voxel hat geschrieben:
Zu alcano muss ich sagen dass Du nicht ganz unrecht hast. Zumindest was Aktivitäten außerhalb des Laufsports angeht. Ich sehe weniger den Stress als Problem, als die Entwicklung des Körpers in die jeweilige Richtung der gesetzten Reize. Da kann man sich schon zum weltbesten Kniebeuger, Gewichtheber oder crossfitter entwickeln verliert dabei aber auch die optimale Laufentwicklung.
Das ist aber eine Sache der Prioritäten und der Fokussierung. Solange der Spaß im Vordergrund steht ist es ja Ok. Wenn man die maximale Leistung in einer Disziplin will muss man zwangsläufig engstirniger werden.
Ob das wirklich für ältere Athleten auf so niedrigem Leistungsniveau wie meinem gilt, bezweifle ich. Laufen ist unter den Ausdauersportarten der Sport mit den geringsten zeitlichen Trainingsumfängen selbst im Profibereich (vergleiche z.B. mal gegenüber Skilanglauf, Radfahren bzw. Triathlon). Sehr viele Autoren empfehlen aufgrund ihrer Erfahrung gerade älteren Sportlern einen gewissen Crosstrainingsanteil, weil das in der Theorie effektivere Lauftraining letztlich durch seine Belastung und Einseitigkeit nicht zur Bestzeit sondern zum DNS führt, aller theoretischen Überlegenheit zum Trotz. Weiterhin bin ich z.B. Aktuell noch 5 Monate vor dem WK, der Anteil an Nicht-Lauftraining liegt bei ca. 25 %. Die Zeit vollständig in Laufen zu investieren würde ich gar nicht vertragen, andererseits wird der Anteil natürlich immer weiter zurückgefahren, je näher der WK rückt. Ich habe schon mehrere Vorbereitungen nur mit Laufen gehabt, das war immer mit viel mehr muskulären Problemen behaftet.
alcano hat geschrieben:Einheiten wie 400er (oder 800er) oder entsprechend am Hügel 1 bis 2 Minuten mögen zwar sehr unspezifisch sein bezogen auf den Marathon sind aber natürlich etwas vom härtesten, was man dem Körper zumuten kann, wenn man das aus rein metabolischer Sicht betrachtet. Lydiard ließ ja (unabhängig von der Zieldistanz) seine Läufer erst kurz vor den Zielwettkämpfen zuerst hart am Hügel trainieren, bevor es dann - sozusagen für den letzten Schliff - auf die Bahn ging.
Das hat bei Lydiards Athleten offenbar funktioniert (oder zumindest nicht nachhaltig geschadet), aber hast Du Evidenzen, dass sich eine Phase mit längeren Hügelintervallen früh in der Saison negativ auf die Leistung auswirkt ? Geht es um negative Einflüsse auf die Mitochondrienbildung oder was ist der Hintergrund ? Nach meinem Eindruck ist das schon keine Seltenheit im Hochleistungssport, dass so trainiert wird. Natürlich mit angepasster Pace, weniger Wiederholungen und längeren Pausen, als man sie in einem späteren Block laufen würde.
Die metabolische Seite ist ja auch nur ein Aspekt. Für mich ist beispielsweise die Kraftausdauer ein wichtiger Keylimitter beim Marathon, die Schwelle stimmte bei den besten Läufen immer (HM und TDLs), ich konnte z.B. 200er in 32s laufen, am Speed lags also auch nicht, aber ich hatte massive Probleme mit Krämpfen. Das als Problem in einer unspezifischen Phase zu adressieren, ist mir deshalb wichtig.
Weiterhin bedeutet kürzere Intervalle höherer Speed und längere Pause. Das ist im Winter für mich ohne Halle selten praktikabel bei den Wetter- und Bodenverhältnissen hier in Berlin, auch auf dem Laufband sind kurze Intervalle mit hohem Speed schlechter realisierbar. Etwas längere Intervalle mit weniger Speed gehen auf dem Laufband gut oder ein Fahrtspiel im Gelände ist ähnlich. Ich kann das also in einem 6-Wochen-Block gut durchziehen.
Ich finde auch sowas wie beispielsweise Sprinttraining von 20-60m ja super interessant, aber ich glaube, dass es aktuell nicht meine zentrale Baustelle ist und bei 2 Grad bei Glatteis im Dunkeln, wenn ich dann 6 Minuten rumstehe und schlottere, ist fraglich, ob da die theoretische Überlegenheit noch gegeben ist.
Nicht zuletzt ist der Impact bei moderaten Hügelintervallen ziemlich gering, rückblickend hab ich das besser vertragen, als ganz schnelle kürzere Sachen oder flache Alternativen (verletzungsanfällig) oder längere moderate Tempi (zu schnelle Formentwicklung)
Ich vermute, Crossfit-Kurse gehen was die Härte der Einheiten angeht in eine ähnliche Richtung, wobei da natürlich einfach durch die Länge des Workouts die Intensität deutlich tiefer ist. Nichtsdestotrotz ist das sicher ein nicht zu unterschätzender Stress für den Körper, insbesondere wenn man dazu neigt Vollgas zu geben.
Crossfitt in seiner klischeehaftesten Form finde ich eh kein gutes Training. Gut finde ich, dass es wirkliche Intensitäten ins Training zurückgebracht hat. Oft ist es aber nur eine ziemlich sinnlose Abfolge von Übungen, die dann unter Ermüdung immer unsauberer ausgeführt werden.
]Was ich damit sagen will: das mag alles sehr unspezifisch sein (und auf eine ganz spezielle Art und Weise Spaß machen), trotzdem ist es eine nicht zu unterschätzende Belastung - gerade auch in der Summe. Und eigentlich ist jetzt die ideale Zeit, den Körper stärker zu machen und auf das harte noch folgende Training vorzubereiten. Das kann man aber vermutlich effizienter machen, indem man sich einerseits wirklich eher auf Schnelligkeit konzentriert und dabei möglichst im anaerob-alaktaziden Bereich bleibt (also nicht über 10-15s) und andererseits an der Kraft arbeitet. Wie viel da Kurse bringen, bei denen man sich über längere Zeit hinweg komplett auspowert, bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher. Sie bringen sicher etwas, aber ich sehe das eher kritisch, was das Verhältnis von Aufwand (metabolischer Stress) und Ertrag (Kraft/Kraftausdauer) angeht.
Das Problem an den Kursen ist, dass erst mal keine zwei gleich sind und zweitens eine Bewertung aus der Ferne bezüglich Intensität deutlich schwerer fällt, als wenn da steht: 6 x 1000 in 3:45.

Ich weiß ja auch nicht, wieviel persönliche Erfahrung Du mit dieser Form von Training hast.
In der Regel wird die allgemeine Belastung vom Eindruck her unterschätzt. Beispiel: 60min Dauer auf dem Papier bedeutet beispielsweise erstmal 55min mit Teilnehmerwechsel vom vorherigen Kurs und danach. 10-15min Aufwärmen (als halbwegs trainierter Ausdauersportler ist das ReKom-Bereich) und 10min Cool Down/Stretching. Bleiben also 30min aktive Zeit. Das kann manchmal sehr intensiv sein, verteilt sich aber oft auf kurze eher systemische Belastungen (meist HIIT) und eher muskulär anspruchsvolle Sachen.
Zur gefühlten Belastung kann ich nur sagen, dass ich mich selbst nach den härtesten Kursen insgesamt nie so kaputt fühlte, wie nach harten Schlüsseleinheiten wie 6 x 1000m oder einem 32er mit EB. Allerdings war die muskuläre Belastung manchmal durchaus vergleichbar und in der Trainingssteuerung zusammen mit dem Lauftraining ein zentrales Problem.
Eine vergleichbare Intensität hab ich nur hinbekommen, wenn ich selbst mal 50 min HIIT Bodyweight-Training gemacht habe ( 10 x 4min mit 1min P), das fühlte sich einige Stunden danach ähnlich hart an, wie z.B. 8 x 1000m.
Dennoch bin ich überzeugt, dass die Kurse (zumindest die beiden, die ich mache...) vieles Positive zum Laufen beitragen: Rumpfstabilität, mit dem HIIT wird schon etwas die VO2-Max gepushed, die vielseitige muskuläre Beanspruchung gibt einen guten Ausgleich zum sehr einförmigen Laufen. Dazu kommen Sachen wie Kniehubübungen, Anfersen, Sprünge aus der halben Hocke, Plyometrische Übungen, die auch im Hochleistungssport praktiziert werden. Das lässt sich aus meiner Sicht nicht nur auf den reinen Kraftausdaueraspekt reduzieren.
Ich hab ja mich ja auch schon etwas kritisch zur Fixierung auf das Maximalkrafttraining geäußert, weil da auch zwischen Theorie und Praxis gewisse Differenzen bestehen. Ich mache das ja selbst, aber ob wirklich beispielsweise jetzt Serien von Ausfallschritten wirklich so ineffektiver sind, bezweifle ich auch. Vergleiche beispielsweise auch im Radsport. Da hat man jahrzehntelang K3-Training, sprich Kraftausdauertraining mit niedriger Trittfrequenz am Berg praktiziert. Dann kamen die Wissenschaftler und haben festgestellt, das dass gar nichts mit Krafttraining zu tun hat, weil weniger als 50% der Maximalkraft beansprucht werden und man solle lieber Maximalkraft machen. Maximalkraft funktioniert, hat aber halt auch seine eigenen Gesetze und Probleme und irgendwie hatte man übersehen, dass die Sportler, die nur das K3-Training gemacht haben und machen, auch schnell sind. Insofern ist mir das manchmal etwas übertheoretisiert.
Im Endeffekt muss man natürlich das machen, worauf man Lust hat (und das kann je nach Zielsetzung/Motivation sehr unterschiedlich aussehen, siehe z.B. Steffen

). Aber dabei sollte man sich genau deshalb auch immer fragen, wie zielführend eine Aktivität ist und ob man damit wirklich das erreicht, was man sich davon erhofft, also z.B. ob eher der Spaß oder der Trainingsnutzen im Vordergrund stehen soll.
Ich hab das jetzt mal so ausführlich kommentiert, weil ich in der Regel nicht nur das mache, was mir Spaß macht. ( Abgesehen davon laufen viele Läufer oft nur ausschließlich, weil Ihnen alles andere keinen Spaß macht.

). In der Regel mache ich mir da schon Gedanken, was mir was bringt und was ich lieber wann lasse. Ich hab in den letzten 7 Jahren auch schon einiges ausprobiert und versuche die einzelnen Sachen schon einzuordnen.
Das ist aber gar nicht so einfach, vor allem weil oft schlecht zu isolieren ist, was nun das war, was ins Verderben oder zur PB führte. Ein andere Sache ist dann natürlich tatsächlich auch das wegzulassen, was zwar Spaß aber aktuell keinen Sinn mehr macht. Tatsächlich fiel es mir z.B. in dieser Entlastungswoche schwer, nicht zu zweiten Kurs hinzugehen. Und das wird in den nächsten Wochen immer unregelmäßiger werden. Das ist immer eine Gratwanderung, aber das macht es ja auch so spannend.
