1886
von B2R
Hallo Leute,
wie versprochen nochmal ausführlicher…
Also, da war er nun, der Tag X. Doch blicken wir noch etwas zurück: Nachdem ich geboren wurde…. halt…. das war zu weit… Fangen wir doch lieber im Jahr 2014 an. Im Januar konnte ich wegen massiver Problemen in der Hüfte nicht laufen, danach etwas Mickey Maus Training bis April, dann zwei Wochen All inclusive Urlaub in der Karibik, aus dem ich mit 86 Kilo zurück kam… Ab da könnte man sagen, hab ich dann endlich angefangen vernünftig zu trainieren. Das Training lief gut, besser als gedacht. Kaum Wehwechen, kaum Trainingsausfall, selbst auf meinen Dienstreisen habe ich immer etwas Zeit gefunden zu laufen. Mit noch etwas Übergewicht dann trotzdem neue HM PB Ende Juni, danach lag der Fokus ausschließlich auf dem Marathon in München. Auch hierfür lief das Training gut, einzig eine Erkältung Anfang August, die aber schnell überstanden war. Doch das war das Haar in der Suppe. Trainiert habe ich wie ihr wisst ohne festen Plan. Es war eine Mischung aus JD, Steffny und vielen hilfreichen Tipps hier aus dem Forum. 4 mal laufen und 2 mal Fitnessstudio pro Woche. Dies fast immer, die letzten 10 Wochen dann aber kompromisslos ohne Ausnahme und natürlich mit Erhöhung der Wochenkilometer, im Schnitt rund 72 km die letzten 9 Wochen vor der Marathonwoche, im Peak 82 km. Meine Wochen haben eigentlich immer gleich ausgesehen:
Mo: Pause
Di: Q-Einheit (Intervalle, Tempowechsel …) um 18 km
Mi: Fitnessstudio
Do: Ein recht zügiger mittellanger Lauf um 20 km
Fr: Locker durch den Wald ca. 12 km
Sa: Fitnesstudio
So: Lang um 30 km
Mit diesem Training blieb ich verletzungsfrei und konnte nochmal eine HM PB 3 Wochen vorm Marathon aufstellen (Zeit vom Juni über 5 Minuten verbessert).
Doch nun zum Marathon selbst:
Ich wiege mich jeden Sonntag, so also auch am Morgen des Marathon Tag. Ich dachte ich sah nicht richtig: 78 Kilo… also nochmal 1,5 Kilo weniger als am Sonntag davor. Das hat mich schon verunsichert. Es heißt, man solle sich nicht wundern, wenn man während des Taperings bis zwei Kilo zunimmt und ich nehme noch ab? Naja wie auch immer, dann läuft es sich leichter dachte ich… Den Fehler vom letzten Jahr (als ich zu viel gefrühstückt und getrunken habe), habe ich nicht mehr gemacht. Habe um 6 Uhr zwei helle Brötchen mit Honig gegessen und kurz vorm Start noch eine Banane. Anreise, Startunterlagen abholen, zwischendurch ein paar kleine Schluck Wasser, alles super. Meine Frau und ich waren etwas enttäuscht das die Marathon Messe schon abgebaut wurde. Die, die erst am Sonntag ankamen, hatten also das Nachsehen. Naja was solls, bin ja zum Marathon laufen hier und nicht um mir noch irgendwelche lila CEP Socken zu kaufen. Kurz vorm Start noch schnell ins Gebüsch, alles farblos, alles super. Anders als letztes Jahr, als ich auf der Strecke zweimal ins Gebüsch musste, musste ich diesmal während des Laufs nicht mehr. Eingereiht habe ich mich ganz frech im Block A (Teilnehmer mit anvisierter Zeit bis 3:30). Frau nochmal abgebusselt, Startschuss, Gänsehaut… Aber was soll ich euch Blödsinn erzählen und die coole Sau spielen? Ich war scheiß aufgeregt… und hatte schon zu Beginn mit dem Magen zu kämpfen…
Der erste Km knapp über 5 min/km, perfekt dachte ich. So hab ich mir das vorgestellt: nicht zu schnell angehen. Habe dann auch sehr schnell meinen Rhythmus gefunden. Bis zur HM-Marke lief es wie am Schnürchen, immer knapp unter 5 min/km. Ich hatte das Gefühl, ich könnte fliegen und musste mich eigentlich bis dahin etwas bremsen. Doch ich wollte lieber sicher unter 3:30 landen statt dann zu viel zu riskieren, auf 3:20 schielen um dann gnadenlos einzubrechen. Mir hat es so schon gereicht. Doch der Reihe nach: Magenprobleme immer leicht vorhanden, aber hielt sich in Grenzen und wurden schlicht ignoriert. Natürlich musste ich an D-Bus (Holger) denken, der schrieb das ich die 3:20 locker drauf habe und ich soll mit 4:40 angehen. Auch an Voxel der schrieb ich würde alle überraschen. Oder an Dude (Christian) der mir am Tag vorher per WhatsApp noch Mut gemacht hat. Musste an meinen Arbeitskollegen denken der meinte mit meiner Vorbereitung rocke ich den Marathon aber sowas von! Aber ein Marathon hat eben dann doch seine eigenen Gesetze... Die 3 Euro schmeiß ich auch gern ins Phrasenschwein.
Ab km 25 wurde es spürbar härter, konnte das Tempo nur noch mühevoll halten. Doch dann musste ich es drosseln. Meinem Magen ging es auch immer schlechter. Waren es die Gels? Habe bei km 10 und 20 eines genommen. Der Gedanke an das dritte bei km 30 gefiel mir irgendwie nicht… Mir gingen 1000 Sachen durch den Kopf, ich war emotional irgendwie ziemlich angeschlagen. Weil ich es nicht fassen konnte das es schlagartig schlechter wurde. Ich wusste, wenn es so weiter geht, kann ich die 3:30 knicken. Komischweise fingen ab km 30 meine Beine an zu schmerzen. Richtige Schmerzen! Ich dachte ich bin top trainiert?? Ich hab angefangen mich selbst fertig zu machen, dachte mir wozu renn ich ins Fitnessstudio und geh an die Beinpresse, die mir wirklich sowas von NULL Spaß macht? Dachte an meine zahlreichen Laufeinheiten in strömenden Regen in den letzten Wochen. Wozu das alles? Warum fühlte ich mich nach meinem letzten 32er vor zwei Wochen noch absolut Bombe, konnte danach noch ne Radtour machen und heute geht’s ab km 30 bergab?? Warum konnte ich im Training mühelos 32 km ohne Wasser laufen und heute sehne ich jede Verpflegungsstation herbei? Bei km 30 dann das letzte Gel runter gewürgt. Tempo immer mehr gedrosselt, KM 35, noch 7 Kilometer. Kurze Gehpause zum Trinken… scheiße tut das gut zu gehen… ich könnte noch 100 km gehen, aber keinen Schritt mehr laufen dachte ich… scheiß drauf, wenn ich jetzt weitergeh, ist der Marathon fürn Arsch. Also Becher geleert, Strohhalm weg geschmissen (brauch ich jetzt nicht mehr) und einigermaßen laufend Richtung Olympiapark. Die einzelnen km Marken standen ab km 35 definitiv weiter als einen km auseinander. Mindestens zwei. Oder drei. Dachte ich. Plötzlich Krämpfe in den Waden. WIESO? Ich hatte wochenlang keinen einzigen Krampf!! Und wo zur Hölle bleibt das 39 KM Schild?? WIESO KOMMT ES NICHT?? Ah da ist es ja. Wieviel ist 42 minus 39? Zwei? Nein drei?! Shit… Irgendwann kam km 40… Von da an ging es wieder besser. Musste an meine Familie denken die im Stadion wartet. Blick zur Uhr: Es wird Sub 3:40, wenigstens was. KM 41. Ich hab keinen Bock mehr. Ich geb es zu, ich kann nicht mehr. Aber jetzt ist es auch schon egal. Einlauf ins Stadion. Wo bleibt die Gänsehaut? Von wegen… Wo ist das scheiß Ziel? Was noch ne ganze Runde? War das letztes Jahr auch so? Na gut… Familie auf der Tribüne entdeckt, wenigstens was. Kurz gewunken, dann das Ziel in Sicht. 3:38 zeigte die Uhr an. Der Zieleinlauf verlief (im Gegensatz zum letzten Jahr) nicht emotional, sondern eher nüchtern kontrolliert… „Nicht stehen bleiben im Ziel“, steht in den ganzen Ratgebern…. „noch ein paar Schritte traben oder wenigstens gehen“… ist besser für den Kreislauf bla bla bla. An so nen Scheiß dachte ich. Während ich tot auf dem Kunstrasen lag…. Als ich langsam wieder lebendig wurde, noch zum Weißbierstand. Hab nen Becher bekommen der zu 120 % aus Schaum bestand. Soll ich mich jetzt echt nochmal anstellen? Drauf geschissen… Ab die Treppen hoch und nach Hause…
Im Auto ging es mir dann echt übel. Schüttelfrost, kalter Schweiß, Übelkeit…. Meine Frau machte sich echt Sorgen. Wo ist der nächste Parkplatz? FAHR RAUS! Was dann abging will ich nicht wieder geben… habe ich ja schon angedeutet. Das ganze dann auf dem nächsten Prakplatz wiederholt und irgendwann endlich zuhause angekommen. Ab unter die Dusche. Danach ging es mir besser. Erstmal ein riesen Stück Käsekuchen verdrückt. Gleich noch eins… und Abends ne Pizza. Alles war wieder bestens.
Gestern 5 km ausgelaufen. Muskelkater? Ja. Schmerzen oder dergleichen? NULL. Treppen rückwärts runter? Quatsch…
Jetzt ist Dienstag und ich kann alles immer noch nicht wirklich einschätzen. Soll ich mich freuen? Über eine 3:36? Bei den Vorleistungen? Oder kann ich einfach kein Marathon? Für meine Kollegen und meine Familie bin ich der Held, die wissen aber auch nicht was der Unterschied zwischen einem HM in 1:33 und einem Marathon in 3:36 ist… Naja. Mein letzter wars sicher nicht. Auch wenn ich das bei KM 38 mal kurz dachte…
Vielen Dank für Eure Glückwünsche!
PS. Glückwunsch und danke für Deinen Bericht @Dromeus. So möcht ich das auch mal hinbekommen.
It ain't about how hard you hit, it's about how you can get hit and keep moving forward.
- Rocky Balboa -