Hallo zusammen,
hier mein Rennbericht unter dem Motto: "Trau keiner Wettervorhersage, die du nicht selbst gefälscht hast!"
Weil ich keine Hitze wollte habe ich Marburg abgesagt und was finde ich am Sonntag morgen am Niederrhein vor? Statt Starkregen, Sturmböen, Kälte und Gewitter, haben wir Wärme, Sonnenschein und Wind!
Aber mit dem Verschieben des Marathons war das Thema Hitze für mich abgehakt. Ich hatte die 2:59 im Kopf und wenn man die drauf hat, dann hat man die drauf. Da lässt man sich nicht vom Wetter oder der Strecke beirren. Am Sonntag morgen hatte ich jeden negativen Gedanken verscheucht. Außerdem hatte ich Hitze trainiert und es war windig, das würde bestimmt für Abkühlung sorgen. Das Ziel stand also fest, als einzige zulässige Alternative, falls das Zeitziel in Gefahr kommen sollte, wollte ich wenigstens aufs Treppchen. Nebenbei bemerkt, musste man dazu in den Vorjahren auch sub3 laufen

Also "all in - or nothing".
Dementsprechend motiviert lief ich los. Es waren 4 Runden a 10,x km vorgesehen, davon über 50% auf Waldboden. In jeder Runde 1x unter der Autobahn durch eine Unterführung und 1x über eine Brücke drüber. Und im Ort gab es noch einen leichten Anstieg. Damit war es welliger als gedacht. Aber auch das hatte ich schon trainiert.
Auf den ersten Kilometern laufe ich planmäßig eine 4:14er Pace. Das würde auf eine 2:58 rauskommen und ich hätte zwei Minuten Luft, wenn es gegen Mittag noch wärmer wird. Mein Puls pendelt sich bereits ganz am Anfang bei 171-173 und 88% ein. Pace stimmt, aber Puls ist viel zu hoch. Beim 15km Formüberprüfungslauf am 24.06.bin ich bei eben diesem Puls einen 3:58er Schnitt gelaufen und jetzt bin ich noch lange nicht bei km15. Ich rede mir ein, dass der Puls im Wettkampf wegen der Aufregung nicht aussagekräftig ist. Also weiter in der planmäßigen Geschwindigkeit.
Bald kommt das gerade schattige Waldstück. Darauf hatte ich mich gefreut. Hier kann ich bestimmt ein paar Sekunden gutmachen. Tempomat rein und fliegen. Falsch gedacht. Puls bleibt konstant. Pace verschlechtert sich auf 4:19. Mit fehlt der Gegendruck vom Asphalt.
Nur nicht abreißen lassen, ich versuche eine konstante Pace zu laufen es gelingt einigermaßen. Der Wind wird stärker und in der zweiten Runde kommen mir Steigungen härter vor. Aber die 21km sind unter 1:30 voll und ich liege im Plan. In der dritten Runde laufe ich auf offenem Feld gegen heftigen Wind an und meine Durchschnittspace sackt plötzlich auf 5:00 ab. Ich kann’s nicht glauben. Die Pace kann nicht plötzlich um 45 sec absacken. Wie soll das gehen? Ich hänge mich richtig rein, gebe alles und der Kilometer wird mit 4:39 abgeschlossen. Der nächste Kilometer im Wind ist nicht besser, obwohl ich richtig kämpfe. Das darf nicht wahr sein! Das hat mich mental ganz schön angegriffen.

Es gab auch keine Hoffnung auf Rückenwind, weil dann der Wald kam. Im Wald wird die Pace besser, aber der weichere Boden macht mir zu schaffen. Es ist noch wärmer und schwüler geworden. Ich kämpfe mich Kilometer für Kilometer weiter, an jeder Verpflegungsstelle kippe ich mir Wasser über den Kopf. Das läuft mir in die Schuhe und die Füße tun weh.
Jetzt muss ich schon anfangen richtig zu kämpfen.
Ich denke bei mir, jetzt nur bis Kilometer 27 kommen und dann einfach die Greifsche 15km Endbeschleunigung zünden. Das ist meine Hoffnung. Dann ist es in einer Stunde vorbei. KM 27 kommt, ich versuche zu zünden, aber die Power fehlt. Ich versuche meinen Atemrythmus zu verschnellern und dadurch die Geschwindigkeit zu erhöhen, aber die ersten Krämpfe kündigen sich an. Die Beine sind kurz vorm verkrampfen und dass obwohl ich zwischenzeitlich schon Salztabletten geschluckt habe. Die vierte Runde ist da, nur noch 10km, also nicht mehr weit. Dann kommt wieder das Stück mit dem Gegenwind und wieder kostet es mich viel Zeit. Meine Reserven gehen zur Neige. Ich will nur noch im Ziel ankommen und ausruhen. Mein Puls ist mittlerweile in 160er Bereich zurückgegangen. Die Geschwindigkeit dementsprechend langsamer, aber ich kann nicht schneller.
Ich kämpfe mich Kilometer für Kilometer für Kilometer weiter immer genau an der Krampfgrenze. Eigentlich krampft die Wade schon, aber ich bleib nicht stehen, sondern ändere den Laufstil. Jetzt ärgere ich mich richtig, dass auf dem ganzen Kurs gar kein Publikum ist. Ein wenig Anfeuerung könnte ich gebrauchen. Immerhin geben die Streckenposten ihr Bestes.
Die letzten Kilometer gehen irgendwie vorbei. Die meiste Zeit laufe ich übrigens alleine. Zwar auf dem 3. Platz, aber das führt eher dazu, dass ich nicht das allerletzte rauskratze. Fast habe ich gehofft, dass noch ein Vierter von hinten kommt, durch den ich an meine Grenzen getrieben werde. Aber es waren auch insgesamt sehr wenige Teilnehmer.
Ich komm dann endlich ins Ziel und auf der Uhr steht eine 3:12.
Das hat mich schon sehr enttäuscht. Platz 2 hat 3:08 (PB von 2:41) und der Erste kam mit 2:58 ins Ziel (PB von 2:37 und Vorjahressieger auf dieser Strecke mit 2:47). Nach dem Zieleinlauf kamen die Krämpfe dann mit voller Wucht und ich durfte das erste Mal in meinem Leben einen Fast-Ganzkörperkrampf erleben. Sehr unangenehm wenn der Bauch im Konzert mit Oberschenkel, Wade und Zehen voll verkrampft und man sich nicht auch den Beinen halten kann. Zwei Zehennägel hats auch komplett zerstört (jetzt weiß ich, dass Aubergine eine Farbe ist), ein Zehennagel ist halb kaputt.
Fazit: Ich hab mein Ziel ganz klar verfehlt. Die besten Leistungen nützen im Training nichts, wenn man sie nicht in Ergebnisse ummünzen kann. Ich habe gedacht, dass ich den Bedingungen trotzen kann, aber es ist mir nicht gelungen. Danke an alle, die mir die Daumen gedrückt haben.
Immerhin habe ich etwas Wettkampferfahrung gesammelt, hatte keine Verdauungsbeschwerden, keine Boxenstopps oder Gehpausen und es war eine sehr liebevolle, gut und angenehm organisierte Veranstaltung. Sehr netter Verein und engagierte Leute. Wer näheres erfahren will, kann mich per BM anmailen.
Eins habe ich auch gelernt. Mein nächster Marathon muss folgende Kriterien erfüllen. 1. milde bis kühle Temperaturen. 2. flache asphaltierte Strecke. 3. viel Publikum und Teilnehmer.
Was habe ich noch gelernt? Der Marathon verlangt Respekt. Man kann die Bedingungen nicht ignorieren. In Mannheim habe ich bis zum Halbmarathon nur auf der Bremse gestanden, weil ich das Gefühl hatte schneller zu können. Der Puls war dort bei einer Pace von 4:15 immer im 160er Bereich. Gestern hatte ich 10 Schläge mehr und mir war gar nicht nach bremsen zumute. Nächstes Mal mach ich die Taperingphase etwas kürzer, die zwei weiteren Tage ohne nennswertes Training waren auch nicht hilfreich. Weitere Erkenntnisse werden bestimmt noch folgen.
Für mich heißt es erstmal weitertrainieren, Wochenkilometer erhöhen und Lebenskilometer sammeln.
Sport frei!