Der Rennsteig, der Kultlauf in Deutschland schlechthin. So viele zieht es jedes Jahr dahin. Für manche ist der SM der einzige Ultralauf des Jahres. Das war auch dieses Jahr wieder Thema mehrerer Gespräche. Was macht ihn aus? Es gibt schönere Läufe, mit mehr Trailanteil, mehr über Stock und Stein, Läufe mit viel mehr Ausblicken in die Landschaft. Der Rennsteig ist ein Kammweg und dieser ist allermeist bewaldet, man hat nicht oft Ausblicke in die Ferne oder malerische Täler. Kyrill hat vor Jahren einige Schneisen geschlagen die jetzt zwar oft neu bepflanzt sind aber noch lange Brauchen, um richtig bewaldet zu sein. Was macht diesen Lauf also so kultig? Es ist nicht nur der Lauf, es ist das Gesamtpaket, so waren wir uns einig. Der Lauf beginnt am Freitag mit den Kloßpartys in den drei Startorten: Oberhof der Halbmarathon (was gibs da eigentlich dazu?) Neuhaus am Rennsteig für den Marathon. Dort gibs zu den Klößen Rinderroulade und Rotkraut und in Eisenach, wo der Supermarathon (auch so eine einzigartige Bezeichnung) gestartet wird, gibs Gullasch und Rotkraut zu den Klößen. Und man kann Nachschlag holen, wenn man nicht satt geworden ist! Zu dem Paket kommt die jahrelange Tradition und Erfahrung des Veranstalters. Selten, dass es was zu meckern gibt. Viele Thüringer Sportvereine sind als Helfer an den Verpflegungspunkten eingebunden. Viele freiwillige Helfer der Thüringer Bergwacht sind im Einsatz für uns Läufer. Die vielen Polizisten, die die Straßenüberquerungen absperren nicht zu vergessen und die haben uns auch noch applaudiert. Die Verpflegung ist beim Rennsteiglauf natürlich auch hervorragend und viele Veranstalter ähnlicher Läufe müssen sich daran messen lassen. Legendär der Haferschleim, der an jedem VP eine andere Geschmacksrichtung hat. Ich weiß den immer sehr zu schätzen! Und nicht zuletzt die grandiose Party im Schmiedefelder Festzelt ab 18 Uhr. Was da abgeht, sucht seinesgleichen. Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass von den Teilnehmern 99% Sportler und teilweise stocknüchtern sind (ja so mancher Läufer trinkt keinen Alkohol

). Bierzeltfete auf der Wiesn mit 5 Liter Bier intus kann jeder

Und auch die Atmosphäre auf dem Zeltplatz ist toll, schon anders als auf "normalen" Zeltplätzen. Es gibt sicher noch einiges mehr, was mir gerade nicht einfällt. Auf jeden Fall bin auch ich ein Jünger des Rennsteiges und so ich kann (also gesund und verletzungsfrei bin), werde ich mich jedes Jahr von Eisenach auf den Weg nach Schmiedefeld machen.
Nun aber genug der Vorrede, der allgemeinen. Nun kommt die spezielle
Letztes Jahr habe ich beschlossen, dass ich nicht noch einmal mit Zelt nach Schmiedefeld fahren will. Normale Quartiere zu bekommen ist nahezu unmöglich. Das Rennsteigwochenende ist in Schmiedefeld und näherer Umgebung traditionell alles ausgebucht. Ich bekam von Elke Weisener das Angebot, im Quartier ihres Lauftreffs Falkensee mit übernachten zu können. Feine Sache. Als sich herausstellte, dass Ulrike und Tim aus dem SCC-Forum zelten werden, da wollte ich es doch noch einmal wagen. So bin ich nicht alleine. Und ich hatte Vertrauen, dass es nicht das dritte Jahr in Folge regnen würde. Allerdings werde ich im Alter bequem und mietete mir ein Auto, so hatte ich wenigstens keine Schlepperei und konnte soviel mitnehmen, wie ich wollte. Gut, dass ich das Auto schon rechtzeitig reservierte, denn nach Beginn des Lokführerstreiks waren sicher alle günstigen Autos weg. Der Streik stellte mich vor das nächste Problem. Die letzten Teilnahmen am Rennsteiglauf fuhr ich immer nach Schmiedefeld, stellte dort das Zelt auf und fuhr anschließend mit Bus und Bahn nach Eisenach. Dort wird im Gymnasium eine Massenunterkunft angeboten. In der Turnhalle und allen Klassenzimmern kann man es sich mit Isomatte und Schlafsack bequem machen. In einem Klassenzimmer bieten die Schüler Schmalzstullen und andere Leckereien und natürlich auch Bier an und dort kann man mit alten und neuen Bekannten noch schön klönen und den Abend verbringen. Vorher natürlich Startnummer abholen und die Kloßparty genießen. Dies alles musste dieses Jahr ausfallen. Das Risiko, in Suhl hängen zu bleiben, weil wegen des Streikes keine Regionalbahn fährt, war mir zu groß. Also musste ich das erste mal die Busse vom Veranstalter, die uns nach Eisenach bringen sollten, nutzen. Abfahrt 3:30 Uhr! Das bedeutete 2:30...2:45 aufstehen. Ohne Frühstück und Kaffee! Begeistert war ich von der Vorstellung nicht, aber es half alles Jammern nüscht. Noch in Berlin schmierte ich mir Klappstullen, um sie auf der Fahrt im Bus zu verspeisen. Und nahm noch eine Schüssel Müsli und Milch mit. Auf dem Eisenacher Marktplatz, wo auch der Start ist, steht das Zelt für die Kloßparty und in dem kann man sich morgens noch umziehen und für den Lauf fertig machen. Gerade bei schlechtem Wetter eine nützliche Angelegenheit. Und dort wollte ich das Müßli schlabbern. Viele haben damit ja Probleme, mir dagegen bekommt Hafer nebst Milch vor einem Lauf bestens und macht mich satt.
Das waren die Vorbedingungen. Nach kurzer Nacht nach der letzten Nachtschicht holte ich mein Auto von der Vermietung. Alles eingeladen, noch einen Kaffee geschlürft und dann fuhr ich frohen Mutes los. Die Autobahn war lange sehr wenig besucht und ich konnte gut Gas geben. Dann, nach Bitterfeld fur ich an einem lichterloh brennenden UPS-Lieferwagen vorbei und es gab noch keine Beeinträchtigungen des Verkehrs. Keine halbe Stunde später kam im Verkehrsfunk die Meldung, dass wegen Löscharbeiten die Autobahn komplett gesperrt ist. Glück gehabt! So kam ich recht früh und angenehm in Schmiedefeld an. Bekam einen Platz zugewiesen und stellte flink mein Zelt auf. Ich wollte mich mit Tim auf dem Zeltplatz treffen aber er hatte Verzögerungen, unter anderem auch der Stau, wegen des Fahrzeugbrandes. Ich machte mich auf den Weg zum Hotel Endspurt, in dem ich mit den Radiergummis zu Abend speisen wollte. Das ging natürlich nicht ab, ohne auf dem Zeltplatz Bekannte zu treffen. Auch bei den LäuferInnen von Hupsis Lauftreff schaute ich kurz vorbei. Hach ist das schön! Dann latschte ich zu dem Hotel. Nett war es und sehr lecker. Neben den Radiergummis waren auch Lauffreunde vom Lauftreff Falkensee dabei. Eine tolle Runde. Tim kam auch noch rechtzeitig in Schmiedefeld an, um sich zu uns zu gesellen und genügend zu speisen. Tim wollte aufgrund Trainingsmangels, den Marathon laufen, konnte also am nächsten Tag regelrecht ausschlafen. Der Start des Marathons in Neuhaus ist erst um Neun. Wieder zurück auf dem Zeltplatz checkte ich noch letzte Nachrichten und just da erwischte mich Karsten aus dem SCC-Forum noch und wir hielten noch ein kleines Pläuschchen. Und dann aber flink ins Zelt und eine Mütze schlaf nehmen. Kaum lag ich, dann das: Tropf! Tropf tropf tropf!!! Und immer mehr. Es fing an zu regnen! AAAAAaaaaarrgghhhh. Nicht schon wieder! Aber vom Jammern ging das natürlich auch nicht weg. Da ich mein Händy-Wecker nicht überhören wollte, steckte ich mir keine Stöppsel ins Ohr. Mit der Folge, dass ziemlich schlecht schlief.
Den Wecker hörte ich natürlich. Kein Wunder, so flach wie mein Schlaf war. Aber es regnete nicht mehr. Na wenigstes was! Als erstes überprüfte ich den Regenradar ob da die nächsten Stunden was im Anmarsch sein könnte. Sah nicht so aus, feinchen!

Angezogen und fertig gemacht. Das ging flott, lag ja alles bereit. Nachdem ich los ging, fiel mir glücklicherweise noch rechtzeitig nach ein paar Metern ein, das ich die 10 Euro Fahrgeld für den Bus vergessen hatte

Das wäre wieder ein Spaß geworden *grusel* Die Busse fuhren zahlreich und war einer voll fuhr er ab. Stehplätze waren (noch) nicht vorgesehen. Ich hab aber noch nie gehört, dass jemand nicht nach Eisenach kam. Anderthalb Stunden Fahrt standen uns bevor, erst meine Stullen essen und dann noch ein Nickerchen machen. Da hatte ich die Rechnung ohne die zwei Trottel eine Reihe hinter mir gemacht. Die haben doch komplett die ganze Fahrt ohne Luft zu holen gesabbelt. Über Gott und die Welt, ihr Boot und den Steg, den sie gekauft haben und wat nich noch für einen Scheiß. So oft mir der Sinn danach stand, sie um Ruhe zu beten, ich war mir sicher, dass die das keine 5 Minuten ausgehalten hätten. Die gehören zu dem Menschenschlag, die sofort tod umfallen, wenn sie nicht pro Minute ihre geforderte Anzahl Worte von sich gegen. Und da ich weiß, dass ich mich dann um so mehr geärgert hätte, wenn sie trotz Bitte weiter gesabbelt hätten hab ich es lieber gleich gelassen.
Wir waren noch vor 5 Uhr in Eisenach und das war ja mal sehr angenehm früh. So konnte überhaupt keine Hektik aufkommen. Die Startnummer schnell abgeholt und dann in das Zelt begeben und mich fertig gemacht. Es war nicht gerade kalt und so konnte ich meine Sachen fertig einpacken und abgeben und dann warten, was so alles passiert. Bekannte und Freunde treffen, der "Rumlaeuufer" aus dem RW-Forum erkannte mich und so konnten wir uns begrüßen und uns alles Gute wünschen, und schön rumstehen und sabbeln und Freude haben. Am Rennsteig trifft sich Hinz und Kunz der Ultraszene und es ist eine Freude

Und so vergeht die Zeit bis zum Start im Fluge. Ulrike fand uns auch, wir hatten ja ausgemacht, dass wir wie vor zwei Jahren gemeinsam laufen wollte. Das sollte also wieder ein sehr angenehmes und kurzweiliges Läufchen werden.
Wie immer ist der Start in Eisenach relativ unspektakulär. Es ist um sechs, kaum jemand hat den Startschuss gehört und dann setzt sich das Feld in Bewegung und es geht los. In Neuhaus am Rennweg beim Marathon-Start ist es da mit dem Schneewalzer schon was Anderes. Wir laufen durch die Einkaufsmeile und dort machen für diese Zeit schon ne Menge Leute Rabbatz. Da kommt Freude auf, tolle Stimmung allerseits. Dann durch das Stadttor, das dieses Jahr eingerüstet ist und renoviert wird. Es kommt aber nicht zum Stau. Zumindest bei uns nicht. Rechtskurve und schon geht es in den ersten Anstieg. Die Beine sind locker, alles ist fluffig aber die Vernunft sagt mir: hier musst du gehen! Es gibt nicht wenige Läufer, die auch heftigere Anstiege noch irgendwie hoppeln nur weil sie nicht gehen wollen oder können. Dabei sind sie nicht viel, oder manchmal auch gar nicht, schneller als Geher aber benötigen doch mehr Energie dafür. Nun, jedem wie es ihm gefällt. Dann geht es auf die Serpentinen, raus und über die Stadt. Ich vermisse das gespannte Band mit dutzenden Startnummern vergangener Rennsteigläufe. Wo ist das hin? Was ist mit dem Läufer, dem die Startnummern gehören? Oder hab ich das übersehen? *grübel* Auf den Serpentinen verfalle ich immer wieder ins Gehen, das ist besser so. Ich will heute nichts reißen. Genießen und Trainingslauf in einem.
Bei Kilometer 2, doch eher als ich dachte (das Gedächtnis spielte mir mal wieder einen Streich), kamen wir in den bekannten Stau, da sich am Linksknick die Strecke verengt. Aber wir waren nur kurz am stauen und das verwunderte mich etwas, da waren wir beim Start doch etwas weiter vorn als beim letzten mal. Dann lief sich das fluffig ein, ein letzter Blick links auf Eisenach und alles war fein. Auf und ab, mal die leichteren Anstiege weiter laufen und die steileren gehen. Bergab etwas Tempo aufnehmen. Dem Fahrgestell geht es bestens. Ulrike und ich, wir finden uns gut rein, sie ist eine sehr flotte Geherin an den Anstiegen, da kann ich ihr nicht folgen. Kommen wir wieder ins Laufen, bin ich schnell wieder bei ihr. Auch nach der ersten Pinkelpause. Das läuft alles wunderbar und der Spaß ist ganz bei uns. Nach einer dreiviertel Stunde eröffnet sich der Blick auf die Wartburg - das Wahrzeichen Eisenachs und Namensgeber einer DDR-Automarke. Auch dafür sind wir am Rennsteig. Nicht nur laufen, auch die Gegend und die Ausblicke genießen. Wenn sie sich bieten.
Etwa bei Kilometer 7, nähe "Hohe Sonne" wo wir auf den Rennsteig treffen werden, kommen wir an den ersten VP. Ein ordentlicher Schluck Wasser tut gut. Was noch angenehmer war: ein Stück Apfel. Im Buss hatte ich ja nur Stulle mit Salami und Schinken. Da war der fruchtige Apfel sehr lecker im Mund. Richtig schön fand ich es kurze Zeit später, es war noch vor 7 Uhr, da standen eine Menge Leute im Wald und feuerten uns an und klatschten. Das ist mal richtig schön! Das wir bekloppt sind, uns so früh wegens der Lauferei aus den Federn zu quälen, ist klar. Aber die Leute stehen um die Zeit da und machen für uns Radau. Nach etwa anderthalb Stunden kommen wir bei Ruhla an den ersten großen Verpflegungspunkt. Natürlich nehme ich mir Schmalzstullen, so wie sich das gehört. Und was noch wichtiger ist: Der Haferschleim. Den liebe ich! Der ist lecker und der tut gut und sättigt, wie kaum was Anderes. Was mir dieses Jahr (mal wieder?) besonders auffiel ist, dass die meisten Verpflegungen in Tälern sind und gleich darauf wieder Anstiege sind. Das ist für die Versorger der VPs natürlich sehr günstig, da sie da gut mit Fahrzeugen hinkommen. Für uns Läufer ist es ebenfalls prima, da man sich das Futter und den letzten Becher mitnehmen kann. Die Anstiege sind in meinem Tempobereich eh nur gehend zu bewältigen und da kann man dabei noch weiter futtern und trinken.
Nach fast drei Stunden hab ich dann Ulrike verloren. Erst kam ein Anstieg, bei dem sie wieder flink vorgestiefelt ist. Als ich dann wieder etwas an ihr ran war, ging ich schnell noch einmal in den Busch und das brachte ihr wieder einen kleinen Vorsprung. Dann sah ich sie erst einmal nicht mehr und stiefelte weiter. Dann kam der obere Beerberg mit dem Ausblick vom Felsen und den wollte ich natürlich nicht auslassen. Foto von da oben ist nun einmal Tradition bei mir. Ich wusste nicht mehr, wo ist sie, wie weit ist sie vor mir. Soll ich noch beschleunigen? Dagegen sprach, dass es weiterhin aufwärts ging und ich da nichts zusetzen kann. Ich wusste auch nicht, wieviel Rückstand ich nun zu ihr habe. Also lies ich es dabei. Später erfuhr ich, dass sie am VP Grenzwiese nach dem Abstieg vom Inselsberg ein paar Minuten auf mich gewartet hatte. Hat aber nicht gereicht, da ich bereits bei Kilometer 25,5 auf dem Inselsberg über 5 Minuten Rückstand hatte. Und dann kam noch der Abstieg hinzu. Am Ende war das ganz gut, sie war so gut drauf, ich hätte sie nur unnötig gebremst und das wäre schade gewesen. Sie finishte in 9:29:53 also gaaanz weit vor mir.
Ich hab mal die letzten Teilnamen und meine Zeiten zu Beginn verglichen. Ich war etwa zwei Minuten schneller bei Kilometer 20 als bei meiner Bestzeit 2010 (9:25:03) und das war für den Plan, nur etwas unter 10 Stunden zu laufen, eindeutig zu schnell. Bei meinen körperlichen Vorbedingungen erst recht. Die restlichen Kilometer zum Inselsberg hinauf wurde ich schon viel langsamer, mir fehlte jetzt schon der nötige Biss, bei den Anstiegen gut zu gehen und vor allem an den Gefälleabschnitten Tempo zu machen. Der immer wieder gefürchtete Abstieg vom Inselsberg gab mir dann den Rest. So langsam bin ich hier noch nie runter, Schritt für Schritt, kein Gedanke an etwas Rennen. Und sie ließen auch nicht lange auf sich warten: Schmerzen an der Kniescheibe, erst links (das war nicht überraschend) dann auch noch rechts. Dass die Oberschenkel brennen fand ich zwar normal, aber auch das nervte mich. Dabei war der Asphaltweg dieses Jahr so gut zu belaufen. Wenn der feucht und rutschig ist, dann wird es böse. Nun denn, ich kam an der Grenzwiese an und freute mich auf die zweite Portion Schleim und eine gute Schmalzstulle. Los marschiert und den Tee noch ausgetrunken und dann ging es erst einmal wieder an den nächsten Anstieg.
Irgendwie hatte ich das Schmalz noch lange als Nachgeschmack im Mund. Das fand ich doof. War aber nicht zu ändern. Aber auch sonst verlies mich nun die Lust. Die Anstiege stiefelte ich nun eher gemütlich. Ich lief aber schon noch rasch wieder an, wenn es ebener wurde oder bergab ging. Die Steileren Abstiege mochte ich aber auch so gar nicht mehr. War da übervorsichtig. Das wäre es noch gewesen, da auf die Fresse fliegen. Aber davon blieb ich verschont. Keine einzige Unsicherheit im Tritt hatte ich oder dass ich mal gestolpert wäre. Meine noch neuen Adidas-Trailschuhe, die ich auf dem ersten Ultra an hatte, waren goldrichtig. Ich fühlte mich sehr wohl in ihnen. Mögen sie mir noch lange treue Dienste leisten. Ansonsten plätscherte sich das Gelaufe so dahin. Die Knie beruhigten sich und nur die Adduktoren nebst Leisten ärgerten mich ein wenig. Und dann noch ein wenig mehr. Auch das kam nicht unerwartet aber das tat auch nicht gerade zur Stimmungserhellung bei.
Auf der Ebertswiese ist Halbzeit! Dort ist Stimmung und viele Läufer werden namentlich angesagt. Und hier gibt es Wiener Würste mit Senf/Ketchup und Weißbrot. Immer aß ich hier genügend davon. Außer am Samstag. Ich hatte absolut keinen Apettit, im Gegentum ich befürchtete eher noch, dass sie mir nicht bekommen würden. Das war schon seltsam. Die Heidelbeersuppe hab ich natürlich gesüffelt. Die ist lecker. Ich setzte mich gemütlich an einen Tisch, schlabberte und schaute mir das Treiben an. Zwei Wandersläute, die an der offiziellen Wanderung teil nahmen, hatten ein 5-Liter-Fässchen Früh Kölsch dabei und boten mir davon an. Hab ich abgelehnt! Ich wunderte mich selbst. Ich hatte keinerlei Bock auf Bier. Naja ich blieb dann auch nicht lange sitzen und trottete dann weiter. Etwa zwei Kilometer später lief Silke auf mich auf. Sie war gut gelaunt und bestens unterwegs auf ihrem letzten Langen Lauf vor dem Baltic Nonstop. Das Zeitziel von 10 Stunden hat sie fast punktgenau getroffen. Ich lies sie dann auch ziehen und machte gemütlich weiter mein Ding.
Ein Stückchen weiter, bei Kilometer 41 auf meiner Uhr lief ich an einem kleinen Imbiss vorbei und ich las auf der Tafel Rostbratwurst! Ich lief noch ein paar Meter weiter und dann fiel der Entschluss. Ist doch eh heute egal und eine Bratwurst geht immer. Ich zurück gelaufen und mir diese gekauft. Und natürlich dazu ne kleine Flasche Bier. Wenn schon denn schon. So schnell ändern sich die Geschmäcker auf einem Lauf. Die Wurst war guuut und das Bier nicht minder. Das baute mich schon wieder etwas auf. Eine junge Frau kam auch an den Imbiss-Stand. Ich hatte sie und noch ein paar Freunde ein paar Meter zuvor an der Strecke gesehen. Und sie hatte eine Hantel auf dem Shirt. Da musste ich sie fragen, was das bedeutete. Sie meinte, sie trainiert in einer Kraftsportgruppe. Ich meinte zu ihr, dass mir die Hantel auffiel, da ich in der Jugend Gewichtheber war. Sagte sie "Mein Vater auch, hat beim TSC Berlin trainiert." Sagte ich, das ich beim SCK (Karl-Marx-Stadt) war und wir lachten uns einen, wie klein die Welt doch sei.
Nachdem ich die Wurst verspeist und das Bierchen ausgetrunken hatte, juckelte ich weiter. Klar, die Beine brauchten nach der längeren Sitzung schon etwas, um wieder in die Gänge zu kommen. Aber ansonsten ging es mir wieder ganz gut, war fast schon wieder voller Elan. Okay, nur fast, es ging an den nächsten Anstieg und auch der zog sich. Ja diese wollten heute kein Ende nehmen. Und das Anlaufen fiel dann auch immer schwerer. Beim nächsten VP traf ich Anne und Andre, wir kennen uns auch schon viele Jahre und mindesten am Rennsteig sehen wir uns wieder. Ihnen ging es auch nicht besonders, das Training war von Verletzungen überschattet und es fehlte einfach die nötige Vorbereitung. Beide wollten am Grenzadler bei Kilometer 54,7 aussteigen. Das gefiel mir natürlich nicht, viel lieber hätte ich es gesehen, wenn auch sie durchlaufen hätten können. Naja, ein von Beginn an geplanter Ausstieg ist noch ein wenig anders, als wenn man gut in den Lauf geht und dann einbricht und abbrechen muss. Auch wenn es eine offizielle Wertung nebst Medaille gibt, es ist dennoch ein DNF. Allerdings hat mich der Gedanke davor auch schon beschäftigt und nun, nach unserem Gespräch die nächsten Kilometer immer mehr und manchen Kilometer permanent. Erschwerend kam hinzu, dass mir seit dem Start permanent kalt war. Recht schnell war mein Shirt nass geschwitzt und kühlte, was gar nicht nötig gewesen war. Der leichte Wind war auch auf der Haut sehr unangenehm. War das die ersten Stunden nicht so schlimm wurde mir später schon richtig kalt. Ich fand nicht in ein Tempo, wo ich mal etwas Wärme aufbauen konnte. Das trug also auch nicht unbedingt dazu bei, die Lust am Laufen zu heben. Und als letztes nervendes Element kam hinzu, dass ich müde wurde. Der Schlafmangel machte sich bemerkbar. Beim Gehen schloss ich manch mal die Augen kurz und das tat gut. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich mich am liebsten hinlegen könnte um eine Runde zu ratzen. Dagegen sprach die Kälte. Also alles Mist. Wenn ich am Grenzadler aussteige, dann käme ich ins Warme und könnte ein Nickerchen machen. Das war sooo verlockend! Dagegen sprach natürlich jede Menge: Mir ging es nicht wirklich schlecht. Ich hatte noch genügend Energie. Ich hatte keinen Hunger. Ich hatte keine Verletzung. Auch den Beinen ging es so schlecht nicht: Also alles im Rahmen des Üblichen. Und natürlich das Wichtigste: Es wird nicht aufgegeben, dies ist keine Option!
Und wie so oft in den vergangenen Jahren, wenn solche Gedanken aufkamen, konnte ich mich dazu durchringen, weiter zu laufen. Ich nahm wieder eine Portion Haferschleim und Tee und suchte mir ein Plätzchen im Warmen um mich etwas auszuruhen. Auch wenn die Umbauten am Grenzadler nicht gerade schön sind (für den Tourismus ist das aber schon wichtig) so gab es dadurch ein großes Gebäude, wo wir uns wärmen und setzen konnten. Auch Toiletten gab es nun. Vor 8 Jahren musste ich noch in die "Thüringer Hütte" dazu gehen und Sitzgelegenheiten gab es nur draußen. Etwas ausgeruht und aufgewärmt machte ich mich wieder auf die Socken. Sind doch nur noch 19 Kilometer. Dass das nicht leicht werden würde, war mir klar. Aber dass ich noch über 3 Stunden benötigen würde, war mir da zum Glück noch nicht bewusst.
Und den größten Spaß hatte ich auch noch vor mir! Wir liefen so vor uns hin, wie schon seit Stunden, mal auf mal ab. Meine Gehpausen dehnten sich mittlerweile weiter aus und die Rennphasen verkürzten sich. Durch den oft dichten Baumbestand sah ich das Unheil nicht kommen. Auf einmal rechts von uns ein grollen. Und Donner. Ein Gewitter! Ich rief lauf Scheiße! Ein Läufer hinter mir frug mich, ob das wohl ein Gewitter sei. Ich: "Ja." Er: "Scheiße!"

Einen Rest Hoffnung hat man ja aber nicht viel später fing es an zu nieseln, dann wurde es stärker und ein paar Minuten kam dann guter Platzregen herunter. Und uns erwischte es mitten unterwegs, nirgends eine Unterstellmöglichkeit. Und natürlich war meine gute Regenjacke zu Hause in Berlin. Der Regen hörte glücklicherweise schnell wieder auf aber nun hatten wir einen ziemlichen Temperatursturz. Auf einmal Dampfte es beim Atmen und es war eiskalt auf der Haut. Na Prost Mahlzeit! Noch 12 Kilometer zu laufen, was bei meinem derzeitigen Tempo an die zwei Stunden bedeutete. Das kann heiter werden! Ich war mir in dem Moment sicher, hätte mich der Regen vor dem Grenzadler erwischt, mit großer Wahrscheinlichkeit wäre ich da doch raus. Puh, Glück gehabt.
Komischerweise, ein paar hundert Meter weiter und etwas tiefer und die Temperaturen stiegen merklich. Dadurch war es schon wieder etwas erträglicher. Noch einmal Glück gehabt. Ansonsten änderte sich nicht viel. Die Gehphasen verlängerten sich weiter und die Abschnitte, die ich rennen konnte (und wollte) wurden noch kürzer. Das Anlaufen war auch ganz lustig. Gaaanz langsam fing ich an zu schlurfen um dann weiter und weiter bis zu halbwegs normalem Tempo zu beschleunigen. So richtig schnell wurde ich aber auch nicht. Selbst Bergab blieb es eher gemütlich. Mir war mittlerweile völlig egal, wann ich ins Ziel kommen würde. Ich rechnete auch schon hoch, wie lange es brauchen würde, wenn ich nur noch gehe. Aber ich schaffte es doch immer wieder, ins Laufen zu verfallen. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen und so kam ich auch dem Ziel näher. Den großen Beerberg, den höchste Punkt der Strecke mit 980 Metern erreichte ich und ab nun geht es tendenziell Bergab. Und auch eher nicht so steil. Danach kam der letzte große Verpflegungspunkt an der Schmücke. Hier gibt es immer Brote mit Frischkäse. Normalerweise finde ich die sehr lecker. Bier gibs auch. Auf beides hatte wieder keinen Apettit. Dafür nahm ich einen großen Becher frisch gekochten Haferschleim, der hier vergleichsweise süß war. Den hab ich verschlungen! Das sollte für die letzten Kilometer bis nach Schmiedefeld reichen.
Die letzten Kilometer liefen dann doch gemütlich vor sich hin. Schön ist dann immer wieder, wenn man an den Ski-Hang kommt und den ersten Blick auf Schmiedefeld hat. Das ist dann zwar noch ein kleines Stück bis ins Stadion aber das baut hier dann doch gut auf. Die zwei Helfer der Bergwacht noch nett gegrüßt und mich bei ihnen bedankt und weiter gehoppelt. Einen der beiden werde ich am Sonntag in einer Schänke beim Frühstück (er machte Frühschoppen mit Freunden

) wieder sehen. Welch ein lustiger Zufall. Die letzten Meter waren dann auch kein Problem mehr. Angesichts des nahenden Ziels war meine Stimmung auch wieder gut. Okay, ich war im Großen und Ganzen nicht wirklich schlecht gelaunt gewesen auf der Strecke, hab mich über die Anfeuerungen gefreut und war wie immer lieb zu den Helfern an den VPs. Auch die Wanderer und Anwohner die uns anfeuerten, erfreuten mich immer wieder. Aber ansonsten, nun ja, war es eben nicht so wie sonst. Vor dem Ziel war die Freude dann natürlich doch sehr groß und ich grinste in der Zielgasse breit. Schließlich war ich wieder im schönsten Ziel der Welt. Richtig toll fand ich, dass Beate "Laufschneggä" im Ziel stand und mich in Empfang nahm. Ich hatte es gar nicht mit bekommen, dass sie meinen Zieleinlauf gefilmt hatte. Vielen Dank dafür
Anschließend war es doch nicht so kalt, und ich stellte mich gleich beim Häuslein für die Finishershirts an. Das geht sowieso immer recht flott. Ja, beim Rennsteig gibt es die Finishershirts erst im Ziel, wenn man auch gefinisht hat. Flink noch die Urkunde abgeholt und dann sah ich auch schon Karsten auf dem Rasen sitzen. Er hatte auch zu kämpfen und hat sich klasse durchgebissen und kam kurz nach mir ins Ziel. So konnte wir uns gemeinsam freuen. Und dann wurde mir doch kalt, ich also zur Gepäckwiese und meinen Beutel geholt, mir mein Zielbier geben lassen und zum Auto gelatscht. Ich überlegte noch, ob ich mir nicht noch eine Bratwurst hole, aber dann wollte ich lieber erst einmal duschen und mich warm anziehen. Ich war ja schon sehr froh, dass es im Ziel nicht regnete. Sowas ist am Ende dann doch richtig blöd. Hab ich auch schon zwei mal erlebt. Richtig toll war ja, dass das Duschwasser schön heiß war *juhu* Das tat guuut. Nach dem Duschen ärgerte ich mich noch eine Runde, dass ich nicht genug Geld mitgenommen hatte, es reichte nicht für ein Bier und was zu futtern.

Schön Blöd! Also kaufte ich mir ein mit dick Käse überbackenes Brot und mampfte das auf dem Weg zum Auto.
Da war es schon Sechse durch und die Party im Zelt fing gerade richtig an. Und was machte ich? Ich klappte den Beifahrersitz im Auto nach hinten und machte ein Nickerchen. Ich war sooo müde! Ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf Party. Ignorierte das Händy, das ein paar mal Vibrierte und nickerte einfach weiter. Ich wäre wohl irgendwann aus Bequemlichkeit ins Zelt gekrochen um dort weiter zu schlafen. Bis Ulrike und Tim zum Auto kamen und mich weckten. Sie hatten mich im Festzelt schon vermisst. Da sie nun da waren stieg meine Stimmung doch rasch wieder und ich ging gerne mit ins Zelt. Och ja und dann wurde es wieder ein richtig schöner und lustiger Abend. Vereinskollegas waren da und bei den Hupsis neben der Bühne hatten wir alle viel Spaß. Das Bier schmeckte auch gut, was wollte ich mehr? So fand der Tag doch noch einen schönen Abschluss.
Zwischendurch goss es draußen noch einmal in Strömen und leichte Sorgen kamen auf, wie ich trocken zum Zelt kommen würde. Aber das hielt zum Glück nicht an. Die Nacht schlief ich dann tief und fest und doch recht lange. Ich hatte auch keinerlei Zeitdruck. Der nächste Tag war ein schöner, etwas kühl zwar aber hin und wieder kam auch die Sonne raus. Elli, die ich letztes Jahr in Fürth kennen lernte, entdeckte mich und wir schwätzten noch eine Runde. Danach sah ich Anne und André wieder und da quasselten wir auch noch ein Weilchen. Hach wie schön. Auf dem Heimweg fand ich noch in Schmiedefeld einen Gasthof, bei dem ich noch ein paar Tassen Kaffee nebst leckeren Eierkuchen mit Heidelbeersoße zu mir nehmen konnte. Satt und zufrieden machte ich mich dann auf den Weg nach Blankenhain, Freunden einen Überraschungsbesuch abstatten. Wenn ich schon mal in der Gegend bin, dann ist das doch logisch, dass ich da vorbei fahre. Und die restliche Heimfahrt war auf einer recht leeren Autobahn auch schön rasch abgespult.
Jo und was war das nun mit dem Läufchen? Ich gehe mal davon aus, dass die Hauptursache der Hamburg Marathon zwei Wochen zuvor war. Nach so einer Belastung am Limit dauert es doch etwas länger mit der Regeneration, vor allem wenn es etwas länger dauert. Die ersten 15...20 Kilometer war alles noch top in Ordnung. Der Schlafmangel wird auch eine Rolle gespielt haben. Aber was nicht unwichtig war. Die letzten Monate, eigentlich fast ein Jahr lang, hatte ich keine Wettkämpfe, die schlecht verliefen. Ich war das schlicht nicht mehr gewöhnt, mit Schwierigkeiten umzugehen und da fehlte mir der Biss. Ich war nicht so kraftlos, wie es die Zielzeit ahnen lassen könnte. Ich konnte es nur nicht abrufen, der Kopf war nicht am rechten Fleck. Das war aber eine gute und wichtige Erfahrung und ich denke, das wird mir später bei anderen Läufen helfen.
Gruss Tommi