D-Bus hat geschrieben:Klick. Das sieht nach einer mehrprozentigen Steigerung aus. Wer also mit 120 (perfektes Training/Gewicht/Wetter/Kurs) bei einer 3:03 hängt, sollte doch mit 170 (perfektes Training/Gewicht/Wetter/Kurs) sogar halbwegs deutlich unter 3:00 kommen.
Dann will ich meinen Senf auch noch mal dazu geben. Zunächst mal eine kleine Relativierung, damit da kein Disput um des Kaisers Bart draus wird: Natürlich kann und will ich nicht ausschließen, dass es irgendwann und irgendwo mal einen gibt, der mit 120 km/Woche knapp an 3 h scheitert und mit 170 darunter landet. Ich schätze aber, dass das eine verschwindend geringe Menge sein wird, wenn überhaupt.
Die gezeigte Kurvehalte ich als idealisierte Darstellung für brauchbar und realistisch – mit einer kleinen Einschränkung, die ich noch aufgreifen möchte. Aber: als idealisierte Darstellung, nicht auf konkrete Zahlenwerte bezogen. Wo sollten die denn auch herkommen? Wer ist da herangezogen worden? Und für welchen Zeitraum? 1 Woche? 12-Wochen-Vorbereitung? Übers ganze Jahr gesehen?
Nein, als Trendaussage „Mehr Trainings-km bringen mehr Leistungsfähigkeit, der Zuwachs schwächt sich aber ab, und die Verletzungsgefahr nimmt zu“ passt das. Als Kurve, an der man konkrete Werte für beliebige Läufer ablesen könnte, ist das genauso unbrauchbar wie die berühmt-berüchtigte HF-Alters-Formel.
Bereits Beispiele aus dem Profibereich, wo manche hohe km-Umfänge von 200 km pro Woche oder mehr verkraften und andere bei deutlich geringeren Zahlen ständig verletzt sind, zeigen, dass es keine allgemein gültige Kurve geben kann. Generell nehme ich an, dass bei Top-Läufern die Kurve weiter nach rechts verschoben ist (also der Leistungszuwachs bei z. B. 200 km noch leicht zunimmt, während die Verletzungsanfälligkeit noch kein entscheidendes Hindernis darstellt) und dass bei dem gewöhnlichen Feld-Wald- und Wiesen-Hobbyläufer eine starke Tendenz nach links gegeben sein dürfte.
Was die Darstellung für eine konkrete Ablesbarkeit von Werten ebenfalls unbrauchabr macht, ist die Tatsache, dass die Qualität überhaupt nicht eingeht. Wer 150 km pro Woche dahin schlurft, wird eine andere Verletzungsgefahr haben als jemand, der viel Tempoarbeit dabei macht.
Das sind so einige Überlegungen zur Rolle der gezeigten Darstellung.
Zum Verhältnis von Quantität und Qualitätbesagt meine eigene Erfahrung sowie die mir bekannter Läufer (als These):
- Bis zu einem gewissen Umfang wird die Leistung durch reine Umfangssteigerung besser, also (gleiches Potenzial vorausgesetzt): wer 50 km trainiert, läuft schneller als der, der nur 20 km trainiert, und wer 80 km trainiert, läuft schneller als der 50 km-Trainierer.
- Ab einem gewissen Umfang bringt die weitere Steigerung der wöchentlichen km-Leistung kaum noch etwas. Wahrscheinlich ist diese Grenze individuell verschieden, aber (geschätzt) ab etwa 100 km pro Woche kommt da nicht mehr viel herum. Spätestens da werden Leistungsverbesserungen nur noch durch Qualität (sprich Tempotraining) erzielt. [Der Umkehrschluss gilt natürlich nicht: Auch vorher werden durch Qualitätstraining gute bzw. bessere Fortschritte erzielt.]
- Ab einem weiteren Level erschöpft sich der Gewinn durch „08/15“-Qualitätstraining ebenfalls. Dann liefern nur noch individuell sehr unterschiedliche, ganz gezielt aufeinander abgestimmte Trainingseinheiten einen weiteren Zuwachs.
Da stellt sich dann die Frage: Was bewirkt eine reine Umfangssteigerung von 100 oder 120 km pro Woche auf 170 km noch?
Es gibt einen km-Umfang, ab dem ein weiterer Zuwachs sich negativ auf die Tempoleistung auswirkt.
Das ist leicht einsehbar, wenn man mal die Extreme betrachtet. Ultraläufer werden in der Regel langsamer über kürzere Strecken. Die Läufer des TE-FR (9 Wochen lang im Schnitt über 450 km pro Woche) verlieren an Geschwindigkeit, und Teilnehmer an 6- oder 7-Tage-Läufen mit 700, 800 oder 900 km laufen extrem langsam und werden langsamer, nicht schneller, auch NACH diesen Ereignissen. Nun mag man einwerfen, dass die ja kein Tempotraining absolvieren. Ja, das ist richtig, aber das liegt schlichtweg daran, dass man bei so hohen Umfängen nicht auch noch zusätzliches Tempotraining verträgt.
Wenn man nun den gemeinen Hobbyläufer betrachtet, ist das letztlich das Gleiche. Ab einem gewissen Punkt muss man entscheiden: lieber mehr Qualitätstraining? Oder lieber noch höhere Umfänge? Beides zusammen geht nicht. Der km-Wert, ab dem das gilt, ist sicher wieder individuell unterschiedlich, aber ich denke (Vermutung), dass das beim Hobbyläufer bei 100 km bis spätestens 150 km pro Woche der Fall sein dürfte. (Ich rede hier nicht von denen, die auf 2:30 oder 2:40 h im Marathon kommen können.) Wer knapp unter 3 h läuft, muss sich meiner Ansicht nach entscheiden: Optimiere ich meine Tempoeinheiten und gebe mir unter Verzicht auf noch mehr km die nötige Zeit zur Regeneration? Oder fülle ich an den tempofreien Tagen noch mehr km hinein mit dem hohen Risiko, dass ich mich kaputt laufe? Wie schon oben erläutert, taugt die verlinkte Kurve nicht dazu, das Gegenteil anzunehmen, also dass Otto Dreistundenläufer problemlos 170 km mit Tempotraining verträgt.
Man wird nicht immer schneller, nur weil man mehr Umfang läuft.
Es gibt eigentlich keinen Grund, warum man immer schneller sein sollte, nur weil man noch mehr km pro Woche schrubbt. Warum denn? Wieso sollten immer noch mehr km eine höhere Wettkampfleistung bringen? Ich denke hier wiederum, dass - falls überhaupt - nur noch eine kleine Verbesserung erfolgt, diese in der Schwankungsbreite von Faktoren wie Wetter, Tagesform etc. aber untergeht. Sprich: selbst wenn von 120 auf 150 km Training noch minimale Leistungssteigerungen erfolgen, können die durch andere Faktoren wettgemacht werden: Heißeres Wetter z. B. frisst die schnelleren Sekunden auf, ein wenig mehr Wind macht einen eventuellen Zeitgewinn zunichte.
In meiner Aussage (Wer mit 100 oder 120 km pro Woche nicht unter 3 h kommt, wird es mit 170 oder mehr auch nicht schaffen.) habe ich explizit vom Durchschnittswert über 12 Wochen gesprochen. 170 km in 12 Wochen sind mehr als 2.000 km in der Vorbereitung. Das ist enorm viel für einen Hobbyläufer und vor allem in Relation zum Ziel 3 h. Mein eigenes Maximum liegt bei 1.460 km, aber das war ein 100 km-Lauf. Für einen Marathon war das Maximum 1.350 km (also 12-Wochenschnitt von 112,5 km), da lagen Plan- und Istzeit aber auch unter 2:50 h. Ich habe durchaus schon Vorbereitungswochen von 150 oder 160 km gehabt, aber das waren dann 1 oder 2 Spitzen innerhalb der Vorbereitung. Die waren hart, und ich würde das nicht 12 Wochen lang machen wollen.
Die einzigen, die ich kenne, die im Bereich 170, 180 km trainieren, sind Ultraläufer, die dann aber keine Tempoeinheiten machen und auf kürzeren Strecken – auch Marathon – ziemlich langsam sind, jedenfalls weit von 3 h entfernt.
Letzten Endes wird die Frage, ob jemand mit 120 km pro Woche an 3 h scheitert, mit 170 km dann aber reüssiert, ungeklärt bleiben. Ich glaube kaum, dass es eine größere Zahl an Läufern gibt, die einen solchen Aufwand betreiben wird (und unverletzt bleibt). Und falls es ein positives Beispiel gibt, wird offen bleiben, ob dieser Läufer es nicht doch mit weniger km auch geschafft hätte.
Bernd