Es war ein Ereignis für mich und zwar aus mehreren Gründen. Es war meine größte Laufveranstaltung bisher, es war erst mein zweiter HM überhaupt, das Wetter war der Hammer, ich habe meine PB geschafft, ich war mit MichaelB hier aus dem Forum unterwegs und ich habe zum Schluss die wahre Hölle durchlaufen, was mich wiederum zu einigen Einsichten hat kommen lassen. Soviel Ereignis habe ich sonst nicht in mehreren Wochen Alltag

Aber der Reihe nach...
Vor dem Start
Michael hat mich abgeholt, dann ging es zu Bekannten vom Ihm, wo wir noch ein nettes Käffchen getrunken haben und dann sind wir zu viert gemütlich mit der U-Bahn zum Start gefahren.
Kaum angekommen (So gegen 8:30) kam die Sonne raus und es wurde wieder erwarten so warm, dass man beruhigt seine Tasche am Laster abgeben konnte, ohne im Laufdress groß zu frieren. Das war so nicht angekündigt und natürlich sehr willkommen.
MichaelB (Mitte) mit Freunden
Und eine kleine Impression... Da wars noch leer, aber eben schon seeehr nett
http://youtu.be/vRRpjCPZ8SY
Start und erste Rennphase
Das Handy ist auf dem Laster, keine Fotos, kein Chat und kein Livetracking während des Rennens. Wie sagte es Ethan so schön? Am Ende werde ich noch ein Läufer...

Trotzdem ist die Startphase berichtenswert gewesen. Gute Stimmung in der Aufstellung und 4 Minuten vor dem Start erklang noch mal "Auf der Reeperbahn" über die Boxen. Ich kann den text auswendig und habe so laut mitgesungen, dass ich gar nicht sagen kann, ob die anderen 8500 das auch gemacht haben

Mann war ich nervös... mit den Hufen gescharrt habe ich. Ich glaube das eine oder andere Mal habe ich Michael gegenüber erwähnt, dass ich nervös war, aber höchstens so ca. 30 Mal...
Startschuss... Ab hier in der Gegenwartsform.
Vorab mal einigermaßen korrekt mitgetrackt die Splits:
https://flow.polar.com/training/analysis/118418008
Es geht los... wir laufen langsam an, noch ist es voll um uns herum und wir versuchen unsere Spur zu finden. Dank eines "vierspurigen" Starts (die komplette Reeperbahn war gesperrt, also zweispurig in beide Richtungen) hat sich das schnell eingepegelt.
Nach den ersten zwei Kilometern mit 4:44 und 4:41 kommt Fahrt in die Sache. Es ist jetzt Platz und es geht bergab runter zum Fischmarkt an den Hafen. Die nächsten beiden Kilometer sprechen mit 4:26 und 4:27 eine deutliche Sprache. "Zu schnell" denke ich, doch es geht bergab, Michael trabt stoisch entspannt neben mir her und das Tempo fühlt sich zu dieser Zeit absolut richtig an.
Kilometer 5 war wieder ein leichter Anstieg, der uns auf 4:45 gedrosselt hat, doch zwischen 6 und 10 ist ein guter Flow drin und so passieren wir die 10km bei 46 Minuten. an dieser Stelle denke ich noch "wow, wenn wir das jetzt irgendwie ins Ziel retten, plus zwei Minuten Puffer, ist meine 1:38:xx im Möglichen.
Irgendwo bei Kilometer 11 habe ich Michael verloren. Ich wollte nicht anziehen, geschweige denn mich absetzten, aber ich habe mich tragen lassen von meinen Beinen und lief so nach und nach einige Meter heraus. Oder anders herum ausgedrückt. Michael ist so eine coole Sau, dass er sich davon hat 0,0 beeindrucken lassen.
Ab hier dann zunehmend anstrengender
Kilometer 14 (4:12) und 15 (5:18) stimmen so -glaube ich -nicht. Weder bin ich zu dem Zeitpunkt so schnell, noch so langsam gelaufen, da tippe ich auf einen GPS Durchhänger. Tendenziell wird es allerdings in der Tat schwieriger das Tempo zu halten und an den Kilometern 15, 16 und 17 merkt man schon, dass ich zunehmend Mühe habe das Tempo zu halten (4:35, 4:38, 4:40). Doch bis hierhin bin ich immer noch auf meinem Kurs in Richtung 1:38:00
Der Hammer ist nicht sprichwörtlich, der ist echt wortwörtlich
4:58, 4:43, 5:01, 4:59
Was sich liest wie einigermaßen zügige Kilometerpaces, ist unbeschreiblich!
Als hätte man bei mir einen Schalter auf "OFF" umgelegt, oder die Reserve leergefahren. Schicht im Schacht. Die Straße ist ein Meer aus zähflüssigem Gummi und ich stecke bis zu den Knien darin. Meine Muskeln wissen nicht mehr wo sie noch irgendwas zum Verfeuern herholen sollen. Das Laufen strengt an, als würde ich bergauf sprinten, fühlt sich aber gleichzeitig so an, als würde ich nur noch 7:00min/km unterwegs sein. Das passt überhaupt nicht mehr zusammen, vor allem im Kopf. Meine Atmung ist bei Kilometer 20 endgültig aus dem Tritt und ich bin völlig asynchron unterwegs, also Hechelatmung, die nicht mehr zu den Schritten passt. Mehrfach denke ich an eine kurze Gehpause, nur einmal ganz kurz anhalten. Egal was die sagen...
Sogar als ich in die Zielstraße einbiege und den Zielbogen ca. 400m vor mir schon SEHEN kann und mein Kopf weiß, dass es vielleicht noch zwei Minütchen sind, denke ich daran kurz ein Stückchen zu gehen, um in Würde über die Ziellinie zu laufen, ernsthaft!
Ich tue es NICHT Ich laufe durch diese Scheiß Ziellinie, ohne angehalten zu haben, meine Frau, meine Kinder und meine Eltern stehen im Ziel (müssen aber denken, "Oh Gott, er stirbt") und schon nach wenigen Sekunden kann ich glücklich lächeln. 1:39:52 BRUTTO, alles ist gut.
Der Clou: Michael habe ich nicht mehr gesehen, doch er war nur 5 Sekunden hinter mir. Er hat seinen Stiefel eiskalt durchgelaufen. Hut ab, diese Gelassenheit stünde mir gut zu Gesicht, ich werde daran arbeiten.
Nach dem Start ist vor dem Start
Es gibt nun einige Dinge, die ich aus diesem Lauf mitnehmen kann. Angespitzt durch einige Aussagen aus dem "Ziel Zeit Halbmarathon" Thread, habe ich
meinen tollen neuen Trinkhandschuh ebenso wenig mitgenommen, wie meine Gels. Ich habe D-Bus's, Colfire's und 3-fach's Meinung vertraut, dass das unnötig ist.
Wenn nun aber nicht etwa fehlende Flüssigkeit oder AmbrosiaGel für meinen Einbruch verantwortlich war, dann kann es nur ein Trainingsdefizit sein und nun stellt sich die Frage, was ich beim nächsten mal (noch) besser machen kann?
Natürlich habe ich nicht konsequent nach einem Trainingsplan geübt, was ich aber gemacht habe ist, die verschiedenen Trainingsaspekte so gut wie möglich ein- und umzusetzen, also Intervalle, Tempoläufe und Lalas..
D-Bus schreibt im anderen Faden: "
Das Einbrechen üben wir aber noch mal. 40 sek/km sind zuviel, da es im HM keine Mauer und auch keine Übersäuerung gibt. Da hast du zu sehr auf deinen Schweinehund und/oder Enttäuschung gehört." ich muss allerdings sagen, dass ich noch NIE so hart gegen meinen Schweinehund gekämpft habe wie gestern. Ich habe es versucht, ich bin gelaufen und habe mich gequält wie noch nie. Ich hätte nicht gewusst, wo ich noch Sekunden hätte herholen sollen, die lagen nicht mehr auf der Straße. Also wenn man DAS auch üben kann, ist das aber eine harte Schule, jungejunge...
Aber wahrscheinlich ist die Wahrheit ganz einfach:
Für meinen Trainingsaufwand bin ich schlicht an einer Grenze angekommen und jede Verbesserung ab hier ist ab nun echtes (hartes) Training