Heute muss ich allein laufen. Der beste Ehemann von Allen hat am Vormittag seine Grippeimpfung bekommen und lässt seinen Körper den Rest des Tages sicherheitshalber in Ruhe. Allein laufen ist mittlerweile sehr ungewohnt für mich. Seit Corona laufen wir immer zusammen in der Mittagspause.
Ich bin gespannt, wie ich mich ohne Antreiber an der Seite auf der „Rennstrecke“ schlage. Es ist ungewöhnlich warm, fast 20°, dazu sehr heftiger Wind aus allen Richtungen. Also ab in den einzigen Wald in der Gegend, der noch genug Bäume hat, die Schutz bieten. Wälder gibt es hier zwar genug, aber durch die Abholzungen der letzten Jahre verdienen sie die Bezeichnung „Wald“ eigentlich kaum noch.
Ich hole die kurze Hose und das kurzärmlige Shirt aus der Kommode. Unglaublich, dass ich die Klamotten in diesem Jahr nochmal brauche.
Mein Schutzwald wird mir allmählich langweilig. Seit Wochen verstecke ich mich hier vor dem nicht nachlassenden Wind. 
Heute wird gerannt, da ist mir die Landschaft aber egal.
Vom Start weg komme ich gut voran. Ich staune, dass die Beine schon wieder fit sind, und trotz leichtem Anstieg geht es mit 6:17 ungewohnt schnell los.
Der zweite KM, immer noch ganz leicht bergauf, mit 5:51 verblüfft mich. Huch, das geht aber wirklich prima heute 

 . Auf dem dritten KM, immer noch minimal aufwärts, lege ich mit 5:42 noch zu.
Der 4. KM geht zur Hälfte bergab, dann kommt die Wende und die zweite Hälfte bergauf. Bergab laufen kann ich gut, aber bergauf verliere ich viel mehr Zeit, als ich bergab gut mache. Und so sind es nur 6:18.
Auf dem 5. KM macht sich langsam die Ermüdung in den Beinen bemerkbar. Jetzt vermisse ich meinen Mann, der immer wie ein Roboter neben mir das Tempo hält. Kein Gatte da, also komme ich nicht mehr richtig in die Gänge. KM 5 in zähen 6:12.
Ich versuche, mich selbst zu motivieren. Zuerst versuche ich es mit tieferen Atemzügen. Frische Luft schadet nie, also rein damit in die Lungen. Dann kontrolliere ich den Körper: komm schon, aufrichten, schön laufen, mehr Schritte machen, Schultern entspannen. Klappt, bis auf die linke Hand. Da kann ich machen, was ich will, wenn es anstrengend wird, bildet sich eine feste Faust und der Daumen zeigt steil nach oben. Mein Mann hat unterwegs schon Tränen gelacht deswegen, aber ich kann es nicht abstellen. Ist der linke Daumen oben, ist es anstrengend 

 . Zu 5:52 kann ich mich auf dem 6. KM aufraffen. Dann hilft nichts mehr. Ich gebe mir Mühe, aber ohne Erfolg, es reicht nur noch zu 6:24. Na gut, hier kriege ich auch ein paar heftige Windböen von vorne ab, die mich bremsen.
7,24 KM, Dauer 43:54
Pace 6:04, Puls 158 bpm
58 Höhenmeter
Der letzte Kilometer war mir heute zuviel. Da redete das Teufelchen auf meiner Schulter von Aufhören, Stehenbleiben, Gehen. War ganz schön schwer, nicht auf ihn zu hören 

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