*Frank* hat geschrieben:
Wenn ich jetzt einfach mal mit eigenen Worten versuche, den Begriff "Laktattoleranz" zu beschreiben, dann ist es eher die Fähigkeit, hohe Laktatkonzentrationen im Blut und die dadurch verursachten Effekte wie Schmerzen in den beanspruchten Muskeln bei möglichst hohem Tempo zu ertragen. Wenn das so richtig ist, dann sind die 15x400m in superschnellem Tempo eben doch eher der Kategorie "Psychologisches Training" zuzuordnen, wie ich es vorher auch schon mal gesagt habe.
Laktattoleranz ist jetzt ganz gut beschrieben, aber auch wenn die Psyche sicher ein Faktor ist, die physischen Effekte sind doch etwas zu deutlich, um das auf die Psychischen zu reduzieren. D. h. nicht nur der Kopf muss die Schmerzen ertragen, auch der Körper muss mit der Laktatkonzentration klarkommen. D. h. es geht um Stoffwechseloptimierung und muskuläres Training.
Laktattoleranz ist also nicht nur mentale härte, auch wenn das eine große Rolle spielt. Da kann ein Läufer mental noch so hart sein, der Körper muss trainiert sein. Du kannst in dem Forum sicher einige Leute finden, die mental stark sind und auf 10km gleich oder schneller als ein Mittelstreckler, die aber über 800 oder 1000m dennoch keine Chance gegen den Mittelstreckler mit der besseren Laktattoleranz bzw mit der besseren Verarbeitung hoher Laktatmengen hätten.
*Frank* hat geschrieben:
Natürlich sehe ich das auch so, dass mit jedem Training egal ob langer/kurzer Dauerlauf, Tempo oder Intervalle alle Systeme (Grundlagenausdauer, anaerobe Schwelle/Tempoausdauer, maximale Sauerstoffaufnahme, Grundschnelligkeit) irgendwo trainiert werden. Auf der anderen Seite hat jedes Training auf eines dieser Systeme einen größeren Effekt als auf die anderen. Ein langer aerober Dauerlauf trainiert eben primär die Grundlagenausdauer, während die anderen Systeme nur einen geringen Trainingsreiz erfahren. Ein Schwellenlauf trainiert primär die Tempoausdauer und hebt die anaerobe Schwelle an.
Schon bei dem "langer aerober Dauerlauf" ist die Sache nicht ganz so einfach, jedenfalls ab einer gewissen Länge. Wenn es nur um Grundlagenausdauer geht, kann ich auch an 2 Tagen je 15k laufen statt an einem 30k. Die 30k und mehr werden gewählt, weil ich bestimmte muskuläre Trainingseffekt und ein Stoffwechseltraining haben möchte, dass ich bei den kürzeren Läufen so nicht bekomme. Dazu kommt die psychische Komponente, die bei 30km auch stärker ist als bei einem 10k Trainingslauf.
Aber nehmen wir mal einen "Standard-Lauf", die klassischen "Brot- und Butter-Einheit" - so 40-50 min easy Running. Da können wir vielleicht sagen, primär geht es um die allgemeine Ausdauer.
Was leider viele Läufer nicht wissen oder verstehen wollen: Wir dürfen nicht den Umkehrschluss machen und denken, bei schnellen Einheiten gebe es keinen positiven Effekt auf die allgemeine Ausdauer. Insbesondere sollte man nicht denken, dass solche Einheiten direkt der Ausdauer schaden. Typische Langstreckler-Tempoeinheiten wie der 40min TDl im 2h-Tempo oder die langen Intervalle sind super für die Ausdauer, bin fast geneigt zu sagen je intensiver, desto besser. Der 40min TDL bringt MEHR für die "Grundlagenausdauer" als der lockere 40min Lauf.
Nur kann ich die Tempoeinheit nicht jeden Tag machen, weil ich mich nicht schnell genug davon erhole. Den 40min easy lauf kann ich sogar oft 2mal am Tag machen mit etwas Gewöhnung
Die Legende, das schnelle Einheiten der Ausdauer abträglich wären, kommt wohl daher, dass man dafür mehr Erholung braucht und bei zu hohem intensiven Training wegen der nötigen Erholung den Umfang so weit reduzieren muss, dass die Ausdauer unter dem reduzierten Umfang leidet, normalerweise nicht aber direkt unter dem intensiven Trainingseinheiten, vor allem, wenn es sich dabei um typische Langstrecklereinheiten wie Langintervalle oder TDl handelt. Mit jeder dieser Einheiten steigt die "Grundlagenausdauer."
*Frank* hat geschrieben:Und genau dahin ging meine einleitende Frage: welches primäre Trainingsziel verfolgt die Einheit 15x400m im 1k-Tempo oder vielleicht sogar noch schneller für den ein oder anderen?
Trainingsziel ist ähnlich Daniels R-pace Einheiten (da geht es längst nicht nur um Technik, siehe weiter unten). R-pace ist etwa 1500/Meilentempo, Greif schreibt 1000- 2000m Tempo, mit R-pace liefe man also im von Greif genannten Bereich.
Greifs Fehler ist, zu denken, dass die längere Trabpause die Einheit für die meisten leicht genug bzw. überhaupt möglich machen würde. Das ist aber nicht so. Der Umfang der Einheit ist in dem Tempo für die meisten nicht zu stemmen, da würden auch noch längere Trabpausen nicht helfen.
Möglicherweise hat sich Greif da etwas verrannt und konzentriert sich zu sehr auf Laktatwerte und berücksichtigt die anderen Ermüdungsfaktoren zu wenig. Er hat afair auch schon Einheiten in deutlcih langsameren Tempo mit extrem langen Pausen versehen, und das mit Laktatwerten begründet - was z. B. bei WDH-Läufen im HM-Tempo vollkommen idiotisch ist, da die Laktatwerte ja in sehr niedrigen Bereichen bleiben.
Eigentlich vermute ich, dass Greif manche Sachen besser weiß - ich will nicht glauben, dass man die A-Trainer-Lizenz mit solchen Wissenslücken bekommt - aber absichtlich nicht die wirklichen Gründe nennt.
Das ist eine seltsame Form der Didaktik, die man leider häufiger bei Trainern und Lehrern findet. Man erklärt nicht tatsächliche Zusammenhänge, sondern nutzt zweifelhafte bis falsche Erklärungen als Motivationshilfe. Hier könnte es z.B. so sein, dass Greif seine "Jünger" dazu bewegen will, das Schwere oder Unmögliche zu versuchen, indem er ihnen suggeriert, es wäre durch die lange Trabpause gut machbar.
Beliebt sind solche Sachen auch im Intervalltraining: "Wenn du die letzte WDH nicht läufst, ist der entscheidende Trainingseffekt dahin" - habe ich das so ähnlich nicht auch schon mal von Greif gelesen? Ist jedenfalls so blöd wie falsch, aber motivierend, das Training komplett durchzuziehen (was aber auch falsch sein und mit einer Verletzung enden kann).
Oft werden pseudo-wissenschaftliche Begründungen eben auch leichter akzeptiert. Einfach irgendwas von Laktat oder Fettverbrennung brabbeln, und schon laufen Leute Einheiten, dies sie sonst nicht machen würden.
*Frank* hat geschrieben:Meine Vermutung war Grundschnelligkeit. Dafür würde aber auch etwas geringeres Tempo ausreichen.
Der Begriff Grundschnelligkeit wird von Langstrecklern leider oft falsch verwendet. Grundschnelligkeit bedeutet eigentlich Höchstgeschwindigkeit, also Kurzsprintfähigkeit. Um die zu trainieren, müsste man also erheblicher schneller laufen, nicht langsamer. Du meinst eher sowass wie "Unterdistanztempo steigern", und das ist natürlich ein Zweck der Einheit.
*Frank* hat geschrieben:Wenn ich jetzt Laktattoleranz´(= mentale Härte) hinzunehme, ist das eben ein typisches Greif-Training, bei dem er aus meiner Sicht unnötigerweise ein erhöhtes Verletzungsrisiko in Kauf nimmt.
Laktatoleranz bitte nicht auf mentale Härte reduzieren (s. o. )
Da Daniels hier schon erwähnt wurde, muss ich fairerweise sagen, dass ich das, was in einigen seine Pläne als erste R-pace -Einheit nach Phase I kommt, auch viel zu heftig finde. Wenn ich 6 Wochen mit easy running und strides verbracht habe, laufe ich sicher nicht 4000 oder gar 4800m R-pace (5-15k Plan) beim ersten Bahntraining. Dass ich easy Pace auf dem Mittelfuß mache und R-pace auf dem Vorfuß, kommt noch dazu, ein Muskelkater wäre garantiert - eventuell schlimmeres (Verletzung), denn auch die Gewöhnung an die Bahn fehlt noch. Besser wäre es imo entweder mit weniger Reps anfangen oder schon vorher die Strides zu Reps mit weniger Gesamtumfang ausbauen, um da gut reinzukommen.
Wenigstens gibt Daniels ein paar mehr Erklärungen zu seinen Wdh-Läufen (Repetitions), so dass man sich die Pausen z. B. anpassen kann, aber auch die Erklärungen sind mir auch nicht ausführlich genug, und dadurch entstehen mißverständnisse.
*Frank* hat geschrieben: Wenn es wie bei den Daniels R Pace-Einheiten die Schulung der Technik ist, reicht es vermutlich auch etwas langsamer, also R Pace von Daniels. Lauf-ABC erreicht möglicherweise denselben Effekt ohne das überzogene Tempo dieser Einheiten, insbesondere für Leute, die primär Marathon trainieren. Und wie du schon sagst, Chris, völlige Erholung zwischen den einzelnen Wiederholungen ist wie bei Daniels Voraussetzung, um das Ziel zu erreichen.
Das primäre Ziel von R-Pace Einheiten und ahnlichen WDh-Läufen ist NICHT das Schulen der Technik, selbst wenn Daniels das irgendwo behaupten sollte - ich lese ihn da aber anders. Für Technik-Schulung brauchst du keine 400 oder 800m R-pace am Stück. Es geht um Biomechanik, speziell neuromuskuläre Effekte, Kraftausdauer, Laufökonomie, Aerobe Ausdauer (r-pace ist etwa 80-85% AEROB!). Damit du diese Ziele erreichst, sollst du die Dinger mit "vollständiger Erholung" und guter Technik laufen.
"Vollständige" Erholung ist natürlich eine mißverständliche Ausdrucksweise, die vor allem dazu dient, Wiederholungsläufe von Intervalltraining abzugrenzen. Selbst wenn der Puls in der Pause auf Joggingpuls und das Laktat auch auf Joggingwerte sinken sollte, hast du natürlich keine vollständige muskuläre Erholung - sonst könnte man ja eben einfach hingehen und 25*400 mit langen Pausen laufen, sonst wäre Greifs Einheit leichter zu laufen.
Beim Intervalltraining geht es um eine eindeutig unvollständige Erholung mit dem Ziel, im Schnitt bei jeder folgenden WDH einen höheren Puls zu haben. Das ist bei den WDH anders, aber dennoch stellt sich natürlich gerade bei längeren Programmen gegen Ende eine deutliche Ermüdung ein. Nicht nur Laktat mach schwere Beine!
Wenn es nur um Technik-Schulung geht - klar kannst du Lauf ABC machen (auch da ist aber die Kraftausdauerkomponente je nach Gestaltung vorhanden) oder deutlich kürzere Abschnitte laufen (max. 150m). Dafür brauchts du keine 400er, 400er sind dafür zu ermüdend.
Man sollte Daniels nicht auf solche primitiven Phrasen reduzieren wie:
- Vo2Max Tempo ist für Vo2max
- Schwellenläufe sind "fürs Laktat"
- Repetitions (wdh-Läufe) sind für die Technik
Damit tut man Daniels unrecht und vor allem verstellt man sich u. U. den Blick auf die etwas komplexere Beschaffenheit des Laufsports.
Z. B.: Das wichtigste Training für die Laktatverarbeitung bei einem 3000/5000m Läufer sind nämlich nicht t-pace Läufe, sondern I-pace. Weil es eben auf diesen kurzen Langstrecken um viel höhere Laktatkonzentration geht als beim Stundenlauftempo.
Insbesondere sollte man sich von dem Gedanken geben, dass es ein "magisches" Tempo gibt, das für alle gut ist und super effektives Training ermöglicht.
Wenn man genauer hinsieht, ist i-pace ein reicht weiter Bereich, T-pace deckt unterschiedliche TDL -Bereiche ab, und auch Bereiche, die ein Daniels nicht konkret in die Pläne schreibt, haben ihren Sinn und Trainingseffekt. Wenn man genauer hinsieht, ist alles, was viel Form bringt, auch relativ anstrengend, es gilt herauszufinden, was für ein spezielels INDIVIDUUM die beste Nutzen (Trainingseffekt)/Kosten Relation (Ermüdung, nötige Erholung nach der Einheit) hat. Das hängt stark von individuellen Stärken und Schwächen ab, nicht nur physischer Art.
Es gibt auch eigentlich kein "No Man's Land training", wie es
mcmillan (rechts ein kleiner Kasten, insgesamt sehr lesenswerter Artikel) oder Daniels andeuten. Gerade der Bereich rund ums MRT, den Mcmillan und Daniels außerhalb vom Marathontraining eher meiden, ist imo sehr wertvoll, für viele Mittel- und Langstreckler - Lydiard hat das schon klar erkannt.
Es ist schon gut zu wissen, WARUM man eine Einheit so läuft, wie man sie läuft - sehr richtig von Daniels, das zu betonen. Aber das WARUM ist meist relativ komplex, es gibt immer mehrere Ziel einer Einheit, und oft lässt sich nicht soo genau sagen, welches das primäre, das wichtigste ist . Daniels macht es sich da vielleicht manchmal etwas zu einfach, öfter sind es aber eher seine Leser. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass sehr viele Einheiten zur Vorbereitung anderer Einheiten dienen: Training, dass dich auf anderes Training vorbereitet, Einheiten erst ermöglicht, die du ohne diese Vorbereitung nicht laufen könntest.
Natürlich sollte man schon wissen, warum man sich außerhalb gewisser Trainingszonen bewegt. Also beispielsweise nicht einfach an einem lockeren Tag Energie verpulvern, weil man 95 % MRT läuft, wenn man die Energie am nächsten Tag für einen TDL braucht - das wäre "misplaced quality".
Sondern stattdessen an einem passenden Tag 95% MRT über 25km laufen, weil 100% zu hart wären und 95% nah genug am Marathontempo und am Marathonstoffwechsel sind, um wertvolle Trainingseffekte zu bringen.
Manchmal finde ich simple "total unwissenschaftliche" Begründungen gut, z. B.: "Du musst das Renntempo üben." Also wird 10k Tempo trainiert, wenn du einen 10er optimal laufen willst, und das ist eben langsamer als i-pace. Und in "das Renntempo üben" steckt eigentlich eine Zusammenfassung vieler Trainingsziele und -effkte (Laufergonomie bei diesem Tempo, Stoffwechseloptimierung ("Laktat"), (Kraft-)Ausdauer, etc) die auch einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.
So, ist lang geworden. Bitte um Entschuldigung für die Abschweifung.
Gruß
C.