Sachgeschichten aus Lillys Leben - Folge 39432:
Nachdem nun fast die Hälfte der Zeit rum ist, dachte ich mir, es könnte nicht schaden, mal einen Zwischenstand offiziell messen zu lassen. Bei der Gelegenheit könnte auch gleich jemand einen Blick auf meinen Trainings- und Ernährungsplan werfen und mir sagen, ob ich so weitermachen kann oder ob was geändert/verbessert werden sollte.
Also ab ins Studio. Mein Spezi war nicht da. Außerdem rennt da ja ein ganzes Team an Trainern rum, jeder mit anderen Fachgebieten. Also durchgestartet ins Büro von "el cheffe", um zu erfragen, bei wem ich am besten einen Termin machen könnte. Ich habe ihm kurz erläutert, was ich grad tue, was mein Ziel ist, was ich will und gefragt, wen er mir für einen kurzen Termin aus seiner Truppe empfehlen kann.
Er zieht einen Bogen raus und erzählt mir, ich solle doch einen Fitness-Check machen.
Ich: Ich brauche keinen Fitness-Check. Ich brauche jemanden, der mich kurz vermisst, einen Blick auf meinen Plan wirft und mir seine Meinung dazu sagt.
Er: Aber der Fitness-Check ist wirklich gut - entwickelt von Dr. Prof. Blalba. Und er ist kostenlos.
Ich: Das ist schön, dass er kostenlos ist, aber das ist nicht das, weswegen ich hier bin.
Er: Ich würde dir trotzdem den Fitness-Check empfehlen. Und wenn er doch kostenlos ist.
*5malige Wiederholungsschleife*
Ich: Es schadet mir ja nicht, wenn er kostenlos ist. Aber du verstehst mich nicht. Wenn ich in den Supermarkt gehe, um Marmelade kaufen und dort drücken sie mir eine kostenlose Waschmittelprobe in die Hand, ist das zwar nett, aber es nützt mir nichts, wenn ich doch eigentlich Marmelade wollte.
Er: Guck ihn dir doch wenigstens mal an.
Ich nehme also den Bogen zur Hand.
Erste Frage: "Sind Sie in der Lage, alltägliche Bewegungen durchzuführen (z.B. Wäschekorb heben, Schuhe binden, Fenster putzen)?"
Ich lege den Bogen aus der Hand, schüttel den Kopf und erzähle ihm zwei drei Sätze von mir. Ich bin zwar keine Profisportlerin, aber wenn er hört, dass ich dieses Jahr einen Marathon gelaufen bin, dazu mehrmals Läufe oberhalb der Marathondistanz, einen Triathlon, mehrere Rennradtouren über 100km bis 200km, dann sieht er vielleicht ein, dass ich nicht die richtige für diesen Fitness-Wäschekorb-Check bin.
Er: Ja gut, die eine Frage, da wirst du bestimmt keine Probleme haben. Aber wichtig ist doch auch die Kraft in der Körpermitte, sonstige Schwachstellen, Dysbalancen, die Probleme im Alltag verursachen können, etc. Oder auch seelische Probleme, Stressfaktoren im Leben, etc.
Ich: Wenn ich 61km ohne Probleme laufen kann, habe ich bestimmt keine so akuten schlimmen Schwachstellen oder Dysbalancen, die mir beim Fenster putzen Probleme machen oder die wir hier angehen müssten. Und wenn ich seelische Probleme habe, würde ich einen Psychologen aufsuchen und kein Fitness-Studio.
*5malige Wiederholungsschleife*
Ich: Wenn du so weitermachst, brauch ich nachher wirklich noch einen Psychologen...
Er: Lies es dir doch wenigstens durch.
Ich:*am Rande der Verzweiflung und am Ende meiner Kräfte*: Okay. Gib her.
Frage 2: Haben Sie Probleme beim Treppensteigen? Oder wenn Sie z.B. zum Bus laufen? Kommen Sie dabei aus der Puste?
Weitere Fragen: Haben Sie Rückenschmerzen? Sonstige Schmerzen? Krankheiten? Haben Sie Kinder? Wie hoch ist der Stresslevel in Ihrem Leben? Haben/Machen Sie sich oft Sorgen um etwas?
Ich: Da fehlt eine wichtige Frage.
Er: ?
Ich: Gibt es ignorante Menschen in Ihrem Leben, die Ihnen einfach nicht zuhören?
Herrschaften, der konnte froh sein, dass ich so ein ruhiger, überaus geduldiger Mensch bin. Er hat es einfach nicht verstanden. Grad, als ich völlig genervt mit "vergiss es" aus dem Büro stampfe, kommt mein Spezi zur Tür rein.
Ich: *fingerzeig Richtung Büro* Was hältst du eigentlich von eurem Chef? Der ist ja ziemlich auf Standard-Neulingaufnahme gebrieft...
Er: (informiert darüber, was ich grad tue) Hier ist meine Email-Adresse, schick mir deine Excel-Tabelle und deinen Plan, ich schau mir das an und wir treffen uns Samstag.
So muss das, oder? Das ist mein Mann! Kurz und knapp, Faktenlage gecheckt, umsetzungsorientiert, top!
Kurz davor habe ich wirklich über standrechtliche Erschießung nachgedacht und dass man mich aufgrund der Faktenlage doch eigentlich freisprechen müsste..

Ich danke übrigens öfter Gott dafür, dass ich in Deutschland lebe und nicht in den USA, wo so gut wie jeder eine Waffe besitzt. Ich säße längst im Gefängnis.
