon 2 Kilometer später wieder stellte.
Da der Bursche optisch geschätzt in meiner Gewichtsklasse spielte, wollte ich mich eigentlich direkt an sein Hinterrad hängen, aber besann mich dann doch noch auf meinen Vorsatz der Krafteinteilung (der Schnitt lag ja nun schon bei unglaublichen 23,1 km/h) und liess ihn davon ziehen. Ehrlich gesagt, also so unter uns, hatte ich auch noch die kleine Hoffnung, dass 'Magenta' es mir nur mal kurz zeigen wollte und ich ihn mit meinem konstanten Tempo schnell wieder einholen würde. War aber nicht so, der Junge zog einfach immer weiter davon. Also scheinbar schon wieder ein Dopingfall!
Herr Achilles kam mir dann auch noch ein weiteres Mal entgegen (ob er für den BerlinMan trainierte?) und so kurbelte ich dank der nicht vorhandenen Absperrungen völlig unterbrechungsfrei, also bis auf die 6 Ampelzwangsstopps, zum Wilmersdorfer Volkspark, um dort dann erneut in den Laufrythmus zu finden.
Tja, und wer bis jetzt glaubte, dass diese Story ein Happy End finden würde, der sieht sich nun eines Besseren belehrt. Schon nach der ersten Runde (ca. 1.050 Meter) merkte ich, dass die Luft raus war und und ich die kompletten 5 km nicht schaffen würde. Ich beschloss, solange Gas zu geben, bis gar nichts mehr gehen würde.
Eine witzige Begegnung hatte ich dann noch während meiner zweiten Laufrunde in Form eines vorbeiradelnden Sportlers. Er rief mir irgendwas zu, was ich aber nicht verstand. Daraufhin drehte er um, fuhr neben mir her und meinte im besten osteuropäischen Dialekt zu mir: "Du musst machen langsam … kannst Du dann machen länger!"
Während ich natürlich in meinem bisherigen Tempo weiterrannte, hechelte ich ihm ein "OK" zu, aber die Gedanken folgten einer ganz anderen Erinnerung: hmmm, komisch, sowas in der Art hatte Beate vor vielen Jahren, während unserer ersten gemeinsamen Nacht, auch mal zu mir gesagt. Und zudem meinte sie damals noch, dass mein Jubelschrei "Erster!" und meine Frage "Brauchst Du noch lange?" auch nicht unbedingt stimmulierend auf sie wirkten. Naja, wer's versteht? Frauen eben!
Jedenfalls lief ich unbeirrt weiter und der radelnde Russe quatschte mich weiter voll. Als er mir dann auch noch voller Stolz erzählte, dass er durch die Radelei und Rennerei 15 kg abgenommen habe, konnte ich mir natürlich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Der Russenradler fühlte sich durch mein Grinsen wohl bekräftigt, seiner Geschichte weiteren Nachdruck zu verleihen und laberte weiter und weiter und weiter, während ich mir echt schwer tat, während seiner mit herzlich gemeinten Ratschläge untermauerten Bevolltextung, ein lautes Lachen zu verkneifen.
Also, lieber Sportskollege! Wenn Du das hier lesen solltest, dann wirst Du spätestens nun verstanden habe, weshalb ich lachen musste. Ich danke Dir natürlich trotzdem für die gut gemeinten Tipps und vor allem für die mentale Ablenkung, die Du mir über ein paar hundert Meter 'frei Haus' geliefert hast!
Ok, weiter geht's. Wie befürchtet machte nach etwa 1,5 Kilometern der rechte Wadenmuskel dicht, doch da sich der Schmerz halbwegs in Grenzen hielt und die Krämpfe erträglich waren, lief ich die Runde halt noch zu Ende. Nach diesen 2 Kilometern liess ich dann aber doch die Vernunft siegen und brach ab.
Nach etwas stretchen & dehnen wartete ich noch kurz die nicht stattfindende Siegerehrung ab, schwang mich dann in den Sattel und radelte ganz gemütlich nach Hause, um dort zu allererst den Wasserhahn leer zu trinken, drei Zichten nacheinander wegzuqualmen, ein grosses Magnum-Eis zu essen und anschliessend noch 'ne halbe Stunde unter der heissen Dusche zu parken.
Meine Bitte nach einer entspannenden Ganzkörpermassage wurde leider mit den Worten "Weshalb denn, Du warst doch nur ein bisschen radeln!" negativ beschieden. Aber dafür hängt jetzt die selbstgemalte Siegerurkunde ganz oben innen im Schrank...
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Berliner Firmenlauf (03.09.2010)
Am gestrigen Freitag fand der Berliner Firmenlauf in 'Tiergarten' statt. Die Veranstaltung startete am späten Nachmittag und da nicht nur die Strecke (siehe Anhang) super reizvoll war, sondern auch noch Start & Ziel mehr oder weniger auf meinem Arbeits(heim)weg lagen, war doch klar, dass ich dort ein paar Kilometer mitrennen würde.
Ursprünglich wollte ich an diesem Tag mit dem Rad ins Büro, aber das gute Stück hatte am Vortag wohl keine Lust mehr auf Schwertransport und mit einem angebrochenen hinteren Laufrad macht das radeln nicht allzuviel Sinn. Das zweite Fahrrad lasse ich aber nirgendwo unbeaufsichtigt stehen, also gings halt wie fast immer mit dem Auto ins Büro. Und damit fing auch schon mein Problem an: die Parkplatzsuche!
Rund um den 17. Juni war mehr oder weniger alles dicht und die ganzen Seitenstrassen-Geheimtipps waren so geheim, dass gefühlte 10.000 andere Autofahrer ihre Bürgerkäfige mit mir in einer Schlange im Schrittempo schleichend durch die Gassen steuerten.
Nachdem ich mich dann endlich mal aus dieser Blechlawine ausklinken konnte fand ich irgendwann einen netten Stellplatz in Moabit, knapp 2 Kilometer von Start & Ziel entfernt.
Vorteil: ich konnte mich schon etwas warm walken.
Nachteil: ich musste nach dem Lauf natürlich auch wieder zum Auto zurück.
OK, die Streckenlänge betrug nur 6 km, aber ich wollte richtig Gas geben, als einziger Teilnehmer meiner Firma diese auch würdig vertreten und nebenbei natürlich auch noch die PB verbessern
Ich traf mich dann wie geplant mit einer Bekannten. Einer ihrer Bekannten, der diese Veranstaltung als Tempotraining für den Berlin-Marathon betrachtete, war ebenfalls wieder mit dabei. Seine Zielzeit betrug dann später um die 22 Minuten, mit denen er nicht wirklich zufrieden war, denn er wollte schon noch etwas schneller laufen
Wir gingen dann sehr früh rüber in den Startbereich und sie reihte sich wieder etwas weiter vorne ein, während ich im hinteren Drittel auf den Startschuss wartete. Diese verzögerte sich jedoch um 'ne Viertelstunde und mir wurde es dann doch ziemlich frisch in den Sommerklamotten (Polo-Shirt und kurzer Tight).
In der Hoffung, mit irgendeiner kuschelbereiten Mitläuferin etwas Körperwärme austauschen zu können, schaute ich mich mal ausgiebig in den Reihen der Mitläufer um, aber irgendwie waren alle mit sich selber oder ihren Kollegen beschäftigt oder hatten einfach nur nervend gute Laune. Oder 'sie' drehte sich einfach weg, wenn ich mit weit geöffneten Armen bibbernd auf sie zutrottete
Ok, dass liest sich jetzt vielleicht etwas negativ, aber wenn man dort nach einem langen Arbeitstag fast 'ne Dreiviertelstunde bei untergehender Sonne und 15°C rumsteht, dann fragt man sich schon, weshalb man sich das überhaupt antut.
Ich hatte plötzlich überhaupt keine Lust mehr und spielte sogar mit dem Gedanken, zur Seite rauszutreten und die ganze Sache abzublasen!
Mangels Kuschelbereitschaft, Sonnenwärme oder Sommertemperaturen orientierte ich mich also wieder in Richtung der kuschligen Metallabsperrgitter, lehnte mich an und wollte ein kleines Nickerchen halten. Ein Mitläufer links neben mir starrte aber immer wieder auf den Forerunner am linken Handgelenk und dann wieder auf mich und dann wieder auf den FR305 und wieder auf mich und zwischendurch auch auf den vom Shirt verdeckten Medizinball in Bauchhöhe, so dass ich ihm beinahe ein unwirrsches "WAS?" entgegengeschleudert hätte.
Ich besann mich jedoch noch rechtzeitig auf die gute Kinderstube und fragte höflich, ob ich ihm helfen könne.
Er antwortete "Ist das da die Pulsanzeige?" und deutete dabei auf den FR.
"Jau!" war meine knappe Anwort und der Puls stieg dabei unmittelbar von 61 auf 63 Schläge. Er fragte, ob ich denn gar nicht nervös sei oder ob die Anzeige nicht stimmen würde. Ich antwortete, jetzt leicht belustigt: "Nee, stimmt schon. Warte, geht auch noch unter 60!"
Einmal tief Luft geholt, kurz richtig entspannt und schon pulste der Muskel nur noch mit 58 bpm vor sich hin.
Das war sein Stichwort! Er erzählte mir, dass es früher immer gelaufen sei, dann verletzt war, dann irgendwas anderes gemacht war und xyxyxyxyxy (<= xy steht für sein restliches Leben).
Die Intensität seines Redeschwalls heizte die Luft um uns herum so stark auf, dass selbst meine vormals blau angelaufenen Lippen nun wieder kaminrot vor sich hinglühten.
Er war gerade bei der Geburt seiner zweiten Tochter angekommen, als dann endlich der Startschuss fiel. Schade eigentlich, denn zu dem Senk-Spreiz-Knick-Fuss hätte ich noch 'ne Rückfrage gehabt. Und die Probleme nach der Blinddarm-OP waren auch noch nicht eindeutig geklärt.
Ich wünschte ihm noch fix einen schönen Lauf und schon ging es los.
Dank der sich nun auseinandergezogenen Massen konnte ich mit meinen 178 cm Körperkleine nun endlich wieder etwas vom Horiziont erblicken und war fasziniert von dem Farbspiel, welche die Goldelse (Siegessäule) umgab, auf welche wir ja nun direkt zurannten.
Ich lief mein Tempo einfach nur nach Gefühl, ohne Beachtung von Puls oder Pace und freute mich, dass ich mit jedem Läufer, der mich überholte, ebenfalls zwei langsamere Kandidaten überholen konnte.
Es lief richtig gut, ich zuckelte Meter um Meter ab und ruckzuck war da auch schon die Verpflegungsstelle bei Kilometer 3, welche ich natürlich mit der Pansen'schen Überheblichkeit "Alles Luschen, die hier stehen bleiben!" rechts liegen liess.
Ich aquaplanierte durch die Pfützen über die wegworfenen Becher hinweg weiter und ehe ich mich versah waren wir auch schon wieder am Potsdamer Platz (Kilometer 4) und ich fing an, etwas Gas zu geben. Es gab nun immer mehr Leute zu überholen und ich machte mir einen Spass daraus, mich selber mit Blick nach vorne zu motivieren, um die auf dem Rücken bezeichneten Firmen 'einzukassieren': "So, jetzt noch die Beiden vom Auswärtigen Amt." oder "Da vorne, die Drei von Siemens, die packst Du auch noch!" oder ganz krass "Gematik! Pffffff. Die wollten Dich damals nicht!"
Bei etwa Kilometer 5,3 traf ich dann auf 'meinen Edelfan' Thomas, hier aus em Forum. Ich verlangsamte und wollte kurz stehenbleiben, aber Thomas nahm die Beine in die Hand und rannte einfach noch ein Stück bis zum Brandenburger Tor mit. Echt geil
Von dort aus war dann in etwa 500 Meter Entfernung schon der Zielbogen zu sehen und ich setze zum Endspurt an - kam aber nur ca. 150 Meter weit
War natürlich viel zu früh, so dass ich nochmal deutlich Tempo rausnehmen musst, um dann jedoch 150 Meter vor dem Ziel das ultimative Endspurt-Feuerwerk abzubrennen
Trotz des anfänglichen Frusts war es ein superschöner Lauf, der mir wahnsinnig viel Spass gemacht hat. Die Stimmung auf dem letzten Kilometer war echt klasse und ich war für meine Verhältnisse wahnsinnig schnell unterwegs. Als ich dann im Ziel realisierte, dass das bereits die 6 km waren, dachte ich endorphingetrieben nur noch: "Mehr! Ich will nochmal! WO IST DER START???" Und den Rückweg zum Auto legte ich dann grösstenteils im langsamen Trab zurück...
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Jahresübersichten
Jahr | laufen | radeln | Gewicht | Ø / Tag
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2008 | 1.200 | 4.000 | - 24 kg | Ø 73 Min.
2009 | 1.240 | 5.640 | - 13 kg | Ø 83 Min.
2010 | 1.658 | 4.233 | - 8,0 kg | Ø 75 Min.
2011 | 1.186 | 3.655 | +4,0 kg | Ø 56 Min.
2012 | 1.773 | 1.629 | +9,0 kg | Ø 63 Min.
2013 | 1.565 | 2.704 | +2,0 kg | Ø 68 Min.
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