Es begann mit einem Aufreger und es endete mit einem Aufreger. So könnte man die Geschichte kurz umreißen, die sich zwischen Samstag 4:55 Uhr und Sonntag 2:30 Uhr abspielte. Aber ich werde vor allem von dem erzählen, welches dazwischen passiert ist, denn das war das wirklich spannende.
Davor kommen wir aber zum Prolog. Wie
@heikchen007 versprochen, habe ich Freitags ganz viel Sonne mit nach Berlin gebracht. Es war soooo heiß und wäre der Lauf Freitag gewesen, die Geschichte wäre garantiert eine andere. Aber ich hatte Glück, erstens war der ICE tatsächlich - kein Quatsch - SIEBEN Minuten ZU FRÜH. Ja, gibt es denn sowas? Wir konnten es nicht glauben.
Vom Bahnhof gings ins Hotel und dann weiter zum Briefing und der Pastaparty. Das Briefing ist echt wichtig, sollte man auf jeden Fall mitnehmen und zuhören. Und die Pastaparty auch, war sehr lecker. Wirklich.
@klnonni war auch da, er sollte meine Fahrrad/Lauf-Begleitung sein für den längeren Teil sein, meine Holde dann für die letzten 30 Kilometer.
Viel mehr passierte dann nicht mehr am Abend, Dropbags gepackt und dann schlafen gelegt.
Wecker klingelt 4:01 Uhr, schnell zwei Honigbrote futtern, fertig machen und 4:52 Uhr gemütlich das Hotel verlassen zur Tram, die 5:02 Uhr fährt. Als wir die Haltestelle sehen, stehen da ganz viele Leute mit ihren Dropbags. Verdammt! Die Dropbags, wir haben den Rucksack vergessen, in dem wir sie eingepackt hatte. Also Puls hochfahren und erstes Warmup. Zurück ins Hotel gelaufen, alles geholt und wieder zum Bahnsteig. Hat geklappt. Erster Schweiß läuft den Rücken runter, Adrenalinspiegel ist aufgewacht. Das kann ja heiter werden.
Am Start ist schon gut was los, Bags abgeben, noch etwas chillen, ausschau nach Leuten halten die man kennt, ein paar wenige Worte wechseln, aber eigentlich bin ich schon im Tunnel. Zurück gibts jetzt nicht mehr. Der Plan steht, sub 24h sollen es werden. Wenn es optimal läuft sub 21.
6 Uhr, es geht los. Viel zu schnell. 6:00-6:30 Pace sollen es sein, werden es dann auch, aber das dank einiger roten Ampeln, die man keinesfalls überlaufen sollte, das wird ziemlich streng kontrolliert und nach zwei roten ist man raus. Was ich gut finde. Denn bei solch einem langen Rennen ist das total unnötig. Im Gegenteil, ich fand es gerade am Anfang gut, weil es etwas erdet. Und am Ende, weil man einen guten Grund hatte mal kurz stehenzubleiben
Das Wetter war über Nacht umgeschlagen und ich hatte im letzten Dropbag sogar ein Langarmshirt mit. Für die Nacht waren bis runter auf 13° vorhergesagt. Das ist kalt, wenn man leer ist und nicht mehr laufen kann. Also sicher ist sicher.
Aber zunächst lief alles wie am Schnürchen. Ich war super in der Zeit, wohl wissend, dass die Tiefs kommen werden. Ernährungsplan waren jeweils ein Gel die Stunde, was festes an den VPs und dazu noch KH-Getränk nach Gefühl. Habe insgesamt dann 5 Liter KH-Mix getrunken und etwa 15 Gels zu mir genommen. Dazu viele Liter Wasser und Cola, einen halben Radler und etwas Gemüsebrühe. Dazu Gurke, Wassermelone, Orangenscheiben, Waffeln in unbekannter Zahl, Kartoffelecken und Süßigkeiten. Zu letzteren komme ich dann auch noch näher zu sprechen. Später. Und insgesamt vier Salztabletten, rein nach Gefühl.
Aber wie gesagt, es lief. Die ersten knapp 65 km in 7 Stunden, wobei darunter auch der erste große Boxenstopp fiel, wo ich einige Zeit gelassen habe. Denn bei KM 61 gabs den ersten Dropbag, da habe ich mich komplett umgezogen und gerade Sockenwechsel werden zeitintensiv, irgendwie. Aber ich war ja nicht auf der Flucht.
So lief es weiter super bis etwa km 75 oder so, ich kann es nicht mehr genau sagen. Auf jeden Fall kam doch noch die Sonne raus, es wurde wärmer und etwas hügeliger. Auf der ersten Hälfte hatte ich ca. 85 hm auf der Uhr, zum Schluss über 500. Also deutlicher wechsel der Landschaft. Die übrigens überhaupt nicht städtisch ist. Der ehemalige Todesstreifen wurde gut erhalten und nicht verbaut. Das heisst, man ist wirklich sehr viel in der Natur unterwegs und merkt gar nicht, dass man eigentlich durch Deutschlands größte Stadt läuft. Das ist schon faszinierend.
Aber ich war mittlerweile an der Glienicker-Brücke angekommen, auch bekannt als Agentenbrücke, vor den Toren Potsdams. Am nächen VP wollte Markus dazustoßen. Doch leider war seine S-Bahn ausgefallen

Also weiter, ins erste Tief. Ich also irgendwo in einem Park gegangen, als mich eine junge Dame laufend überholt und sofort ein "Sorry, bin nur Staffelläufer" zuruft. Na ja, war nicht das erste Mal an dem Tag, wo mich jemand überholt hat, aber das fand ich nett. Kurze Zeit später kamen vier Läufer an mir vorbei und ich dachte "Okay, die Pace sollte ich gehen können" und hab mich angehängt.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt in meinen Augen. Wenn man jemanden hat, an dem man sich orientieren kann, dann ist es viel einfach zu laufen, als wenn man langsam in seinem eigenen Selbstmitleid zu ertrinken droht. Denn das baut sich dann irgendwie negativ auf und man wird noch demotivierter. Obwohl es eigentlich geht, wenn man will. Und so verließ ich dieses Sprungbrett relativ zügig nach vorne hinaus, überholte wieder einige Leute die mich überholt hatten. Aber so ist das, Letztlich habe ich vor allem immer diesselben gesehen, die einfach andere Rhytmen gelaufen sind. Manch einer war länger an den VPs, andere liefen langsamer und dafür durch etc. War nett, denn irgendwann kannte man sich dann doch.
Markus war immernoch lost mit der Bahn, dafür sah ich "meine" Staffelläuferin kurz voraus. Und da es bergab ging, konnte ich mich flott ranrobben und Kontakt aufnehmen. Sie war Teil einer 10er-Staffel, wollte eigentlich aber lieber eine 4er-Staffel laufen, also lief sie etwas "vor". Und da sie nicht unter Zeitdruck stand und ich nicht wirklich schnell war, haben wir für etwa 10 km ein Duo gebildet. Sie beim Einlaufen hin zu ihrem Wechselpunkt und ich auf der Suche nach meiner Fahradbegleitung. War win-win und sehr nett.
Ja
@klnonni war zwar mittlerweile aus der Bahn raus, aber am nächsten VP verpasste er mich knapp und da er nicht wusste ob ich vor oder hinter dem VP bin, wartete er dort, was aber nicht schlimm war, denn der nächste VP war dann wieder Dropbag-Zone und somit verblieb ich dort etwas länger und er holte mich ein. 92 km waren geschafft. Es wurde wärmer und ich war etwas am struggeln. Auf meinen kurzfristigen Wunsch hatte Markus noch eine Powerbank mit dabei, um mein Handy zu laden, denn dieses hätte die Reise sonst nicht geschafft. Wohingegen meine Uhr keine Akkuprobleme hatte. Des Weiteren übergab ich Markus so ziemlich alles, was in meinem Rucksack war, was nun er schleppen durfte. Ein klarer Vorteil, wenn man begleitet wird.
Aber nur der kleinste, denn was viel wichtiger war, war die moralische Unterstützung! Ich war nicht mehr alleine und das war so viel wert, ich kann das gar nicht beschreiben, es mag pathetisch klingen, aber das hat mich schon über manchen Kilometer gerettet. Ich wollte ja auch ihn nicht enttäuschen und ihn um seinen Spaß bringen. Keine Ahnung wie oft ich mich entschuldigt habe, dass ich so langsam bin.
==Achtung, der nächste Absatz ist unappetitlich, während des Frühstücks bitte überspringen ==
Bei Kilometer 98,x musste ich mich dann im Villenviertel bei einer teuren Hofeinfahrt mit großen Garten übergeben. Zuviel Cola, zuviel Kohlensäure, zuviel KH-Mix, zuviel Wasser. Ungefähr in dieser Reihenfolge, denn der erste Strahl war schaumig schwarzbraun, der nächste grün und der letzte eher farblos. Alles ohne Brocken. Das Essen ging also an mich, Flüssigkeit war wohl zuviel. Aber gut, besser als verdursten.
==Hier gehts weiter ==
Trotzdem war mich dieser Break etwas aus der Bahn. Der spaßige Part des Laufs war wohl vorbei. Aber es waren ja nur noch ein Marathon und ein Halber zu gehen. No Problem.
Markus nahm es gelassen, auch mein Gezeter bezüglich der Steigungen, die ständig kamen, nahm er stoisch zur Kenntnis. An den VPs füllte er meine Flaschen, es war einfach super

Ich kann gar nicht genug Dank aussprechen. Und wie gesagt, weit war es ja nicht mehr. Trotzdem rechnete ich schon wieder meine Zielzeiten aus. Ich wusste, ich war "ultraschnell" unterwegs. Lange sub19, jetzt immer noch sub20, aber es tickte weg. Das war durchaus so geplant, von maximalen 90 Minuten vor der Zeit waren es nur noch etwa 50.
Bei Kilometer 111,5 ließ Markus sein Rad zurück und begleitete mich zu Fuß weiter, war so geplant. Und auch besser so, bei meinem Tempo war die Kippgefahr durchaus gegeben. Außerdem war ein Wald voraus und ich hatte wieder ein Tief. Ich konnte nicht mehr laufen, ich fühlte mich irgendwie leer. Also sind wir die nächsten drei Kilometer gewalkt. An Bahngleisen entlang, wo offenbar Equipment für die Erneuerung Hamburg - Berlin gelagert waren, auf jeden Fall jede Menge Waggons. Ich hatte echt ein schlechtes Gewissen. Auch meine Holde scharrte wahrscheinlich schon mit den Hufen. Da sie eine längere Taxifahrt zum Treffpunkt hatte, war das mit dem Timing gar nicht so einfach. Und leider musste sie dort dann doch etwas auf mich warten.
Aber ich gab alles, Gels gingen nicht mehr, die erzeugten direkt Brechreiz, aber Gummibärchen funktionierten. Und so bestritt ich den letzten Marathon, so weit waren wir schon gekommen, vor allem mit Gummibärchen aller Couleur, was an den Ständchen so da lag. Und Wassermelonenstückchen. Das ist so lecker und erfrischend.
Dann wurde es dunkel. Stirnlampen raus und Warnweste übergestreift, Endspurt.

Na ja, es war jetzt halb neun, es waren also noch 6 Stunden zu gehen. Aber irgendwie fühlte ich mich überm Berg. Ich konnte wieder laufen, wobei ich auch während des Gehens nur von wenigen überholt wurde, und das richtig schnell. Markus schlug eine Pace bei 6:30 an, das war hammerhart. Ich musste immer wieder zügeln. Aber es funktionierte, auch wenn ich mir sicher bin, dass meine Begleiter (als später meine Frau) sich nicht wirklich vorstellen konnte wie es in mir aussah. Es war ein steter Kampf, ich war am Limit. Alleine wäre ich diese Stücke wahrscheinlich gegangen, vielleicht hätte ich auch aufgegeben. So konnte ich mich aber entschuldigen, dass ich so langsam bin und mir tat es echt leid, dass es nicht schneller ging. Denn 6:30 und später 7:10 ist wirklich kein Tempo. Das meine ich nicht despektierlich, für mich war es fast Lichtgeschwindigkeit, aber für einen ausgeruhten Mitläufer, der da 2 Minuten schneller kann, für den muss es mühsam sein. Also vielen Dank für die unendliche Geduld! Ja, ich war am Kämpfen, mir fehlte einfach Energie, das brachte mich aber vor allem mental zum struggeln. Der Körper funktionierte, nur dem Motor ging langsam der Saft aus.
Mittlerweile war es richtig dunkel. Was die Sache nicht einfacher machte. Und natürlich warf es mich irgendwann auf die Straße. Die typische "Jonas-0,5 mm-Asphaltwelle" legte mich hin. Im Rucksack knirschte das Brillenetui und an der Zeigefingerspitze bildete sich sofort ein 0,5 cm durchmessender Bluterguss, der locker 3mm hoch wurde und pochte. Ansonsten blieb ich aber heil. Lag auf dem Radweg wie ein Maikäfer und musste einmal tief durchatmen. Glück gehabt, hätte schlimmer kommen können.
Weiter gings, meine Holde endlich in Reichweite. Der letzte Dropbag stand vor der Tür. Es wurde langsam kälter, Aber ich wollte keine Zeit mehr vertrödeln. Also diesmal kein Klamottenwechsel. Nur eine warme Gemüsebrühe. Welch ein Genuss!! Es ist wirklich krass, wie schnell der eigene Anspruch sinkt und man von seinem First-World-Ross runter kommt in die Niederungen der Gosse aufschlägt. Das ist jetzt auch nicht wieder nicht despektierlich gemeint. Es war einfach mein Empfinden. Die Gemüsebrühe war sooooooooooooo lecker. Soooooooo lecker! Ein Sternemenü im Faltbecher. Man wird genügsam!
Aber etwas Luxus musste dann doch, sorry! Wir wollten den VP gerade verlassen, da sah ich auf dem Tresen gelbe Kronkorken. Dazu muss ich einschieben, dass es unterwegs stets JEver Fun, Schöfferhofer alkoholfreies Weizen und Vita Malz gab. Leider weckte dies in mir die Lust auf einen Radler. Pures Bier wollte ich nicht, weil mein Magen den herben Geschmack wohl nicht gemocht hätte. Und Malz ist echt nicht meins, so weit unten war ich dann doch noch nicht. Aber was soll ich sagen, VP 20 – Ruderclub Oberhavel hatte Bitburger Radler!

Also nochmal kurz stoppen und eine halbe Flasche bügeln. War das lecker. Gemüsebrühe mit Radler als Nachtmahlzeit, eine Wucht. Und das meine ich ernst, nach langen Stunden zeichnete sich das erste Mal wieder ein Lächeln über mein Gesicht. Es braucht oft nicht viel um einen Menschen glücklich zu machen.
Dann kam der Begleiter-Wechsel, endlich, denn dank meiner Lahmheit war meine Frau wahrscheinlich schon lange am VP festgefroren. Ich fühlte mich schuldig. Ich schickte Markus vor, damit die beiden schonmal das Equipment tauschen und meine Holde sich bereit machen kann. Selbst konnte ich nicht beschleunigen. Vor allem weil Frohnau auf einem Hügel liegt. btw. habe ich schon gesagt, dass ich Stirnlampen mit Rücklicht hasse, wenn sie vor mir getragen werden? JAAAA

die nerven wie die Hölle, weil man sieht, dass der Träger einfach höher steht als man selbst, es also die ganze Zeit den Berg hoch geht. Das ist so nervig.
Also Wechsel der Gefährten, danke an Markus, der sich nun erneut in die Hände der BVG begab und für eine (Luftlinie) kürzere Strecke, als ich sie noch zu absolvieren hatte, trotzdem genauso lange brauchte. Ganz lieben Dank!
Nun waren wir im Norden Berlins angelangt, meiner Holde gefiel die Gegend, es war still, es war dunkel, es war im Wald. Es war langsam. Sie musste sich glaube ich anstrengen, nicht zu schnell zu laufen. Ich musste sie immer wieder bremsen, hatte das Gefühl ich fliege, aber es war eine Pace jenseits der 7. Was aber noch immer schneller war als die Pace die ich für sub 21 brauchte. Kämpfen, nur noch 25 Kilometer. Die Gegend war wirklich idyllisch, so ein ganz anderes Berlin wie man es kennt. Ganz anders als der Stadtkern. Auch bei meiner neuen Begleiterin endschuldigte ich mich unzählige Male ob meiner "Nichtpace", aber es war laufen am körperlichen Limit, ich holte wirklich alles raus was noch da war, aber das war nur noch wenig. Dafür konnte ich wieder Gels nehmen. Richtig power brachten sie nicht mehr, aber sie brachten mich dem Ziel näher. Keine 20 Kilometer noch

Nur noch etwas mehr als 2 Stunden und noch drei Zeit. Langsam konnte ich mir sogar geehen erlauben. Aber das wollte ich dann auch nicht. Na ja, sagen wir mal so. Nehmen wir an im Kopf sitzt ein Parlament und es kommt zu einer Kampfabstimmung, dann hatte die Lauf-und-Kämpfen-Partei noch eine knappe Mehrheit. Auch wenn die Geh-Endlich-Partei mit Zwischenanträgen immer mal wieder das Gas rausnahmen.
Ich glaube meine Frau hatte ihren Spaß, sie genoss die Ruhe, die Stille in der Stadt, die ungewohnten Einblicke in eine doch sehr grüne Stadt. Zumal sie ja genug Zeit hatte um alles aufzusaugen. Während ich mich, ihrer Meinung nach, auf das wesentliche konzentrierte und versuchte zu rennen und nicht die Orientierung zu verlieren. Hier mal ein Kompliment an den Streckenmakierer. Der Wahnsinn wieviele Pfeile den Weg kenzeichneten, es mussen tausende gewesen sein. Nur ganz selten war der Weg nicht sofort ersichtlich, nur ganz selten war ich verwirrt. Nicht einmal habe ich mich verlaufen. Das ist schon absolute Spitzenklasse. Zumal Berlin, wir waren mittlerweile wieder in der "Innenstadt", eine gigantische Baustelle zu sein scheint. Absoluten Respekt an den Markierer, eine unglaubliche Leistung! Ich will nicht wissen, wieviel Zeit das gekostet hat! Und auch ein Dank an die ganzen Helfer, an den VPs und überall sonst, alle waren gut gelaunt, hatten ihren Spass und waren immer freundlich und hilfsbereit. Ein ganz tolles Event. Wer also vier Berlin-Marathons für den Preis von einem haben mag, der melde beim Mauerweglauf.
Am letzten VP, drei Kilometer vor dem Ziel tickte dann die 20 Stunden Marke durch. Schade. Naja, nicht wirklich. Mehr hätte ich nicht geben können, vielleicht an den VPs ein paar Minuten sparen, aber ansonsten habe ich wirklich alles gegeben. Sub 21 hatte ich schon für fast nicht möglich gehalten, es war ein kühner Traum . Und da hätte ich hin wandern können. Jetzt. Aber etwas lief ich dann doch noch.
20:27:13 Stunden wurden es dann.
Die Laufbahn im Stadion war mit bunten Lampen gesäumt, ich war glücklich, erleichtert, stolz. Tränen in den Augen. Ich hatte es geschafft, Gänsehaut pur. Gezweifelt hatte ich, war ich gut genug vorbereitet. War ich ausgeruht genug, hatte ich logistisch alles bedacht. Alles fiel ab. Es blieb nur noch Glück. Und es waren wirklich viele Leute da, die jubelten, um halb drei in der Nacht. Der Wahnsinn. Und die förmliche Quali für den Spartathlon.

Davor hatte ich Angst.
Ich musste mich erstmal setzen, nachdem wir noch ein paar Bilder gemacht hatten. Dann gönnte ich mir eine Cola. Dann lief mir Schweiß ins Auge und ich rieb mir die Kontaklinse irgendwie in die Ecke.

Sau dumm! Anstatt der Zielsuppe suchte ich meine Linse im Auge konnte sie aber nicht finden. Also in die Sanistation. Die meisten hatten was am Fuß oder Bein, ich hatte was im Auge und es wollte nicht raus. Die Empfehlung => Augenklinik!! Vollkatastrophe, da läuft man 163,86 km und soll um drei Uhr morgens in einer fremden Stadt in eine Augenklinik? Nee, lieber nicht, zuerst mal ins Hotel, schauen ob die Linse doch noch so geborgen werden kann. In der Tram einen anderen Mitläufer gesprochen, der kannte das Problem und wünschte mir das Beste. Ja, so sind Ultraläufer, es ist ein Miteinander, kein echtes Gegeneinander. Das spürte übrigens auch meine Holde, die fasziniert war von dem Miteinander, denn sie hatte ja einige Zeit mit dem Warten verbracht am VP und zumindest einige Läufer gesehen. Denn viele waren es nicht, die vor mir waren. 7. AK und 55. Mann. 69. Insgesamt. Ich habe sogar so manche Staffel hinter mir gelassen. Echt der Wahnsinn, neben den sechs Stunden von Mörfelden war das mein zweiter perfekter Lauf in diesem Jahr.
Aber ich schweife ab, denn noch war die Linse nicht geborgen, jedoch hatte sie sich freundlicherweise so verschoben, dass ich sie im Spigel sehen konnte und raus bekam.

Die Nacht war gerettet. Die Klinik abgewendet, nur die Suppe war mir flöten gegangen.
Duschen war schwierig, es ist ja immer wieder unglaublich wieviel Dreck man an den Beinen aufsammelt, und wieviel Staub in die Socken gelangt. Obwohl ich die zweimal gewechselt habe. Aber ich bekam es hin. Ab ins Bett um halb vier. Der Stress war weg, die Schwerzen brachen sich ihre Bahn. Knie und Hüfte, sowie jedes einzelne Zehengelenk wollte gehört werden. Je nach Position mal die mehr, mal die mehr. Aber ohne wildes Geschrei ging es nicht, der Körper jaulte. Aber das ist auch nach einem Marathon so, von daher nicht ungewohnt, aber eben spät in der Nacht und das Frühstück stand ja schon bald wieder auf der Agenda. Irgendwann schlief ich dann doch ein, denn insgesamt war ich einfach hell wach gewesen. Müde, in Schlafsinne, war ich unterwegs nie. Selbst in den dunkelsten Momenten war es es Erschöpfung, aber keine Müdigkeit. Dafür war das Wettkampfadrenalin einfach viel zu hoch. Ich hätte sicher noch viele Stunden weitermachen können. Die Frage wäre eher gewesen, wie lange ich hätte noch weiter machen wollen. Da ist der Kopf das Limit, nicht der Körper. Das ist mir wieder klar geworden, man muss daran glauben, man muss es wollen. Ansonsten wird das nix, da kann der Körper noch so fit sein. Wenn der Kopf nicht mehr will, dann ist es aus. Zum Glück hatte ich meine Begleiter dabei. Sie waren Gold wert, einfach nur weil sie da waren und natürlich weil sie mir ganz viel Stress abgenommen haben.
Gestern war ich dann schon wieder Laufen, sieben Kilometer sub 6er Pace, fühlte sich gar nicht mehr so schnell und cool an.

Die Beine sind noch etwas schwer, der Körper hat noch ein paar wunde Stellen, aber ansonsten geht es mir gut und leider haben die ersten Pläne für 2026 Zugang zu meinem Kopf gefunden.
Ich werde berichten.