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von Edd Laddix
Bericht zum 8. Polderlauf Mainz Laubenheim (10km)
Samstag um kurz vor 10 mache ich mich aus dem Bett. Ich habe mir eine recht lange Nacht gegönnt, geschlafen habe ich aber nicht gut, wurde immer wieder zwischendurch wach. Trotzdem fühle ich mich fit, bin nicht müde und hatte am Abend zuvor mein Antiallergikum weggelassen, weil ich es im Verdacht hatte, mich während der letzten Tage ein wenig schlapp gemacht zu haben. Ein Schub Nasentropfen sollte heute als Medikation ausreichen, zumal es genügend Niederschlag gegeben hatte.
Der Startschuss soll um 14 Uhr fallen, die Anreise per Bus plane ich für 11:30, womit ich um spätestens 12:35 vor Ort sein sollte. Ich habe also noch ausreichend Zeit zum Frühstücken, Sachen packen und ein bisschen Treatment mit dem Flossingband. Und nochmal das Wetter checken: 11-15°C und um die 20km/h Wind bei bedecktem Himmel, heißt es. Da hat sich also an den Prognosen der vergangenen Tage nichts mehr geändert. Mit diesen Bedingungen werde ich leben können und müssen.
Tatsächlich laufe ich ziemlich genau um 12:35 am Veranstaltungsort ein. Viel los ist noch nicht. Auf der Tartanbahn, auf der der WK später starten und enden wird, bereiten sich einige Rolli-Fahrer auf ihren Wettbewerb vor und manch völlig Verrückter ist auch schon mal dabei, sich warmzulaufen. Bevor die Uhr nicht mindestens 13:35 schlägt, werde ich keinen Schritt schneller machen als nötig. Finde es völlig nervig, sich Ewigkeiten vor Startschuss aufzuwärmen, um sich dann noch lange warmhalten zu müssen.
Aber sowieso hole ich erstmal meine Startnummer und den Leih-Chip an der Ausgabestelle ab. Kurz darauf treffe ich erstmalig ein Mitglied aus unserem Forum. Es ist Chris aka CCS, der ja bereits Ende letzter Woche ankündigte, dass er sich für die 5km gemeldet hat. Nach kurzem Plausch mit ihm schlendere ich für einige Zeit über das Gelände und versuche mich in die richtige Stimmung zu bringen, um hier heute meine sub40 abzuliefern. Die äußeren Bedingungen stellen sich soweit ganz gut dar, es geht nur ein leichter Wind und die Temperaturen sind angenehm zum Laufen. Allerdings muss man mal abwarten, wie es sich mit dem Wind auf der Strecke verhält, die mehr oder weniger komplett ungeschützt ist.
Ca. 20-25 min vor Startschuss beginne ich mich dann einzulaufen. Wie immer der erste Check, ob die Knochen noch alle beisammen sind. Wie gut habe ich die letzten Tage regeneriert? Ist trotz der Ruhe während des Taperings genügend Spannung vorhanden? Die ersten Schritte fühlen sich trotz vorherigen Flossings in den Fußgelenken etwas steif an, was ich mir nicht so recht erklären kann. Das bessert sich dann aber während des Einlaufens und wird während des Rennens sicherlich keine Rolle mehr spielen.
10 Minuten vor Start begebe ich mich dann wieder auf den Sportplatz, um dort meine letzten Steigerungen unterzubringen und siehe da, die Sonne zeigt sich plötzlich von ihrer prachtvollsten Seite. Mit einem Schlag ist es um einiges wärmer, als das gerade bei bedecktem Himmel noch der Fall war. Einer der Offiziellen feiert das auch noch als herrlich für ein frühlingshaftes Läufchen ab und fordert dann die 10km-Läufer auf, sich an die Starlinie zu begeben. Hier lümmeln wir jetzt noch knappe 5min rum, bis pünktlich um 14:00 das Startsignal gegeben wird. Ich stehe ein kleines Stückchen hinter der Linie und lasse die paar Kameraden vor mir auch erstmal ganz kurz Abstand gewinnen, bevor ich antrete und damit meine Garmin in’s Rennen schicke.
Zunächst mal ca. 600m über die Bahn, bevor es hinaus auf die freie Strecke geht. Die Jungs vor mir haben’s richtig eilig, wollen Zeiten von um die oder unter 35min laufen, wie ich ihrem Gespräch kurz vor Startschuss entnehme. Ich halte mich an etwa 10ter Stelle auf und versuche meinen Plan zu verfolgen, die ersten km in 3:54 zu laufen. Nach 500m zeigt mir die Uhr eine Pace von 3:40 bis dahin. Also ein bisschen rausnehmen und dann einpendeln. Diese 3:40 fühlen sich wie immer bei einem WK nicht nach 3:40 an. Aber irgendwie fehlt mir die Leichtigkeit, die ich sonst bei WKs so liebe; Dieses Gefühl von easy Jogging-Tempo bei WK-Pace, wie ich es doch erst noch vor 5 Wochen beim HM erleben durfte. Hier und heute erstmal nicht.
Der 1.km wird mir mit 3:51 angezeigt und jetzt geht es hinaus in’s menschenleere und ungeschützte Feld. Und was einem unmittelbar und unmissverständlich deutlich gemacht wird: Hier weht ein anderer Wind! Was mich und die anderen Läufer jetzt erwartet, kann ich, da ich die Strecke kenne, erahnen. Denn nach etwa 1,4km geht es bis zur 5km-Marke zwar recht leicht aber stetig bergauf und das Beste ist, hier knallt jetzt der Wind von schräg rechts vorne rein.
Nach ca. 1,5km überhole ich einen Läufer, bei dessen Statur ich mich frage, wie er auch nur 2 km am Stück < 4:00 min/km hinbekommt. Recht groß und schwer wirkt er auf mich. Der nächste Orientierungspunkt sind zwei Läufer, von denen ich glaube, dass sie bewusst zusammen laufen. Bis ich auf sie auflaufe, brauche ich ein Weilchen und als ich das geschafft habe, will ich doch mal ein wenig den Lutscher spielen, um zu sehen, ob die beiden mir irgendwie Windschatten bieten können. Da geht aber gar nichts, da der Wind eben nicht frontal, sondern von schräg vorne kommt.
Aber vielleicht kann ich mit den beiden ein sub40-Grüppchen bilden, in dem jeder mal die Führung übernimmt und wir uns gegenseitig durch den WK pushen. Der 2.km geht mit 4:00 weg. Kein so richtig gutes Zeichen! Ich weiß zwar, dass später nach der 5km-Marke die Strecke allgemein etwas leichter werden wird, habe aber bereits jetzt bedenken, dass mich diese ersten 5km zu viel Körner kosten werden. Ich denke mir zu diesem Zeitpunkt: Im Prinzip fühle ich mich jetzt schon fast so, wie ich mich frühestens zu Beginn des 9.km fühlen möchte. Jegliche Liebäugelei mit sub39 begrabe ich an dieser Stelle ganz schnell und versuche hier einen Kampf auf Biegen und Brechen zu liefern, denn - und das ist jetzt bereits sicher - das wird dieser WK heute sein.
Der 3.km sagt 4:04. Oh man, es wird jetzt natürlich nicht besser. Ziemlich heftig am Schnaufen, die HF astronomisch hoch, bleibt dann aber natürlich trotzdem noch genügend O[SUB]2 [/SUB]für die Birne übrig, um über mögliche Ursachen für den aktuellen Zustand zu sinnieren. Völlig fehl am Platz in dieser Situation, aber die Wahl der Gedanken liegt nun nicht mehr in meiner Hand.
Es reicht eigentlich gerade noch dafür, zu hinterfragen, ob die beiden hier tatsächlich eine sub40 anpeilen, was ich mit Blick auf die Garmin, die nach dem 4. km eine 4:05 ausspuckt, nicht so wirklich überzeugend bestätigt sehe. Ich selbst habe die sub40 aber noch nicht abgehakt und entscheide mich, die Flucht nach vorne zu suchen, auch auf die Gefahr hin, irgendwann ohne Sprit am Streckenrand stehen zu bleiben. Dabei unterstützt mich auch ein wenig der Gedanke daran, dass dieses elendig lange und windige Bergaufstück sehr bald hinter uns liegt.
Und wie das immer so ist: Beim Überholen erfährt man deutlich mehr über den aktuellen Zustand desjenigen. Der Hintere der beiden war geschätzte Ende 50, Anfang 60, der Vordere kein geringerer als Jan aka Mc Awesome aus unserem Forum, was ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiß. Beiden geht es - deutlich hörbar - kein Bisschen besser als mir. Jetzt bin ich der Kopf dieses Dreier-Grüppchens und muss mir das üble Geschnaufe der beiden, vor allem des älteren Herren, anhören, was nicht sonderlich motivationsfördernd wirkt, so fertig wie ich mich selbst fühle.
Der 5.km geht mit 4:03 weg. Die 8s Puffer, die ich mit dem ersten km rausgeholt habe sind schon nach dem 4.km aufgefuttert, jetzt geht es also weiter über die 40min-Marke. Die Strecke wird jetzt allgemein gutmütiger und vor allem der Wind ist nicht mehr der alles zermürbende Faktor. Jetzt muss also meine Zeit kommen, heißt: Einen km nach dem anderen unter 4:00. Dieser Rückweg hält allerdings noch 3 fiese Buckel für uns bereit und auch das ist mir aufgrund der Streckenkenntnis bewusst.
Und der erste lauert auch schon ca. 200m nach der 5km-Marke. Also kaum ein wenig erholt, schon muss man wieder richtig weit in den Grenzbereich und das, obwohl man sich schon die ganze Zeit dort wähnt. Auf der anderen Seite der Erhöhung runter, beim Übergang in’s Flache, knicke ich leicht in Hüfte und Knien ein, weil einfach kaum noch Kraft da ist für irgendwas anderes als auf ebenem Untergrund zu laufen. Kurz darauf komme ich auch noch leicht von der Strecke ab und latsche mit dem linken Fuß seitlich des Asphalts in den Matsch, womit ich in der Folge zunächst bemüht bin, das Geschmiere von meinem Schuh zu streifen, weil der Grip und damit der Abdruck kurzzeitig völlig flöten geht. Wenn’s nicht so furchtbar anstrengend wäre, würde ich mir wohl jetzt ein kurzes Lachen nicht verkneifen können.
Der 6.km wird eine 3:58. Gut, es tut sich was in die richtige Richtung. Aber es ist einfach verdammt heftig. Der 7.km heißt 4:01, der 8.km 4:04. Ok, wenn das hier noch sub40 gehen soll, muss ich irgendwie auf den letzten beiden km mehrere Tode sterben.
Tode sterben? Läuft! Denn jetzt geht es, direkt nach der 8km-Marke volles Rohr frontal gegen den Wind. Für etwa 700-800m und als Sahnehäubchen gibt es kurz vor Ende dieses Abschnitts noch den letzten Hügel. Geil sowas…! Als ich oben auf dem Buckel ankomme fühlt es sich an wie HFmax. Ich bin für 1,5s nicht schneller als ein Spaziergänger, kann mich aber davon abhalten zu gehen. Laufe noch ein paar Meter und dann geht es auch schon wieder abwärts, wo ich mich rollen lasse und im Übergang zum Flachen wieder in die Knie sacke. Ich komme leicht in’s Straucheln, kann mich aber auf den Beinen halten und bekomme wenige Hundert Meter später die Rechnung für den Abgelaufenen 9.km mit 4:16 präsentiert.
Das war’s dann wohl…! Jetzt geht es mir noch darum, den WK ehrenhaft nach Hause zu laufen, um stolz darauf zu sein, dass ich mich durchgebissen und nicht habe hängen lassen. Das Minimalziel einer neuen PB ist nämlich noch greifbar.
An diesen letzten km kann ich mich nicht mehr sonderlich gut erinnern. Ich weiß noch, dass ich blau wie sonstwas den letzten kleinen Anstieg hoch zum Sportplatz nahm, wo mich Chris - der seinen 5er bereits hinter sich hatte - lautstark anfeuerte, ich aber leider nichts mehr zusetzen konnte. Noch eine dreiviertel Runde über die Bahn und ab über die Zielmatte bei 3:57 für den letzten km und insgesamt
10km in 40:20 (@ 4:02)
Chris lies mich kurz durchschnaufen, kam dann auf mich zu und meine ersten Worte waren: „Keine Chance!“.
Und genau so war es an diesem Samstag. Die sub40 war nicht drin - nicht an diesem Tag. Chris, der die 5km in sub19 gelaufen und damit den 2ten Platz belegt hat, betätigte mir, wie windig es auf der Strecke gewesen ist und wies mich daraufhin, dass ich „den Jan im Schlepptau“ hatte. Welcher Jan, fragte ich. „Mc Awesome aus dem Forum“ meinte er. Ich wusste nicht, dass er auch dort starten würde, hätte ihn aber wohl auch selbst nicht erkannt. Für Jan war es nach einiger Zeit, die er (fast) ausschließlich auf dem Rad trainierte, der erste WK. Ihn hat es auch ziemlich zerrissen, so mein Eindruck nach Zieleinlauf.
Ja…, was fange ich jetzt mit dieser Erfahrung an? Erstmal bleibt festzuhalten, dass dies mein insgesamt 8er WK war, die 8e PB, aber eben der erste WK, bei dem ich mein primär gestecktes Ziel - hier die sub40 - nicht erreichen konnte. Aber wo fange ich jetzt an, die Ursache(n) zu suchen. Macht das angesichts der Vielfalt möglicher Ursachen, inkl. der Ungewissheit ihres eventuellen Wirkungsgrades, überhaupt Sinn?
Ich hatte nach dem guten HM-WK als Saisonauftakt, wo sogar noch Luft nach oben war und der in meinen Augen guten Vorbereitung auf den 10er, wirklich geglaubt, derzeit eine mindestens gute 39:xx drauf zu haben (Und um ehrlich zu sein: Das glaube ich eigentlich noch immer). Dass allein der Wind und die paar °C mehr eine sub40 an diesem Tag unmöglich gemacht haben, wage ich zu bezweifeln - da lag mehr im Argen…
Allergie kann gut ein Thema sein. Ich fühlte mich zwar nicht beeinträchtig, das heißt aber nicht unbedingt, dass man es nicht doch ist. Ein bisschen weniger zur Verfügung stehende Lungenkapazität, ein wenig schlechtere O[SUB]2[/SUB]-Aufnahme, ein bisschen mehr Schlappheit, die aufgrund des Adrenalins nicht so sehr zum Vorschein kommt und schon kann ein leicht auf Kante genähtes Projekt sub40 scheitern. Ich werde auch an dieser Stelle den Eindruck nicht los, dass ich eventuell nicht mehr die Form habe, wie vor 5 oder 6 Wochen. Vielleicht kann ich meine Topform nicht so lange halten, vielleicht könnte ich es, hätte dafür aber anders vorgehen müssen. Das ist Stochern im Dunkeln, weswegen das Beste wohl sein wird: Mund abwischen - weitermachen.
Am Ende war es ein 6ter Platz von 96 männlichen Startern über die 10km und der 2te in der AK M35 von lediglich 9.
Hier nochmal die 1k-Splits:
3:51 / 4:00 / 4:04 / 4:05 / 4:03 / 3:58 / 4:01 / 4:04 / 4:16 / 3:57
Ehrlich gesagt finde ich diese Erfahrung - die ja jetzt auch keine Vollkatastrophe ist - ganz interessant. Es läuft eben nicht immer wie am Schnürchen. Die sub40 ist beim nächsten Mal fällig. Mit einer neuen PB (Bruttomessung des Veranstalters: 40:22) von 40:20 (alt: 40:55) kann ich durchaus leben und erst recht damit, alles versucht zu haben.