Tut mir leid, daß ich die olle Mocki-Diskussion nochmal aufwärme, aber ich hatte leider nicht früher Gelegenheit, mich ausführlicher zu beteiligen.
Bengal hat geschrieben:Echt schwach, wenn man schon zur Weltmeisterschaft nach Moskau anreist, dann sollte man es doch wenigstens schaffen einen 10er zu Ende zu laufen, auch wenn man irgendwo hinten liegt.
Letztlich ist es, wie immer, nicht die Quantität, sondern die Qualität, die zählt. Es geht nicht darum, eine Strecke einer gewissen Länge irgendwie hinter sich zu bringen, sondern darum, was man aus dieser Strecke macht. Sonst könnte die Bundeswehr ja gleich Dich als Sportsoldaten rekrutieren.
Wenn also eine bestimmte Qualität nicht mehr zu halten ist, ziehe ich ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vor.
BergischerLöwe hat geschrieben:"Durchhalten" ist für mich in der Tat eine Tugend, "bis zum bitteren Ende" ist dann Kriegsmetaphorik, muss wohl so sein, wenn es um "Sportsoldaten" geht.
Wenn Du A sagst, mußt Du auch B sagen. Wenn Durchhalten für Dich eine Tugend ist (warum eigentlich?), dann darfst Du Dich auch nicht von Formulierungen wie "bis zum bitteren Ende" distanzieren, sondern mußt Dich fragen lassen, welchen Sinn Du darin siehst, ein einmal eingestelltes Programm durchzuziehen, auch wenn es irgendwann unsinnig erscheint.
Das hatten wir alles schon mal. Gerade habe ich einige herrliche Tage in Kurland verlebt. Dieser Landstrich wird nach wie vor auch von alten Kämpen besucht, die dort wehmütige Erinnerungen an den Kessel zum Besten geben, in dem sie bis Kriegsende ausgehalten haben. Das ist es, was ich mit den besagten urdeutschen Tugenden meinte. Wohl gemerkt: Ich habe niemandem hier übelriechende Motive unterstellt. Aber seit wann braucht man die, um in schlechte Gesellschaft zu geraten?
Und um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen: Selbstaufopferung ist für mich durchaus keine Untugend. Im Gegenteil. Als ich dort weilte, wo der Krieg begann, las ich dort auf einem Denkmal für die ums Leben gekommenen Solidarność-Aktivisten: "Oddali życie abyś ty mógł żyć godnie." Heißt also: "Sie gaben ihr Leben, damit du in Freiheit leben kannst." Wer auch nur ein bißchen Ahnung von der jüngeren Geschichte hat, fühlt sich davon nicht nur als Pole, sondern auch als Deutscher angesprochen und berührt. Der Spruch kommt also ganz ohne dieses dümmliche vaterländische Pathos aus, das in manchen Beiträgen in diesem Thread aufblitzt.
Plattfuß hat geschrieben:Bischen sehr weit her geholt...
Nein. Du mußt Dich nur einfach mal selber reden hören:
Plattfuß hat geschrieben:Weil sie eine professionelle und priveligierte Leistungssportlerin ist und deshalb nach meiner Meinung gefälligst ihr Rennen zu Ende zu laufen hat, wenn sie sonst schon nichts Anderes tut als laufen.
Dann klär mich doch mal über den normalen Tagesablauf einer Sportsoldatin auf. Davon habe ich nämlich wenig Ahnung.
Sportler reden doch so viel von Leistung.
Soso. Bist Du Sportler?
Wenn sie keinen Bock mehr auf Leistungssport hat, soll sie arbeiten gehen, wie alle anderen Nicht Profis auch. Ansonsten hat sie gefälligst zu liefern, es sei denn sie ist verletzt.
Auch Zechen und Grölen am Stammtisch zählt natürlich zu den urdeutschen Tugenden.
Ein junger gesunder und talentierter Mensch, der sonst nichts zu tun hat, wird ja wohl mal bei einer Meisterschaft einen 10er durchlaufen können, auch wenn keine Chance auf einen Podiumsplatz besteht.
Nun bin ich zwar weder jung noch gesund, und zu tun habe ich auch so mancherlei, aber so viel meine ich doch vom Sport zu verstehen: Es kommt nicht bloß aufs Durchlaufen an, sondern auch auf die Art und Weise, wie einem das gelingt. Ansonsten s.o. über Quantität und Qualität.
Plattfuß hat geschrieben:Genau: wir albernen Hobbyläufer und kleinen Zuschauerpfosten haben weder irgendwelche Ahnung, geschweige denn Ansprüche an Frau Mockenhaupts Laufleistungen zu stellen, noch ist uns die Dame irgendwas schuldig.
Das ist zwar eine ziemlich originelle Interpretation meiner Ausführungen, aber wenn Du stolz auf sie bist, will ich sie Dir auch nicht madig machen.
BergischerLöwe hat geschrieben:"Unwissenheit" meinerseits könnte man begegnen, indem man mir erklärt, warum es z.B. Sinn hatte, vor Rennende auszusteigen, als Profiläuferin mit üppigster Unterstützung aus unterschiedlichsten Quellen.
Bei einem ernsthaft gelaufenen Wettkampf über 10 km bzw. 10.000 m ist der Ausstieg spätestens nach 4 km eine ernsthafte Option, der man sich mit ungeheurer mentaler Härte widersetzen muß, um es bis ins Ziel zu schaffen. Wenn Dir das noch nie so gegangen ist, solltest Du Dich beim nächsten Wettkampf endlich mal ein bißchen anstrengen, anstatt hier flotte Reden zu schwingen.
Morgan hat geschrieben:Nur weil ich ein schlechten Tag habe, oder etwas nicht klappt wie ich will, dann kann ich auch nicht meinen Arbeitsplatz einfach verlassen...
... sagte der Chirurg nach der 30-Stunden-Schicht, als ihm am OP-Tisch beinahe die Augen zu- und die Instrumente aus der Hand fielen.
Außerdem sollte Sie Vorbild sein...
Auch wenn es schwer fällt, muss man Dinge zuende bringen...
Auch das ist mir bisher vor allem in Deutschland begegnet: daß unter Erfolg und vorbildlichem Verhalten vor allem verstanden wird, Dinge zu Ende zu bringen, egal wie und notfalls auch ohne Rücksicht auf ethische Belange.
Daß aber Scheitern nicht nur zum Menschsein dazugehört, sondern daß man auch dadurch Vorbild sein kann, daß man mit seinem Scheitern so umgeht, daß man sich darum bemüht, niemanden zu verletzen und daß man hinterher wieder auf die Beine kommt, interessiert kaum jemanden. Ich kenne dieses Problem vor allem von der Diskussion her, ob Pfarrer(innen), deren Ehen geschieden werden, ihren Beruf noch weiter ausüben dürfen. Da schlägt dann i.d.R. die Stunde der Moralapostel und überhaupt derjenigen, die gern allgemeine Pflichten und sonstige Selbstverständlichkeiten an bestimmte Leute delegieren.
In unserem Fall würde ich sagen: Man unterstellt, da habe sich jemand nicht so gequält, wie man selbst es sich niemals zumuten würde. Muß man ja auch nicht, schließlich wird man nicht dafür bezahlt. Das wiederum verstehe ich nicht. Gerade wenn man aus Spaß läuft, macht es doch Freude, ohne jeden Druck von außen die eigenen Grenzen auszutesten. Insofern sind wir doch viel besser dran als die Profis, die diesem Leistungsdruck ausgesetzt sind. Eigentlich noch ein Grund mehr, nicht so auf diesen Leuten herumzuhacken.
Andres hat geschrieben:Vor allem 5 Minuten vor Schluss, dass wäre zu vergleichen, wenn man beim Marathon bei km 40 aussteigen würde.
OK, das wäre dann die Version für den Matheunterricht in der 1. Klasse. Für die etwas fortgeschrittenen Rechner/innen sieht das dann so aus:
Ausstieg 5 min vor Schluß entspricht bei einer Zielzeit um die 32 Minuten 15,6 %, d.h. gut 1500 m vor dem Ziel. Auf die Marathondistanz umgerechnet ergibt das knapp 6,6 km, entspräche also einem Ausstieg kurz nach 35,5 km.
Wobei ich nicht weiß, warum man beim Marathon nicht auch noch nach 40 km aussteigen soll, wenn's paßt.
Überhaupt wird hier über den Ausstieg diskutiert, als sei sowas eine durch und durch rationale Entscheidung, als würde man während des laufenden Wettkampfs ganz cool und abgeklärt das Für und Wider abwägen. In Wirklichkeit ist ein Ausstieg doch wohl meistens eher etwas, das relativ plötzlich über einen kommt, wenn man der mentalen Belastung nicht mehr gewachsen ist.
BergischerLöwe hat geschrieben:Du hast eine interessante Sichtweise von Dienstverhältnissen.
Und Du scheinst Dienstverhältnisse mit Werkverträgen zu verwechseln. Ein Sportler ist kein Klempner, der eine bestimmte Leistung mitsamt erfolgreichem Abschluß schuldet. Eher ein Arzt, der das qualifizierte Bemühen schuldet, aber für den Erfolg weder garantieren kann noch muß.
BergischerLöwe hat geschrieben:Nicht egal ist mir, wenn kuscheligst alimentierte Profisportlerinnen sich aufführen wie unreife kleine Mädchen.
Endlich mal eine qualifizierte und jeder Polemik bare Analyse des Sachverhaltes!
Wer sich auf Kosten der Allgemeinheit als Sportsoldatin (schon das Wort eine Perversion...) noch nicht einmal dazu durchringt, zu Ende zu laufen, dann darf ich das kritisieren.
Ohne diesem Satz jetzt gutes Deutsch attestieren zu wollen - Du machst hier wieder den typisch( deutsch?)en Fehler, Quantität für Qualität zu halten.
Ich bin mir sicher, dass es etliche Amateurläuferinnen gegeben hätte, die sich ein Ohr abgeschnitten hätten, um bei einer WM mitlaufen zu dürfen. Und sich eher das zweite abgeschnitten hätten, als aufzugeben.
Jetzt wird's invasiv. Und damit sind wir wieder in gefährlicher Nähe des berühmten letzten Blutstropfens, bis zu dem gefälligst gekämpft zu werden hat.
Plattfuß hat geschrieben:Ich finde Deine arrogante Art, über die "kleinen Fernsehzuschauer", herzuziehen, welche aus "persönlichen Gründen völlig unberechtigte Ansprüche stellen" noch viel mehr daneben, als die Arroganz einer Sportlerin, welche keine Lust hat, ein Meisterschaftsrennen zu Ende zu laufen. (...) Warum sie dann ohne zwingenden Grund einfach ausgestiegen ist, erschließt sich mir nun mal nicht.
Ohooo! Der Herr können, wie's scheint, Gedanken lesen und wissen, wie es im entscheidenden Augenblick in Frau Mockenhaupts cerebralem Innenleben zugegangen ist?
Ich für mein Teil weiß höchstens noch ein vages Bild vom vorletzten Frankfurt-Marathon zu beschreiben, als eine völlig erledigte junge Frau mit den Füßen voran aus dem Zielbereich getragen werden mußte. Naja, lag vielleicht daran, daß diese Dame nix Gutes gewohnt ist, weil sie ihr ganzes Leben immer nur dem Lustprinzip gefrönt hat.
Plattfuß hat geschrieben:Als Leistungssportlerin muß sie gewisse Ansprüche erfüllen. Und dazu gehört es, ein WM- Rennen zu beenden, sofern keine Verletzungen auftreten.
Schon wieder so ein Deutscher, der den Unterschied zwischen Quantität und Qualität nicht verstanden hat. Vielleicht sollte ich mal eine Strichliste führen, ich verliere allmählich den Überblick.
Morgan hat geschrieben:Ein Profisportler ist seinen Sponsoren, seinen Fans etc. verpflichtet, sein bestes zu geben.
Dazu gehören nicht Siege, Medallien etc. aber dazu gehört im Rahmen seiner Möglichkeiten alles zu geben, wenn es keine gesundheitlichen oder taktischen Konsequenzen nach sich zieht.
Wieder ein Strich.
Er muss bestimmten Ansprüchen, Idealen etc genügen und Vorbild sein.
Und Du? Mußt Du nicht denselben Ansprüchen und Idealen etc. genügen? Und wenn nicht, warum?
BergischerLöwe hat geschrieben:Notiz an mich: Nicht mehr mit jedem Idioten herumschlagen.
Glaub bloß nicht, daß Du Dir selber entkommst, indem Du aus der Haut fährst.
BergischerLöwe hat geschrieben:Auch, weil auf mich dieser "Redeschwall" von Sabrina Mockenhaupt auf eine sehr unreife, sehr zweifelnde Persönlichkeit schließen lässt: Da verbieten sich weitere als Vorwurf zu interpretierende Sätze, und seien sie noch so sachlich formuliert. Es ist mehr als eindeutig, dass die Frau auch so schon genug Probleme mentaler Art hat.
Es paßt durchaus ins Bild, wenn sich zu den über Sport schwadronierenden Couchpotatoes die über Psychologie fabulierenden Idiotophoben gesellen.
BergischerLöwe hat geschrieben:Niemand, NIEMAND, hat hier von deutschen Tugenden und Nationalem geschrieben.
Doch, ich.
Das hat die andere Seite hineingebracht, weil man dagegen so schön argumentieren kann.
Wenn man das so schön kann, warum hast Du es dann nicht ganz einfach getan, anstatt grundlos den Beleidigten zu geben und selber beleidigend zu werden?
BergischerLöwe hat geschrieben:Aus dieser, meiner Sicht kommt eine Aufgabe nicht infrage. Sabrina Mockenhaupt scheint das genauso zu sehen, ich denke, man liest raus, dass sie es bereut, nicht zu Ende gelaufen zu sein.
Natürlich bereut sie das. Sie hat ganz bestimmt nicht mit dem Ziel aufgegeben, sich dafür feiern zu lassen. Aber wenn etwas suboptimal gelaufen ist, dann ist es doch ganz normal, wenn man sich hinterher fragt, ob das, was man am Ende gemacht hat, so am besten war oder ob man anders hätte handeln sollen. Ebenso normal ist es, daß solche Zweifel noch lange an einem nagen, und nicht weniger normal wäre es, wenn sie sich in einigen Wochen oder Monaten wieder anders über den Ausgang ihres Rennens äußert. Das nun als Beweis dafür herzunehmen, daß der Ausstieg falsch war, ist wirklich Unsinn.
Wenn zwischen dem berechtigten Anspruch, dass eine Berufsathletin beim Jahreshöhepunkt (zumindest aus Sicht ihres Dienstherrn) durchläuft und deren Fähigkeiten, genau das zu tun, etwas steht, dann muss das doch angesprochen und analysiert werden:
Zum einen weiß ich nicht, woher Du die Überzeugung nimmst, irgendjemand hätte einen berechtigten Anspruch darauf, daß jemand einen Wettkampf zu Ende läuft. Zum anderen: Ansprechen und Analysieren ist völlig in Ordnung und auch nötig. Aber wo, bitte schön, hättest Du das denn getan? Ich lese von Dir fast ausschließlich Polemik. Also versteck Dich jetzt bitte nicht hinter Deinem grundgesetzlich verbrieften Recht auf freie Meinungsäußerung, von dem Du hier einen - mit Verlaub - ziemlich unqualifizierten Gebrauch gemacht hast. Sollte man Dir aber aufgrund dieser Mängel Dein ebenfalls gesetzlich verbrieftes Stimmrecht bei der nächsten Bundestagswahl aberkennen?