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von Dumbo42
Also kurzer Nachbericht zu gestern: Der Vorabend war zur Vorbereitung schlecht. Waren bei befreundeten Ehepaaren eingeladen. Die Männer haben alles versucht, meine Form zu drücken (Noch ein Bierchen? Bleibt doch noch), die Frauen haben mit endlosen Diskussionen über die Themen unserer Zeit meine Nerven gefleddert: Wart Ihr schon mal in Schweden? Familie sowieso wohnt jetzt gegenüber der Familie anderswo in den komischen Haus, selbst das Kühlschrankthema kochte wieder auf: Mich fesselte insbesondere die Frage große Kombilösung oder nur Gefrierschrank alleine. Gegen Mitternacht, endlich, hatte meine Frau ein Einsehen. Ab nach Hause, endlich schlafen! Leider folgte jetzt noch die Gesprächsanalyse: Die Petra (Name geändert) ist eigentlich voll doof und so weiter. Jetzt also, gegen ein Uhr, endlich schlafen, morgen ist ja Wettkampf. Dann krabbelt unser Sohn ins Bett, akuter Brechdruchfall. Gegen zwei bin ich dann mit Bettzeug ins Wohnszimmer abgezogen. Schöner gehts nicht vor einem Wettkampf!
Dann der Sonntag. Todmüde aufgewacht. Das rechte Schienbein tut weh, wahrscheinlich beginnende Knochenhautentzündung. Blick raus: Strömender Regen. Sachen gepackt, rein in den Zug und schon mal alle Notfallszenarien durchgespielt: Aufgeben und Startnummer einrollen, gut, aber wann? Rücktritt vom Laufsport, Abgabe der Kapitänsbinde, abschließende PK mit Fischer und Steffny etc. Startnummer abholen im Forstenrieder Stadion. Wenigstens die Leute sind nett. Allmählich steigt die Stimmung wieder. Einen Flugversuch will ich zumindest wagen heute. In der Umkleideumkabine spüre ich den Erwartungsdruck. Mir wird flau im Magen. Günther, die Legende, wird sicher heute abend gleich die Ergebnisse angucken. Ich spüre die gierigen Blicke anderer Läufer, die in ihren pfundschweren Dämpfungsschuhen auf meine Brooks Racer stieren. Wegen des Regens mache ich mir die Haare nicht schön, ich setz die Kappe auf. Drei Kilometer Einlaufen, ein Wunder, das rechte Bein tut nicht mehr weh.
Dann der Start. Bin höllisch nervös, steh viel zu weit hinten. Die ersten 300, 400 Meter nur Geschiebe und Gedränge. Bin dann in eine kleinen Gruppe eingekeilt, Blick auf den Garmin: 5:30, so wird das nichts! Dann rechts raus, über ein Schlammloch drüber, endlich freie Bahn. Meine Brooks nehmen Fahrt auf. 1. Kilometer 5:02. So bleiben denke ich. Dann weiter kurven und überholen, Kilomter 2. in 5:01. Das könnte heute klappen, mit der neuen Bestzeit. Ich überhole und überhole, das ist mir noch nie passiert. Schon das Schild mit der Nummer 3. 4:56! Puls passt, Beine fühlen sich gut an, trotzdem plagt mich die Angst vor dem Einbruch. Bei 4 lauf ich auf ein hübsches, blondes Mädel auf. Ich will sie auf eine Pizza Margherita einladen, kann aber nicht sprechen. Gemeinsam rennen wir einen ziemlich steilen Hügel runter, zum Glück ist der Gegenanstieg sanfter, sie fällt zurück, ich bin heute irgendwie gut drauf. Bei Kilometer 5 deutlich unter 25. Ich laufe mit totaler Euphorie. Der Glückszustand hält aber nicht lang an. Dann gehts runter vom Asphalt auf die Forstwege, die voller Pfützen und völlig aufgeweicht sind.
Die Beine werden sofort schwer, der Rhytmus ist weg. Adieu Bestzeit! Ich schau nicht mehr auf die Uhr, den Frust will ich mir sparen, jetzt nur noch Kampf, Mann gegen Mann. Meine nagelneuen Schuhe sind schon völlig versaut, aber egal, den Riesen da vorne kassiere ich noch und zu der Gruppe laufe ich noch auf. So hangel ich mich durch bis etwa Km 7,5. Dann endlich wieder Asphalt. Bei Km 8 werde ich erstmals überholt, 4 oder 5 Plätze verliere ich, kommt er jetzt doch der Einbruch? Bei Kilometer 9 kommt wieder Euphorie auf. Mit letzter Kraft den letzten Anstieg hoch, dann in die Zielkurve hinein. Im Ziel sofort der Blick auf die Uhr: 49:41! Das Laufen, das Leben kann einfach so schön sein...