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Mein zweiter Comrades 2015 - und es war wieder ein Fest

Mein zweiter Comrades 2015 - und es war wieder ein Fest

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Ja also, da hab ich es wieder getan. Warum das? Hat einmal nicht gereicht? Nun, wer den Comrades einmal gelaufen ist, der wird mich verstehen. Es gibt Läufer, die laufen jedes Jahr den Berlin Marathon. Ich gebe zu, wenn ich könnte, ich würde wohl ab nun jedes Jahr den Comrades laufen. Natürlich gibs da ein großes finanzielles Problem und selbst ohne Reiseveranstalter ist das immer noch ein ganz schöner Happen. Also, nein nächstes Jahr bin ich nicht wieder auf der R103 zu finden. Aber mein letzter Comrades war es mit Sicherheit auch nicht.

Letztes Jahr habe ich mir einen Traum erfüllt und die Realität war schöner und umwerfender, als ich es mir je hätte erträumen können. Da stand recht schnell nach dem Zieldurchlauf für mich fest: Das mache ich noch einmal. Da sich jedes Jahr die Richtung der Strecke ändert und der Unterschied zwischen positiven und negativen Höhenmetern doch groß ist, ist das doch schon ein etwas anderer Lauf. Auch nimmt man in anderer Laufrichtung andere Dinge war. Und eine Back-To-Back-Medaille bekommt man nur im darauf folgenden Jahr nach der Premiere. Also musste ich nicht lange überlegen. Außerdem, einmal ist kein mal ;o) Mit dem Reiseveranstalter Werner Otto Sportreisen war ich letztes Jahr sehr zufrieden und so buchte ich für dieses Jahr wieder bei Werner und Matthias.

Nun musste nur noch die Zeit vergehen und ich musste natürlich gesund bleiben. Mit der Gesundheit hatte ich Glück, ich bekam meine erste diesjährige Erkältung direkt nach dem Rennsteiglauf und so hatte ich drei Wochen, diese erfolgreich auszukurieren. Wie es um meine Fitness aussehen würde, da war ich mir weniger sicher. Beim Hamburg Marathon in Topform, am Rennsteig eher schlecht drauf, wusste ich nicht wirklich, ob ich in Durban gut genug vorbereitet im Startblock stehen würde. Das war eine kleine zusätzliche Pralinenschachtel. Zusätzlich, da ein solch langer Ultra immer Überraschungen im Angebot haben kann. Durch die neue Marathon-Bestzeit in Hamburg kam ich dieses Jahr in den Startblock D und hatte somit ein paar Minuten Puffer. Die 12 Stunden Zielschluss beim Comrades gelten für die Bruttozeit. Wer weiter hinten beim Start steht hat ein paar Minuten weniger auf der Strecke übrig. Das kann schon entscheidend sein. Allerdings dauert es auch bei rund 19000 Startern bei weitem nicht so lange, wie in Berlin. Okay, meine Form war ein kleines Fragezeichen, die Strecke zu schaffen sollte schon möglich sein, aber ich hatte eben Brutto nur 12 Stunden dafür. Das macht es eben interessant. Ich verließ mich ganz auf mein Gefühl und meine Erfahrung bei den Trainingsläufen nach dem Rennsteig. Das Ergebnis ist eh bekannt und so kann ich das auch schon jetzt schreiben, ich lag goldrichtig und am Sonntag Morgen hat alles gepasst.

Die Anreise nach Durban war wie die im letzten Jahr. Mit dem Zug nach Frankfurt, dort auf dem Hauptbahnhof noch einmal kräftig was gefuttert in der Kantine und dann zum Flughafen gedüst. Ich war einer der Ersten aber schnell trudelten nach und nach die Läufer aus unserer Reisegruppe ein. Später im Transitbereich traf ich noch einige Bekannte, die mit uns die Reise antreten wollten. Die Ultraläuferwelt ist eben klein. Und fein. In Johannesburg stiegen wir wieder in einen Inlandflieger nach Durban um, wurden dort mit einem Bus abgeholt und waren kurz nach Mittag in unserem Hotel. Eine reibungslose Anreise, das ist doch schon mal eine Bank. So kann es ruhig weiter gehen. Von schönem Wetter wurden wir empfangen und ich genoss das erste Bier in Südafrika auf dem Pooldeck des Hotels. Wir mussten noch etwas warten, bis unsere Zimmer bezugsfertig sind. Das war überhaupt kein Problem. Die Zimmer unterschieden sich doch um einiges von denen im letzten Jahr. Da sind Werner und Matthias einem falschen Rat gefolgt, dass das Hotel besser sein sollte. Also letztes Jahr, die Zimmer diesmal jetzt waren groß und angenehm und alle mit Blick auf die Bucht. Wir trafen auch die Läufer und Angehörigen der Reisegruppe, die schon ein paar Tage in St. Lucia verbrachten und ebenfalls heute nach Durban kamen. Da waren einige liebe Bekannte aus dem letzten Jahr dabei. Darunter Ulrich-Josef, der ebenfalls dieses Jahr seine Back-To-Back-Medaille erlaufen will und das sehr gut schaffen wird. Und Ulli, der dieses Jahr seinen ersten Comrades mit der "Green Number" laufen wird. Schade, er wird es dieses Jahr nicht schaffen :o(. Die grüne Nummer ist ähnlich der grünen Startnummer der Jubilees beim Berlin Marathon und diese Nummer behält man dann ein Leben lang wenn man den Comrades 10 mal gefinisht hat. Übrigens, auf den Startnummern, von denen man zwei erhält und die man beide, vorn und hinten, tragen MUSS, steht die Anzahl der bisherigen Teilnahmen drauf. So sieht man immer, wen man gerade so vor sich hat. Ich kam des Öfteren aus dem Staunen nicht raus. Der Teilnehmer mit den meisten Teilnahmen den ich sah, hatte 37 mal gefinisht!

Am Nachmittag gingen wir gemeinsam zur Marathonmesse, um unsere Startnummern abzuholen. Das war ganz easy. Es gab ein paar Änderungen gegenüber dem Vorjahr. Noch vor dem Betreten der Messehallen wurden die Chips getestet und man konnte anschließend weiter gehen. Das war jetzt nicht wirklich Pflicht, sah aber fast so aus. Anschließend war man gleich in dem Bereich, wo man die Startnummern abholen konnte. Ich staunte nicht schlecht. Noch vor der Messe, gleich am Anfang der Hallen bekam man die Startnummern! Rechts für Einheimische und links für ausländische Starter. Auch die Infoschalter bzw. Trouble Desk waren gleich am Eingang. Das hab ich noch nirgends erlebt und das war auch letztes Jahr noch anders, muss man sonst doch immer durch die komplette Messe latschen, auch wenn man nichts kaufen will. Dennoch sind wir anschließend durch die Hallen geschlendert und haben uns umgesehen. Das Übliche halt, kennt man und ich habe nichts gekauft. Hat aber trotzdem Spaß gemacht. Der Rest des Tages war Freizeit und Abendessen und ins Bett gehen. Mit Berd Dander aus Dresden hatte ich einen äußerst angenehmen Zeitgenossen als Zimmerkumpel für die nächsten Tage. Man kann ja auch mal Glück haben näch ;o)

Am Freitag war wieder die Busfahrt über die Laufstrecke geplant. Hatte ich zwar schon letztes Jahr mitgemacht, dennoch hatte ich Lust, da wieder mit dabei zu sein. Wir fuhren natürlich in Laufrichtung. Der Besuch der Ethembeni School, der Behindertenschule war wieder ergreifend. Die Kinder und Jugendlichen tanzten und sangen für uns. Das hätte von mir aus auch viel länger dauern dürfen. Dieses Jahr hatte ich auch daran gedacht, etwas mitzubringen. Etwa 2 Kilo Süßigkeiten hatte ich dabei. Brian Swart, der Organisator dieser Tour sagte, 1 Dollar ist nicht viel Geld (für uns Läufer, die einige Tausend Dollar oder Euro für die Reise ausgeben), kann aber ein behindertes Kind über längere Zeit finanzieren. Für die Kinder dort ist der Comrades gleichbedeutend wie Weihnachten. Am Sonntag werden sie an der Strecke stehen und sitzen und uns anfeuern und die Hände zum Abklatschen entgegen strecken :o) Wir fuhren weiter nach Pietermaritzburg und besuchten das Zielstadion. Da konnten wir uns schon mal warmlaufen und Fotos machen. Anschließend ging es zum Comrades-Museum. 96 Jahre Comrades tragen so einiges zusammen. Viel zu wenig Zeit hatten wir mal wieder. Die Diskrepanz zwischen den Jahren (der erste Comrades wurde 1921 ausgetragen) und der Anzahl der Läufe kommt daher, da während des zweiten Weltkrieges kein Lauf statt fand. Wo ich bei Weltkrieg bin. Der erste Comrades wurde in Gedenken an die gefallenen Kameraden (Comrades = Kameraden) im ersten Weltkrieg ausgetragen. Genaueres kann man bei Bedarf bei Wiki nachlesen ;o) Nach dem Besuch des Museums fuhren wir die Autobahn zurück nach Durban.

Es war noch einiges an Zeit und die nutzten Bernd und ich zu einem Läufchen auf der Strandpromenade. Ich begnügte mich mit guten 4 Kilometern, Bernd rannte noch etwas weiter in die andere Richtung und kam auf 12 Kilometer. Anschließend hoppsten wir auch noch ins Meer. Einmal im Indischen Ozean baden war ja mal Pflicht. Abends fand die Nudelparty, vom Reiseveranstalter organisiert, beim Italiener im Freizeitpark "uShaka" statt. Lecker und ein schöner Abend war es. Warum schon am Freitag? Sonntag müssen wir sehr früh aufstehen, Start ist 5:30 Uhr, als hat man Abends vorher nicht die Ruhe, um es sich noch länger gut gehen zu lassen. Am Freitag Abend aber schon.

Samstag war Freizeit und jeder konnte tun und lassen was er will. Bernd und ich, wir wollten zum WM-Fußballstadion gehen und auf die Aussichtsplatform hoch fahren. Kann man auch hoch klettern, ein paar hundert Stufen. Aber das ist nichts für einen Tag vor dem Comrades *hihi*. Wir haben den Tag schön rum getrödelt und dann schlenderten wir los. Ich hatte allerdings vor, nur eine Strecke zu gehen, sind doch rund 4 Kilometer Fußweg bis dahin. Wir ließen uns viel Zeit, es war sehr schönes Wetter und wir hatten auch keine Eile. Vorher wollten wir aber noch einmal zur Läufermesse, denn dort konnte man schon am Vortag seinen Beutel mit den Wechselsachen fürs Ziel abgeben. Das wurde uns auch dringend angeraten, denn dann war das erledigt und vor dem Start hatte meine eine Sorge weniger. So schlenderten für vorher noch ein Stück durch Durban, kamen am Rathaus, vor dem der Start erfolgen sollte vorbei und machten somit einen kleinen aber hübschen Umweg zur Messe. Der Umweg beinhaltete auch einen schönen Wochenmarkt und durch eine Mall wackelten wir auch. Teils schon etwas europäisch angehaucht aber viel afrikanische Kultur war noch enthalten. Wir luden dann unsere Beutel ab und gingen zum Stadion. Als wir dort waren, kamen uns Sonja und Martin entgegen und teilten uns die traurige Nachricht mit, dass die Aussichtsplattform geschlossen sei. Wegen Wartungsarbeiten. *soiftz* Nun, wir tranken einen Kaffee in einem kubanisch angehauchtem Café, mit großem Che Guevara-Bildnis hinter der Theke. Und ein Eis gab es noch obendrauf. Auf dem Rückweg vom Stadion fand ich allerdings die Bushaltestelle nicht mehr, an der ich ich letztes Jahr ausgestiegen bin. Also latschten wir wieder zu Fuß zurück. Und entfernten uns erst einmal vom Strand. Das brachte nicht nur Mehrweg mit sich, es wurde auch dunkel und da wollten wir lieber in der Nähe der Strandpromenade sein. Die Kriminalität ist abseits der gut überwachten Touristenzentren doch sehr hoch und wir wurden dringend davor gewarnt, bei Dunkelheit durch die Straßen der Stadt zu ziehen. Leider wurden zwei Läufer aus unserer Reisegruppe in der Tat ausgeraubt. Nicht komplett, aber Kamera weg und einiges mehr, ich hab aber so genau dann auch nicht nachgefragt. Manches will man nicht wissen ;o) Wir kamen aber heile wieder im Hotel an. Dort gab es im Restaurant auch ein reichhaltiges Bufett und wir stopften uns die Plautze voll. Bernd war das am Ende auch etwas zuviel Gelatsche an diesem Tag. Aber auch er lief ein gutes Rennen am nächsten Tag. Ach wat sag ich, er lief phantastisch und kam in 8:26 ins Ziel. Und er war zurecht sehr stolz darauf, dass er sämtliche Anstiege durchgelaufen ist.

So nun aber, es kam der Tag der Tage!

Frühes Aufstehen war natürlich angesagt. Bernd war wir immer vor mir aus den Federn, er ist ein Frühaufsteher. Aber ein sehr rücksichtsvoller, nicht einmal wurde ich von seinem Gewusel wach die Tage. Alle Sachen hatten wir am Vorabend bereit gelegt. Das erspart Stress und eventuelle Sucherei am Morgen. Daher waren wir rasch fertig mit den Vorbereitungen. Also schon mal runter fahren zum Frühstücken. Die Tage vorher hatten wir schon herausgefunden, dass es beim Frühstück leckeres heißes Porridge gibt. Für Läufer wie uns, die mit Haferflocken etc. auf die Strecke gehen können, ein wunderbares Frühstück. Genügend frisches Obst drauf und das halbe Frühstück ist fertig. Dann noch ein paar Toastbrote mit Marmelade und es fehlt an nichts. Jede Menge Leute waren um diese Zeit beim Frühstück, ich denke das Hotel beherbergte ausschließlich Comrades-Läufer und deren Angehörige. Eine wunderbare Stimmung überall. Das ist schon mal eine tolle Einstimmung. Satt flitzten wir wieder aufs Zimmer. Ich versuchte noch, ein Geschäft zu erledigen, was wider Erwarten sogar funktionierte. Sollte aber nicht reichen. Dann waren wir fertig und konnten uns in die Lobby begeben. Es war übrigens angenehm warm und man benötigte keinerlei Sachen zum Überziehen vor dem Start. Auch nicht die beliebte Mülltüte. Diese hätte man dieses Jahr aber nur bis zum Eingang der Startblöcke anhaben dürfen. Es wurde in der Ausschreibung verboten, diese mit hinein zu nehmen. Zuviele Läufer werfen die Tüten einfach auf den Boden und das ist eine üble Stolperfalle für nachfolgende Läufer. Ich hab aber auch das Gegenteil gesehen. Eine Läuferin futterte ihre Banane im Startblock auf. Und machte sich extra auf den Weg zum Rand, damit sie die Schalen nicht unter sich lassen musste. Ah, ich hab mich im Thema schon zu weit vorgewagt...

Wir waren ja noch im Hotel. Den ersten Lift mussten wir fahren lassen, da passte auch der schmalste Läufer nicht mehr mit hinein. Wir wollten uns schon mit dem Gedanken anfreunden, uns aus der 14. Etage die Treppe hinab zu begeben. Aber im nächsten Lift fanden wir genügend Platz. In der Lobby sammelten wir uns. Also wir aus der Reisegruppe. Der Fußweg zum Start war keine 2 Kilometer weit und so gab es überhaupt keine Eile. Auch hatten bereits alle ihre Beutel mit den Wechselsachen abgegeben. Dadurch war alles ganz entspannt und wir gingen dann gemütlich Richtung Start. Die Vorfreude steigerte sich derweil! Natürlich waren wir nicht die Einzigen. Jede Menge andere Läufer vor, neben und hinter uns. Alle so gut gelaunt. Wie sollte es auch anders sein?! Und es wurden immer mehr. Und schwubbs waren wir schon da. Wir verabschiedeten uns und jeder suchte seinen Startblock auf. Fotos und Selfies machen und schauen was hier so los ist. Ich genoss das wieder wie nur was. Dadurch, dass es noch Dunkel war und nur die Straßenbeleuchtung uns erhellte, war das schon eine schummrige und tolle Stimmung. Ich bin dann auch in meinen Startblock, die Buchstaben auf den Startnummern wurden gut kontrolliert, und fühlte mich pudelwohl. So hab ich mir das wieder gewünscht, so sollte es sein, mein zweiter Comrades steht kurz bevor!

Der Sprecher heizte die Menge ein und die Stimmung an. Dann wurde die südafrikanische Nationalhymne gespielt. Ich finde die schön und die meisten meiner Mitstarter sangen mit. So laut, dass ich es von überall hörte und nicht mehr aus den Lautsprechern. Schwarze wie weiße sangen gemeinsam. Sie alle sind stolze Südafrikaner. Sicher sind die Folgen der Apartheid noch lange nicht überwunden aber es geht voran. Ich finde das toll. Anschließend wurde das Lied "Shosholoza" gespielt. Das traditionelles Bergarbeiterlied was in etwa bedeutet: „Mutig nach vorn schauen“ oder „Wir greifen an“. Es ist seit vielen Jahren auch die Hymne des Comrades. Textsicher, wie ich war, sang ich es mit und filmte die Stimmung auch mit der Kamera. Und dann spielten die Bekloppten, wie schon letztes Jahr, Vangelis vor dem Start und da liefen mir wieder die Tränen. Das war einfach zu ergreifend! Jau und dann kam der Hahnenschrei von Max Trimborn, inoffizieller Startschuss und dann der richtige Kanonenknall als Start. Und es ging los!

Vorlatschen bis zur Startlinie aber das ging schon recht flott. Und dort gleich lostraben und nach ein paar hundert Metern konnte ich mein gewünschtes Tempo schon laufen. Obwohl alles noch dicht bei dicht war lief es sich prima. Das fängt ja gut an und so kann es weiter gehen. Eilig hatte ich es sowieso nicht bei der Strecke die noch vor mir liegt. Die wird nicht auf den ersten Kilometern gewonnen. Zu Beginn ging es noch recht eben durch die City von Durban, gemütliches Einlaufen, aber es dauerte nicht lange und dann ging es aufwärts. Gute zwei Kilometer und dann hatten wir den Salat. Auf dem Highway, der uns fortan immer wieder begleiten wird ging es bergan. Nicht zu steil zwar aber es galt, die Kräfte einzuteilen. Ich lief immer ein Stück, dann ging ich und dann hoppelte ich wieder. Ohne Tempokontrolle und Pulsmesser hab ich eh nicht dabei. Also ganz nach Gefühl. Und das fühlte sich gut an und ich fühlte mich wohl. Was auf mich zukommen würde, das war mir bewusst, direkt überraschen konnte mich da aber nichts. Das ist nicht immer gut, manchmal finde ich es schön, wenn ich nicht weiß was auf mich zukommt, hier wo die Zielzeit doch etwas knapp werden kann, ist das schon besser so.

Es war immer noch stockduster, also vom Himmel her, es gab noch die Straßenbeleuchtung und Stirnlampen brauchte niemand *g* und es lief und lief. Es war angenehm warm und wie erwartet, fing ich schon ganz gut an zu schwitzen. Wir kamen zum ersten Verpflegunspunkt, der natürlich jetzt nur ein Getränkepunkt war. Ich trank etwas Wasser und dank der Beutelchen ging das wunderbar. Gleich mal erwähnen. Beim Comrades und wohl auch bei einigen anderen Läufen in Südafrika wird das Wasser in 100-ml-Plastikbeutelchen ausgegeben. So auch das Isogetränk "Energade". Das hat sicher abfall- und umwelttechnische Nachteile (Plastebecher haben das aber auch :P ) aber viele Vorteile für Läufer und Veranstalter. Die Beutel können tonnenweiese in LKWs an die VPs geliefert werden. Sie können in Plastewannen mit Eiswürfeln gekühlt und ohne dass etwas rumschwappt von den Helfern an die Läufer ausgeteilt werden. Und als Läufer macht sich das auch gut. Erst einmal die Beutel greifen. Wenn man mag, soviele wie man in Händen Tragen kann. Später, wenn es warm wird ist das nicht unwichtig! Und dann eine Ecke vom Beutelchen mit den Zähnen aufreißen, in den Mund drücken und trinken. Oder über den Kopf spritzen oder über das Shirt oder wie auch immer. Natürlich liegen dann die leeren Plastebeutelchen zu tausenden auf der Straße rum und manche sind nicht leer. Drauf getreten und schon spritzt man den eigenen Fuß oder andere voll. Es gibt schlimmeres. Coca Cola allerdings wird in Pappbechern ausgeschenkt. An einigen VPs gibt s auch Fanta, aber damit hatte ich im letzten Jahr schlechte Erfahrung. Vom Geschmack her.

So langsam dämmerte es und es kündigte sich der Sonnenaufgang an. Letztes Jahr war dieser richtig schön und wir liefen auf ihn drauf zu. Dieses Jahr musste ich mich umdrehen und schauen, wann es sich denn lohnt ein paar Fotos davon zu machen. Lohnte sich nicht, da waren noch einige Wolken am Horizont, die das vermiesten. Aber nicht meine Laune. Die gute Laune wurde natürlich auch auch von meinem gut funktionierenden Körper unterstützt. Ich fühlte mit topfit und pudelwohl. Die Beine waren locker und gut drauf, da gab es nirgends etwas zu meckern. Habe ich in der Vorbereitung mal wieder alles richtig gemacht. Es ging ja weiterhin größtenteils aufwärts, von kleinen Abschnitten unterbrochen, an denen es wieder etwas hinunter ging. Das sollte sich bis etwa Kilometer 30 nicht groß ändern. Durch die vielen Gehpassagen war das an sich nicht groß anstrengend. Viele Anstiege gehe ich lieber, ich bin halt ein langsamer Ultraläufer. Hin und wieder verfalle ich in den Laufschritt für ein paar Dutzend Meter. Da komme ich einerseits etwas voran und andererseits bringt das Abwechslung in den Bewegungsablauf. Zu lange gehen das nervt schon etwas und das Wiederanlaufen fällt auch um so schwerer, je länger man geht.

Ja Sonnenaufgang war nix hinter mir aber es war schon schön, dass es heller wurde. Der Fotos wegen. Und es wurden auch mehr Zuschauer an der Strecke. Und sie wurden munterer. Ist ja auch nicht gerade unwichtig. Letztes Jahr hatte ich gelernt, dass die Zuschauer an der Strecke hin und wieder auch animiert werden müssen. Dann geht aber die Post ab. Oder man hält die Kamera hin, dann werfen sie sich sofort in Pose. Die Südafrikaner sind schon ein tolles Völkchen. Wurscht ob schwarz oder weiß. Und es lief sich schön weiter. Wir wechselten von der Autobahn auf den King Cetshwayo Highway und der führte uns durch feinere Wohngegenden. Auch dies hier ein Unterschied zu letztem Jahr. Da waren wir recht flott aus Pietermaritzburg raus und "auf dem Land" und viele Klamottensammler säumten die Straße. Man kennt das ja auch von diversen Läufen in Deutschland, wenn es vor dem Start kühl ist, zieht man sich ein altes Baumwollshirt oder was anderes Wärmendes über und wirft das vor oder nach dem Start an die Seite. Diese werden dann eingesammelt und Hilfsorganisationen zugeführt. So ähnlich auch beim Comrades nur nimmt man die Sachen dann auf die Strecke mit und wirft sie an den Rand oder gibt sie den Sammlern gleich in die Hand. Die verticken das dann auf Märkten und bekommen auf die Art ein kleines Zubrot. Gibt eben doch noch viel Armut in Südafrika. Dieses Jahr war das eben doch anders. Zum einen war es bedeutend wärmer vor dem Start und eben liefen wir noch längere Zeit durch bessere Gegenden. Diese erkennt man auch dadurch, dass die Siedlungen entlang der Straße mit hohen Mauern nebst Spannungsdrähten umzäunt waren. Und überall Schilder vom jeweiligen Wachschutz, der die Siedlung "betreut". Also gab es kaum Klamottensammler. Aber immer mehr Zuschauer, die schon munter und gut gelaunt waren.

Wir liefen durch Westwille und weiter ging es hinauf, Gehen und Laufen wechselte sich ab und ich hatte Freude daran. Und wir kamen nach Pinetown, einer Industrievorstadt von Durban. Hier hatten wir etwas Erholung von den Anstiegen bisher. Knapp die Hälfte der Anstiege zu Beginn hatten wir bis hier geschafft und wir waren auf einem Niveau von fast 400 Meter über NN. Zur Belohnung ging es sogar etwas hinab und dann ein paar hundert Meter recht eben. Und jede Menge Stimmung an der Straße. Das war richtig schön zum Genießen. Leider gab es hier auch eine kleine Umleitung dank Baumaßnahmen auf der Hauptstraße. Dadurch verlängerte sich die Gesamtstrecke um etwa 700 Meter. Das wirkte sich aber nicht auf die Zielschlusszeit aus. Die paar Minuten musste man dann extra heraus laufen. Läufer bei denen es knapp werden würde, konnte das schon in Schwierigkeiten bringen. Dazu hab ich ja schon zu Beginn einiges geschrieben. Nachdem wir aus Pinetown raus waren liefen wir wieder durch bessere Wohngebiete und gewannen weitere Höhenmeter. Bis wir den zweiten von den Big Five absolvierten: Fields Hill. Der finale Anstieg hatte es dann doch ganz schön in sich und war recht steil. Auch wenn ich das vom letzten Jahr her kannte, anders herum läuft es sich an der Stelle doch einfacher *hihi*

Es wurde ein Stück etwas leichter und schön belaufbar, wir liefen wieder ein gutes Stück auf der Autobahn, bis wir diese für den Rest der Strecke verließen. Wir näherten uns Hillcrest. Nicht nur, dass es wieder eine recht feine Wohngegend war. Das sieht man nicht nur an den eingezäunten Vierteln, auch der Anteil weißer Zuschauer war wieder höher. Die Stimmung war auch hier wunderbar. Was ich auch wunderbar fand, war die Tatsache, dass ich bereits über 30 Kilometer hinter mir hatte und ich mich dabei weiterhin richtig gut fühlte. Durch die fielen Gehpassagen hatte ich zwar eine Menge Zeit verloren, aber das war alles noch vollkommen im Rahmen, da machte ich mir keine Sorgen. Ich hatte auch das tolle Gefühl, dass ich auch den Rest der Strecke problemlos bewältigen werden würde. Das klingt jetzt schon komisch?. Wie kann man bei solch einer Strecke bereits nach einem Drittel wissen, dass der Rest auch gut laufen wird? Keine Ahnung und trotz der Tatsache, dass durchaus immer was passieren kann, war ich mir da bereits sicher. Und das gab meiner guten Laune natürlich weiteren Schwung.

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Allerdings bekam ich so langsam Hunger. Bei den offiziellen Verpflegungen gibt es nicht viel zu essen. Banane, Gummizeugs und so ne Art Riegel. Banane wollte ich noch nicht so viel und von den anderen Sachen lies ich die Finger. Später würde es noch gekochte Kartoffeln geben, aber jetzt war es dazu noch zu früh. Ich hatte neben dem Wasser auch schon ein paar Beutelchen von dem Isogetränk getrunken. Schmeckt ja gut aber ist auch nur flüssig im Magen. Mir schwebte was weißbrotartiges vor, Toastbrot oder so, das füllt den Magen und tut gut. Also schaute ich mich um. Ich wusste ja, dass es bei den Zuschauern gern gesehen ist, wenn man bei ihnen Essen schnorrt, bis hin zur Bratwurst. Wollte ich später auch noch essen. Jetzt wollte ich aber erst einmal nur Brot. Und rasch fand ich auch einen Pavillon, bei dem eine Frau gerade alles fürs Grillen vorbereitete. Nur zu gern gab sie mir eins von den großen Brötchen ab. Und es war genauso, wie ich es in dem Moment wollte, Weißmehl und total labbrig. Das futterte ich nun gemütlich vor mich hin und beim nächsten VP spülte ich das mit Wasser herunter. Das fühlte sich auch gut im Magen an. Nicht viel später begann ich dann, an jeder Verpflegung Cola zu trinken. Wie schon mal erwähnt, die VPs waren im Schnitt zwei Kilometer auseinander und so konnte ich einen steten Strom an Cola und damit Zucker gewährleisten. In er Tat nahm ich den Rest der Strecke nicht mehr viel anderes zu mir. Ein paar Pellkartoffeln, die im Salz angeboten wurden, mal ein Stück Banane oder ein Viertel Orange, das eine fruchtige Abwechslung in den Mund brachte. Aber die Hauptenergie bekam ich durch die Cola und so war alles prima. Was die angesprochene Bratwurst betrifft, so lies ich dann später doch die Finger davon. Der Appetit darauf war eher gering und zum anderen brutzelten die schön auf dem Grill und was will ich mit einer frischen und heißen Wurst. Da wollte ich mein Zeitpolster dafür lieber nicht anbrechen. Gibt noch andere Läufe, wo ich deftig was futtern werde.

Noch bevor wir Hilcrest verließen gab es eine tolle Überraschung. An der Strecke warteten Sonja und Martin, die leider nicht mitlaufen konnten, und weitere Angehörige von Läufern aus unserer Reisegruppe auf uns. Da war meine Freude natürlich groß! So konnte ich mich dann frohen Mutes an den finalen Anstieg zu Bothas Hill, dem dritten der Big Five, machen. Hatte ich den hinter mir, würde die Strecke nun nicht unbedingt flach werden aber das überwiegende Bergauf hatte nun ein Ende. Nun halten sich An- und Abstiege die Wage, sodass ich auch mal öfter und länger etwas Tempo machen konnte. Denn dazu war ich noch sehr gut in der Lage und das war wunderbar so. Nachdem ich den Gipfel erklommen und wieder abwärts hoppeln konnte sah ich schon den Antennenmast, der mich daran erinnern sollte, dass es nun nicht mehr weit bis zu Arthurs Seat ist. Ich wollte ja ein Blümchen pflücken, so wie sich das gehört. Ich schaute mich um und sah...nichts. Viel Grün und auch vertrocknetes aber nichts frisches und buntes. Na da muss ich mal weiter schauen. Derweil lies ich mich ablenken von dem Spaß um mich herum und natürlich auch davon, dass ich richtig schön Bergab wetzen konnte. Aus der Erfahrung wusste ich, dass ich mir da keine großen Gedanken machen muss, dass meine Muskeln sich da abschießen. Hab ich gut trainiert und die können das ab. Und schwubbs sah ich schon die Wall of Honor. An dieser kann sich jeder Finisher des Comrades mit einer Plakette verewigen lassen. Man muss dann natürlich eines der nächsten Jahre noch einmal wiederkommen um seine Plakette bestaunen zu können *grins* Ein paar sehr berühmte Namen sind da schon verewigt. Jedenfalls war das die letzte Erinnerung, dass nun gleich Arthurs Seat kommt. Ah! Ich hatte noch immer kein Blümlein! *panikschieb* Ein paar Meter von der Straße weg und auch recht steil hinab stand ein Baum mit herrlichen und großen Blüten. Ich traute mich nur nicht, über die Leitplanke und da hinab zu steigen, so wie manch andere Läufer das taten. Weichei! Ich fand dann aber noch ein halbvertrocknetes Primelchen am Straßenrand, dass ich mitnahm. Wozu überhaupt das Ganze? Arthur Newton, 5 mal Sieger des Comrades in den 1920er Jahren, pflegte sich damals dort immer ein wenig auszuruhen. Der Legende zufolge wird es den Läufern, die hier eine Blume ablegen mit den Worten "Good morning Sir", auf der zweiten Hälfte der Strecke gut ergehen. Und Legenden sind ja mal dazu da, dass sie gepflegt werden. Also tat auch ich dies. Es ist schon ein lustiges Bild, wenn man darauf zuläuft und ein Läufer nach dem anderen verbeugt sich vor dem Plätzchen. Letztes Jahr hat es mir auch schon gut geholfen.

Nicht viel später sah ich den Spaß schon im Tal: Den Halfway Point. Da war sowas von Stimmung, jede Menge Leute, Beschallung und die Strecke durch Absperrzäune noch etwas verengt. Das garantierte Gänsehaut und Kribbeln am ganzen Körper. Das war sooo geil, da möchte man einfach mehrmals durchlaufen. Und weil das alles so schön war, schloss sich gleich darauf der Anstieg zu Inchanga an. Das zog sich fast 3 Kilometer hin und wir gewannen etwa 130 Höhenmeter dabei. Mit den mittlerweile doch etwas müden Beinen konnte einen das schon etwas ärgern. Selbst das Gehen strengte schon etwas an. Aber half ja allet nüscht, hier musste ich durch und es war ja nicht so, dass ich schon am Ende gewesen wäre. Immer wieder hatten wir nun einen herrlichen Ausblick nach Norden in das "Valley of 1000 Hills". Da möchte man länger stehen bleiben und genießen. War aber nix, ich musste ja weiter und bis ins Ziel. Wollte ich auch. Etwas später kamen wir an der Ethembeni School vorbei, der Behindertenschule, die wir an Freitag besucht hatten. Und ich war wieder sehr ergriffen. Da standen oder saßen in Rollstühlen die Kinder an der Straße und streckten uns die Hände entgegen. Ich hab mir große Mühe gegeben, da jede einzelne Hand abzuklatschen oder zu drücken. Die Zeit musste einfach sein :)

Und dann ging es schön weiter. Auf und ab wechselten sich nun recht schnell ab und das brachte schöne Abwechslung in die Beine. Bergab und im Ebenen schön rennen, ganz nach Gefühl, ich achte da nicht auf das Tempo. Und werden die Anstiege etwas steiler, dann wird flott gegangen. Ich fühlte mich so gut, dass ich auch noch einen flotten Wanderschritt drauf hatte. Das kenne ich von mir auch schon anders. Was mich auch sehr erfreute war, dass ich mit dem Wetter absolut keine Probleme hatte. Es gab keine Wolke am Himmel und auch so wenig Schatten. Es war zwar nicht richtig warm, ich schätzte es um die 25°C. Aber die Sonne drückte schon ganz schön. Nur störte mich das eben nicht. Als ich nach einer Weile bemerkte, dass mein Shirt ziemlich trocken ist, der Schweiß also zu schnell verdunstete, begann ich mich permanent mit Wasser zu bespritzen. Auch dazu waren die Plastebeutelchen sehr praktisch. Ich nahm mir an den Verpflegungen immer eine Handvoll mit. Erst trinken und dann ein Beutelchen über die linke Schulter, eins über die Rechte und eins auf die Oberschenkel verteilt, dass auch die Hose schön nass bleibt. Wenn sich die Gelegenheit bot, tunkte ich meine Schirmmütze in einen Bottich Wasser und durch die "Gardine" hinten dran hatte ich schön viel und kaltes Wasser den Rücken runter. All das trug bestens zu meinem Wohlbefinden bei und so konnte ich überhaupt nicht klagen.

Bei Cato Ridge näherten wir uns wieder für ein paar Kilometer der Autobahn, die wir nun einige Kilometer immer im Auge haben würden. Wir liefen parallel zu ihr, dann wechselten wir die Seite und liefen an ihr weiter. Es ging durch Camperdown und dann wechselten wir wieder die Seite. Das hatte zur Folge, dass viele Angehörige von Läufern gut an die Strecke kamen. Sie parkten wild wo sie nur konnten und säumten die Strecke und machten mächtig Stimmung. So etwas kann man sehr gut nach 60 bis 70 Kilometern gebrauchen. Das zog sich hin bis Lynnfield Park von wo man erste Ausläufer von Pietermaritzburg sehen konnte. Bis dahin liefen wir auch an vielen Hühnerfarmen vorbei und der Wind stand günstig. Das kann auch schon mal sehr ungemütlich werden und da kann man eine Nasenklammer gebrauchen. Tierschutz wird da nicht gerade groß geschrieben. Okay, kennen wir in Deutschland auch oft nicht anders. Was mich auch immer wieder begeisterte war, dass ich immer ein gutes Polster auf den Cut Off hatte. Auf der Strecke gibt es insgesamt sechs Stellen, an denen Cut Offs festgelegt wurden. Diese wurden immer auch einen Kilometer vorher angekündigt. Gut für jene, bei denen es da um Sekunden geht, da können sie vielleicht noch einmal beschleunigen. Ich hatte immer ein Polster von 25 bis 30 Minuten auf den Cut Off und da ich mich weiterhin gut fühlte, musste ich mir keine Sorgen machen.

Je näher wir Pietermaritzburg und damit dem Ziel kamen, desto mehr nervte die Sonne. Sie stand nun logischerweis im Westen und damit direkt vor uns. Sie blendete schon etwas und ärgerte mich beim Fotografieren. Naja nicht wirklich, was konnte mich heute noch ärgern? Auch, dass mir mittlerweile die Füße ziemlich weh taten, konnte mir den Spaß nicht verderben. Nach so vielen Kilometern auf Asphalt und dabei auch vielen mehr oder weniger steil bergab ist das aber auch normal und kam nicht unerwartet. Irgendwann kann auch die beste Dämpfung des Schuhs nichts mehr ausrichten. Ob ich doch mal einen Hoka versuchen sollte? *grübel* Aber auch wenn die Füße und natürlich mittlerweile die meisten Muskeln weh taten, so konnte ich weiterhin bestens laufen. Ich hatte keinerlei Kraft- oder Energiemangel und auch mental war ich 100% fit. So ganz anders als vor zwei Wochen am Rennsteig. Nicht, dass mich das groß überraschte, die Stimmung und das ganze Drumherum hier in Südafrika war schon um Einiges anders. Darüber hinaus, ich flieg doch nicht so weit zu so nem Läufchen, um es mir dann durch schlechte Laune zu vermiesen? So blöd kann nicht mal ich sein.

Die Sonne neigte sich immer mehr dem Horizont, der Tag ging zur Neige und der Lauf auch. Da schlugen wie schon letztes Jahr zwei Herzen in meiner Brust. Das eine war froh, dass es nun bald ein Ende haben würde. Na klar tut das alles nun recht weh. Das andere war traurig, dass der große Lauf nun schon wieder beendet sein würde. Beide hatten ihre Berechtigung und beide waren gut. Einen gewaltigen Anstieg hatten wir noch vor uns. Etwa bei Kilometer 80 ist Polly Shortts und dieser hat es noch einmal in sich. Etwa zwei Kilometer mit durchschnittlicher 5% Steigung. Da ist an Rennen nicht mehr zu denken. Zumindest für mich und die meisten um mich herum. Bernd, mein Zimmergenosse erzählte mir später stolz, dass er auch diesen finalen Anstieg komplett durch gerannt ist. Er wurde dabei auch von anderen Läufern mit "The strong German" angefeuert. Das war also noch einmal recht anstrengend aber das war gut so, auch hier war ich bester Laune und mit Vorfreude, da es ab hier fast nur noch bergab gehen würde. Mit dem Zeitpolster im Nacken war das ein schönes Gefühl.

Nach Polly Shortts kamen schon die Vororte von Pietermaritzburg und die Zuschauer nahmen wieder zu. Allerdings waren die oft auch schon ganz schön müde. Ich musste sie schon animieren, Rabbatz zu machen, aber dann ließen sie sich nicht zwei mal bitten. Wenn sie jetzt noch einen Läufer mit so guter Laune wie der meinen sahen, waren sie aus dem Häuchen. Das war für mich immer noch ein Riesenfest und ich wollte das bis zum Schluss auskosten. Das ich mächtig am Überholen war, trug natürlich noch gut zu meiner Stimmung bei. Die Kilometer flogen jetzt nur noch so vorüber. Das lief perfekt und war einfach nur schön und so kam ich an das Schild "nur noch ein Kilometer". Dieses Jahr wollte ich alles richtig machen, nachdem de Fotograf letztes Jahr dieses Foto versaut hatte. Ich bat eine Zuschauerin, mich vor dem Schild zu fotografieren und die war richtig begeistert davon. Und sie machte auch alles richtig *juhu* Der Rest der Strecke war Genuss pur! Jetzt tut nichts mehr weh, jetzt sprießen die Endorphine, das ist einfach nur noch geil! Das sind die Momente, dafür laufe ich Ultras, dafür bin ich nach Südafrika geflogen! Die Gasse zum Stadion, der Einlauf ins Stadion. Kaum drin, sah ich links das International-Zelt und da waren die Freunde aus der Reisegruppe, die mich anfeuerten. Eine Dreiviertelrunde ging es noch durchs Stadion und ich trabte ganz langsam und sog wieder alles in mich auf. Und die Zielgerade! Natürlich machte ich ein Foto vorher. Zeit hatte ich ja sowieso genug. Und dann mit einem Jubelschrei über die Ziellinie. In dieser Sekunde kam so viel zusammen, am meisten das Glücksgefühl, dass ich wieder ALLES RICHTIG gemacht hatte und diesen tollen Lauf so laufen, so genießen konnte, wie ich mir das erträumt hatte.

Und dieses Jahr dachte ich auch daran, ein vernünftiges Zielfoto mit dem Ziel im Hintergrund machen zu lassen. Auch die Medaillenfee war nur zu gerne bereit, ein Foto von mir mit frischer Medaille zu machen. Ich war im Ziel des Comrades! Zum zweiten Mal und wieder war es sooo schön! Und nun flink zum Posten, wo ich mir die Back-To-Back-Medaille abholen konnte. Das war wichtig! Und nun war einfach nur noch genießen angesagt. Im Gegensatz zu letztem Jahr, als ich ein paar Kilometer vor dem Ziel auf die Fresse flog und mich schnell um meine Wunden kümmern musste, war hier und jetzt alles nur noch schön. Ich zum International-Zelt gewatschelt, dort die Freunde getroffen und mich mit allen gefreut. Und Bernd erzählte mir von seiner Heldentat, dass er in 8:26 gefinisht hat und da war ich sowas von beeindruckt! Er war dann auch so lieb und holte mir mein Essen und was zu trinken :) Ich zog mich schnell um, wollte endlich aus den verschwitzten Klamotten raus kommen und dann einfach nur rumsitzen und genießen. Schnell war auch die Zeit rum und es kam der Zielschluss. Es war wieder ein großes Spektakel, dass wir am leider etwas kleinen Stadionbildschirm verfolgten.

Dann mussten wir aber auch aufbrechen, wir hatten ja noch die Fahrt zurück nach Durban vor uns. Glücklicherweise hatten wir unseren eigenen Bus. Ansonsten musste man sich als Läufer ein Ticket für einen der vielen Busse besorgen. Eh die aber los kamen in dem ganzen Verkehrschaos, das konnte dauern. Unser Bus parkte etwas außerhalb, wir mussten etwa zwei Kilometer latschen und nahmen das sehr gern in Kauf. So konnten wir auch gleich los düsen. Mit einem Nickerchen auf der Heimfahrt wurde es dann eher nichts, zu aufgekratzt war ich und all die vielen Eindrücke und Emotionen arbeiteten in mir. Und das war ja auch sehr schön. Zum Abschluss aßen wir gemeinsam im Restaurant unseres Hotels. Okay, die Bedienung gab sich noch einmal die größte Mühe, dass wir sie in bester negativer Erinnerung behalten werden aber wirklich ärgern konnte uns das auch nicht mehr. Es war ein wunderbarer Tag und damit ging ich dann ins Bett. Der anschließende Urlaub in Südafrika war noch einmal wunderschön und bot alles, was man sich da wünschen konnte :)

Gruss Tommi

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Wow, Tommi! Starker und zugleich emotionaler Bericht! Mir is bei deinen Schilderungen des Drumherum richtig warm ums Herz geworden! (Hätt nie gedacht, dass ich mal so was schreib).
Gruß Frank

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Boah Tommi, das ist ja mal Lektüre geworden. :D Meinen herzlichsten Glückwunsch zum Ultra Comrades 2015 und auch diesen wunderschönen Bericht. Ich kann mich immer nur wiederholen bei dir, super Leistung - super Sache - supergute physische und psychische Verfassung um dies alles mitzumachen und durchzustehen. Bin stolz auf dich. :daumen: :hallo:
Highlights bisher:
16.+17. Juni 2018 - 24 h Burginsellauf = 121,74 km
03.10.2021 SIX STAR Finisher
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Hallo Tommi,

mein Glückwunsch zum zweiten Comrades Finish! :daumen: :daumen: :daumen:

Nachdem ich mir dieses Jahr den Two Oceans Ultramarathon in Kapstadt gönnte und dabei und im nachfolgenden Urlaub Land und Leute lieben lernte, stand für mich sofort fest, dass der Comrades auf meiner ToRun-Liste einen Spitzenplatz bekommt. Auch meine Frau Ines hat sich in das Land bis über beide Ohren verknallt. Also ist es beschlossen, auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird. Wenn es dann so weit sein wird, werde ich mich deines Berichts erinnern und ihn noch einmal lesen. Einiges der äußeren Umstände habe ich von meinem Erlebnis in Kapstadt wiedererkannt. Danke für den Bericht. :nick:

Alles Gute :daumen:

Gruß Udo :winken:
"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger. :hallo:
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe

PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h

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Großartiger Bericht und vielen Dank für die vielen Details, die so einen Lauf ausmachen. Wie es aussieht, hast du alles richtig gemacht und konntest den Lauf genießen - mehr kann man sich ja nicht wünschen!
Irgendwann vielleicht mach ich sowas irres auch mal :)

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Oh man ich hatte voll Gänsehaut als ich den Zieleinlauf gelesen habe. Was für ein schöner Bericht.
Dafür ist heute ein Teil meines Arbeitstages drauf gegangen. Und das hat sich echt gelohnt.
Herzlichen Glückwunsch :prost: :respekt2: :party2:

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:daumen: Glückwunsch Tommi, konntest den Comrades so richtig genießen. Und ich jetzt, lang und ausdauernd, deinen :geil: Laufbericht.

Ich will ja von meinem 24-Std. Lauf auch noch was zu Papier bringen, allerdings wird das diesmal eher ein Kurzbericht.

Grüssle Klaus
2025
05.07. Heuchelbergtrail 47 k 1400 hm 06:42:48
19.07. 24-h Dettenhausen 102,458 km (in 15 h)
03.08. Nordschwarzwald-Trophy 47 k 1300 hm 05:45.09
16.08. 100 Meilen Berlin

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Dankeschööön ihrs :) Schön, dass ich euch mitnehmen konnte :)
schauläufer hat geschrieben:Ich will ja von meinem 24-Std. Lauf auch noch was zu Papier bringen, allerdings wird das diesmal eher ein Kurzbericht.
Oh ja mach mal :nick:

Gruss Tommi

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Ein schöner und anregender Bericht!

Besonders interessant war er für mich zu lesen, da ich all das, was du beschreibst, ja aus dem eigenen Erleben so gut noch kannte. In der Ergebnisliste habe ich übrigens gesehen, dass ein Mitglied unserer Gruppe von 2005, der damals das 5. Mal dabei war, mittlerweile zum 12. Mal gefinisht hat.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben:Besonders interessant war er für mich zu lesen, da ich all das, was du beschreibst, ja aus dem eigenen Erleben so gut noch kannte. In der Ergebnisliste habe ich übrigens gesehen, dass ein Mitglied unserer Gruppe von 2005, der damals das 5. Mal dabei war, mittlerweile zum 12. Mal gefinisht hat.

Bernd
Ja manche hat der Virus voll erwischt. Ich kenne da zweie :wink: Und ich kann sie so gut verstehen :nick:

Gruss Tommi

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dicke_Wade hat geschrieben:Ja manche hat der Virus voll erwischt. Ich kenne da zweie
Eine Läuferin aus der gleichen Gruppe ist auch die nächsten 3 oder 4 Jahre immer dabei gewesen. Allerdings ist sie mit dem Lauf nie ganz glücklich geworden, denn immer hat sie sich mit irgendwas herumgeschlagen...

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Hallo Gecko

er ist aber P O S I T I V krank.
Diese Krankheit möchte ich auch haben. Nicht sofort und nicht nächste Woche, aber ...
Schönen Sonntag.
Gruss Stefan
Und wieder springe ich über Pfützen oder mitten hinein!!! :-)
Nur diejenigen, die es riskieren, zu weit zu gehen, können herausfinden, wie weit sie wirklich gehen können. -T.S. ELLIOT
http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... athon.html
http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... 017-a.html
forum/threads/131192-Mont-Ventoux

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Leissprecher hat geschrieben:Hallo Gecko

er ist aber P O S I T I V krank.
Das bekommt der Gecko im Zeltlager alles zurück gezahlt :teufel:
Leissprecher hat geschrieben:Diese Krankheit möchte ich auch haben. Nicht sofort und nicht nächste Woche, aber ...
Schönen Sonntag.
Gruss Stefan
Danke dir auch nen hübschen Sonntag. Und wegens der Infizierung? Auch desrum schreib ich meine Berichte :wink: Wegen eines wunderbaren Berichts über den Comrades von Nici (Nicole Kresse) im DUV-Forum bin ich überhaupt erst auf diesen Lauf gekommen und schon vor vielen Jahren wanderte der auf meine ToDo-Liste.

Gruss Tommi

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Schliesse mich den Glückwünschen an :daumen: Und der Bericht? Ich habe lange nicht mehr so einen emotionalen Bericht gelesen,echt der Wahnsinn.
Wenn das wirklich eine Krankheit ist,dann hoffe ich,das ich auch mal davon infiziert werde. Dein Bericht hat mich jedenfalls schon leicht infiziert und dafür ein dickes Dankeschön.

Gruß

Thomas :hallo:
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