Today´s Lilly Special: Mein 1. Trailrun
Ob ich mit einem Menschen gut klar komme, erkenne ich schnell daran, ob er mit mir durch Pfützen springt. Wo man solche Menschen findet? Ganz klar: Beim Trailrunning!
Am Sonntag hat das
TRAIL Magazin zum
REVIERGUIDE nach Essen geladen.

Eine Runde von 23,4km mit ca. 650 Höhenmetern stand auf dem Programm.
Hätte ich beim Bergauffahren mit dem Rennrad am Vortag beim Essener Triathlon im Kopf gehabt, dass ich diese und noch viel mehr Höhenmeter einen Tag später laufend absolvieren muss, hätte ich mich vermutlich leise weinend in den Straßengraben gelegt. Ich komme aus dem Flachland und das merkt man auch. Nutzt aber nix, ich muss ran - üben für den Tortura Todesberg.
Hätte ich mir bei Petrus mein persönliches Lieblingswetter für diese Aktion wünschen können, es wären 15 Grad (nicht zu kalt, nicht zu warm) und Regen geworden. Und was war Sonntagmorgen, als ich aufstand? 15 Grad und Regen. Yeah!

Kennt ihr das, wenn Hunde völlig euphorisch ausflippen und schwanzwedelnd aufgeregt durch die Wohnung laufen, weil sie wissen, dass es gleich Gassi geht? So bin ich hier ausgeflippt vor Vorfreude.

Es hatte schon Samstagabend angefangen zu regnen, die ganze Nacht durch, es regnete immer noch und für den ganzen Tag war auch kein Ende in Sicht. Das heißt, alles war schon matschig und nass und würde es auch bleiben! Genial! Sommer + Regen = SCHLAMMSCHLACHT ! ! ! Perfekt. Ich bin so ein Glückskind!
Es wurde dann eine Mischung aus unglaublich hart & unglaublich lustig.
Direkt nach dem Start mussten wir eine Böschung hoch. Wir mussten uns an den Zweigen der Büsche hochziehen, anders ging´s nicht. Ich musste direkt an Isse und ihren ersten Marathon denken. Gutes Training für den Brocken Berlin. Es ging die ersten Kilometer fast ausschließlich bergauf. Eine Steigung, noch eine und noch eine und noch eine.. und teilweise schienen die Steigungen für mich einfach kein Ende zu nehmen. Ich war nach 6km schon so platt, dass ich tatsächlich ernsthaft aussteigen wollte. Ich habe keine Chance gesehen, das noch weitere 18km durchzuhalten. So viele Höhenmeter kann Essen doch gar nicht haben! Das ist ja wie in den Berchtesgadener Alpen hier! Und irgendwo muss es doch auch wieder bergab gehen??
Ich befand mich durchgehend am Rande des Wahnsinns. Offroad querfeldein über Stock und Stein und umgekippte Bäume (dank Ela) im Regen durch Pfützen, Schlammlöcher, ein reines Matschparadies. Kindliche Freude, breites Honigkuchenpferdgrinsen und ausgelassene Freudenhüpfer durch Schlammlöcher wechselten sich im Sekundentakt mit purer Verzweiflung ab. Verzweiflung wegen der vielen Höhenmeter, der Brennesseln, Dornensträucher, der Höhenmeter und der Höhenmeter. Ich war völlig fertig.
Nach 6km wollte ich ernsthaft aussteigen. Unser Guide sagte mir, wenn ich zurück zum See (Parkplatz, Treffpunkt, dort stand das Auto) möchte, muss ich noch ein Stück des Weges mit, da dieser in Richtung See führen würde. Bei km 8 war der See in Sichtweite und nun wollte ich wirklich aussteigen. Ich hatte total viel Spaß bei dem Regen durch das matschige Gelände zu laufen, hab aber gleichzeitig echt gelitten. Keinen Meter mehr laufe ich bergauf. Finito. 8km - ich bin jetzt raus Leute.
Ein Trailrunner aus unserer Gruppe bot mir was zu trinken an. Ich sagte ihm, es liegt nicht daran, dass ich was trinken muss, sondern meine Beine wären einfach noch total platt von gestern und ich könne einfach nicht so viele Höhenmeter. Und was macht der Typ? Drückt mir seine Trinkflasche in die Hand und sagt: “Doch, du musst trinken. Hier. Die Flasche gibt´s du mir einfach oben wieder zurück”, rennt den Berg hoch und verschwindet. Diese verfluchten psychologischen Tricks. Habe ich den Kerl verflucht.

(*edit*: Und ihm nachher 10x dafür gedankt. Danke Jörg! Super Aktion!)
Oben angekommen gab ich ihm seine Trinkflasche zurück und dachte mir dann beim Blick auf die Garmin: Na komm, die 10km kannst du nun aber noch voll machen, dann steigst du aber aus.” Und so hangelte ich mich letztendlich durch die komplette Runde. Nur noch die 10km voll machen. Bei 10km sagte ich mir, die 12km (wären dann genau die Hälfte der Runde) gehen auch noch. Bei 12km wollte ich versuchen, die 15km Marke irgendwie zu schaffen. Und so hangelte ich mich km für km durch die Trailrunde. Bei 20km wollte ich noch 1,1km schaffen, um die HM-Distanz zu haben. Und bei 21,1km dachte ich mir: “Ach, den Rest packst du nun auch noch.” Dieses “Durchhangeln” von km zu km zeugt davon, wie schwer ich mich getan habe.
Gleichzeitig hatte ich aber auch unfassbar viel Spaß! Es war mein Traumwetter! Wie oft hatte ich in der Hitze der letzten Wochen innerlich um strömenden Regen gebettelt! Und die Strecke war einfach nur genial! Selbst die eingefleischten Profi-Trailrunner, die dabei waren, schwärmten davon, selten so eine abwechslungsreiche und tolle Strecke gelaufen zu sein. Und mir geht ja bei all dem Matsch und Schlamm das Herz auf! Ein Spielplatz für Erwachsene, die sich gerne dreckig machen! Und ich glaube, ich habe mich selten so dermaßen eingesaut wie gestern.
Wir sind viele Steigungen hochgelaufen, Böschungen hochgekraxelt, über Steine und Bäume gesprungen und geklettert. Leider auch kilometerweit durch Brennesseln, die teils so hoch waren, dass mir die Brennesselzweige sogar durchs Gesicht schlugen. Ein Teil der Strecke führte über eine Downhill-MTB-Strecke. Total genial! Da waren mehrere Rampen aufgebaut, die wir überquerten. Da waren Holzbretter, die auf der einen Seite hoch und der anderen wieder runter führten. Hat so einen Spaß gemacht, dass ich über die dritte Rampe viel selbstsicherer als zu Beginn in vollen Galopp hoch rannte… um dann auf dem Scheitelpunkt festzustellen, dass auf der anderen Seite kein Holzbrett runterführt, sondern ich in gähnende Leere schaute.. Das war eine Sprungschanze!!! Ein Trailrunner hinter mir: “Geil, die springt da einfach rüber!” Mal ne Frage.. hat schon jemand versucht, downhill auf nem nassen Holzbrett eine Vollbremsung hinzulegen? Ich hatte einen ähnlichen Schock wie am Vortag auf dem 5m Turm im Grugabad. Hui. Gott sei Dank bin ich da heil runtergekommen und mir nichts verknackst… Manchmal habe ich mehr Glück als Verstand.
Irgendwo im Wald kamen wir noch an eine alte Ruine, da mussten wir steil bergab klettern. In dem ganzen herrlichen Matsch fand man nirgends Halt, also wieder an den Büschen und Zweigen festkrallen. Leider alles Dornenbüsche. Und ich sag noch zu Body mit meinen bereits völlig zerschredderten Beinen: “Obacht. Wenn wir nachher in die Sauna wollen, dann denken die Leute bestimmt, dass wir das Wochenende in einem SM-Club verbracht haben.” Der konnte sich vor Lachen kaum halten: “Seit wann interessiert dich, was die Leute denken?” Hm. Auch wieder wahr. Nun denn, keine Rücksicht auf Verluste.
Zurück am See war ich ausnahmsweise mal wahnsinnig stolz auf mich selbst. Ich wollte ganz ernsthaft bei km 6 aussteigen, weil ich keine Chance sah, dass knappe 24km durchzuhalten. Und dennoch habe ich die ganze Runde gepackt. Wohl aber nur wegen dem Fun-Faktor. Hätte ich nicht gleichzeitig soviel Spaß gehabt, hätte ich das nicht komplett durchgezogen. In dem Gelände muss man übrigens so aufpassen und auf den Untergrund achten, dass man streckenweise die volle Konzentration allein und ausschließlich darauf ausgerichtet hat und gar nicht mitbekommt, wie sich die Kilometer sammeln. Stur geradeaus auf Asphalt ist man ja meist seinen Gedanken ausgeliefert. Dafür ist beim Trailrun auf schwierigen Streckenabschnitten keine Chance. Man ist zu 100% damit beschäftigt, sich nicht auf den Arsch zu legen, da bleibt irgendwann keine Kapazität mehr für Ausstiegsgedanken.
Am Parkplatz am Baldeneysee angekommen habe ich mich klitschnass verschlammt im Regen auf einen Steg gesetzt und die brennenden verbrennesselten Beine ins Wasser baumeln lassen. Das tat richtig gut!
Dann noch die Klamotten, Socken und Schuhe durchs Wasser gezogen. Ich kam mir ein bischen vor wie die Frauen im Mittelalter, die am Fluss ihre Wäsche waschen mussten. Während die geübten Trailrunner an ihren vollausgestatteten Kofferräumen herumwerkelten. Ersatzkleidung, Ersatzschuhe, Handtücher, sogar Schuhbürsten wurden ausgepackt. Und ich hockte am See und zog meine Kleidung durchs Wasser. Zum Schießen.
Übrigens muss ich noch dringend die Liste “100 Dinge, die man in seinem Leben getan haben muss” neu schreiben. Was da dringend hinein gehört: Sich im Regen chillend an einen See legen.

Hat das schon jemand von euch gemacht? Falls nicht: Unbedingt machen! Das ist einfach genial! Dazu muss kein Sommerwetter sein, das geht hervorragend auch im Regen!
Ich sach´s ma auf ruhrpottisch: “Leck mich am Arsch, wat war dat idüllisch!”
Und hier ein paar Fotos der Aktion:
Endlich im Revier:
Treffen der Anonymen Schlammsüchtigen:
Die obligatorische Ansage des Initatiors. Spezieller Schutzanzug um sich vor der starken Sonneneinstrahlung zu schützen oder so...
Ah. Es geht bergauf.
Hier hoch:
Und weiter hoch:
Und noch höher:
Und... 3x dürft ihr raten:
Aber es ging auch mal bergab:
und drunter...
und drüber...
Die alte Ruine zum Runterklettern:
Nein, nicht springen. Da ist kein Wasser im Becken.
Und der Guide so: Da rechts den Weg rein.
Und ich so: Weg? Welcher Weg?
Ah. Der Weg.
Pure Idylle:
Hier waren die Schuhe quasi wieder sauber:
Jump Jump Jump!
Post-Brenessel-Therapie am See:
Chillen im Regen:
Ich wollte den Laufbericht ja gestern schon fertig machen, aber Brennesselbeine versorgen und ein paar Dornen rauszupfen waren eine feine Alternativbeschäftigung und haben mir den Sonntagabend versüßt.
