32. Haspa Marathon Hamburg 2017
Vorgeschichte
Da ich letztes Jahr in Hamburg nahe an die 3:20 gekommen bin, in Berlin dann Nahe an die 3:15, habe ich dann Anfang des Jahres - halb im Spaß - das Ziel formuliert, die Serie doch einfach fortzuführen und in Hamburg folglich eine 3:10 zu laufen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, so wirklich daran geglaubt habe ich eigentlich nie. Die benötigte Pace von 4:30/min kam mir einfach komplett absurd schnell vor, noch im letzten Sommer habe ich gerade mal einen HM in dem Tempo geschafft und selbst bei meiner 10er Bestzeit war ich nur einige s/km schneller...
Aber frei nach dem Motto "wer nichts wagt, der nichts gewinnt" habe mein Training dann trotzdem voll auf die 3:10 ausgelegt. Trainiert habe ich nach einen Plan angelehnt an den 12 Wochen Plan von Pfitzinger, vom Umfang her ein Mittelding aus der "Up to 55 Miles" und "55 to 70 Miles" Variante. Und zu meiner großen Überraschung lief das Training dann größtenteils wirklich gut, ich habe die aller meisten Einheiten halbwegs geschafft, habe die für mich rekordverdächtigen Umfänge von 77.5 WKM im 12-Wochen-Schnitt gut weggesteckt, habe das erste mal überhaupt eine >100 WKM Woche hingelegt und sogar die Tempoeinheiten, mit denen ich in der Vergangenheit massive Problem hatte, gingen dieses mal richtig gut. Das absolut Highlight war dann der Test-HM vor 6 Wochen: Vollkommen unerwartet habe ich mit 1:30:17 sogar die sub90 nur knapp verpasst. Das war dann auch der Moment, zu dem ich das erste mal daran geglaubt habe, dass eine 3:10 eventuell doch gar nicht mal so unmöglich sein könnte. Einen Rückschlag gab es dann aber eine Woche später, als ich mir wohl eine leichte Zerrung in einer Wade zugezogen habe, die Verletzung dämlicherweise erst noch für eine Woche ignoriert habe und dann letztlich doch für knapp eine Woche pausieren musste. Insgesamt bin aber trotzdem mit einem blauen Auge davon gekommen. Beim Marathon jetzt habe ich von der Wade übrigens gar nichts mehr gemerkt.
Vor dem Start
Angereist nach Hamburg bin ich schon Freitag Mittag. Den Luxus gönne ich mir vor einem Marathon meist, da ich es sehr schätzte am Samstag einen komplett entspannten Tag ohne jeglichen Stress zu haben. Einen letzten lockeren Lauf gab es dann auch noch, der diesmal mit gut 7.5km eventuell ein wenig länger als sinnvoll ausgefallen ist. Aber wenn ich schon mal in Hamburg bin, wollte ich die Chance nicht ungenutzt lassen und wenigstens einmal die berühmt-berüchtigte Alsterrunde laufen... :zunge2:
Da sich beim mittlerweile sechsten Marathon die ganz große Nervosität dann doch nicht mehr einstellt, habe ich die Nacht zum Sonntag sogar ganz gut geschlafen, um 5:30 hat mich der Wecker aus dem Bett geklingelt, um Punkt 6 stand ich beim Frühstückbuffet, aber beim Blick aus dem Fenster stellte sich eine Ernüchterung ein: Bewölkt und nass, aber gut, war nach dem Wetter der Vortage und dem Wetterbericht zu erwarten. Nach langen hin und he, habe ich mich dann letztlich dazu entschlossen, doch ein langarmiges Kompressionsshirt drunter zu ziehen. Wie sich später herausgestellt hat, wohl eine gute Entscheidung.
Gut eine Stunde vor Start bin ich dann auch auf dem Messegelände eingetrudelt. Mit dem Umziehen und der Kleiderbeutelabgabe habe ich mir diesmal richtig Zeit gelassen, zum Einlaufen war dort eh kein Platz, dass Gelände ist kompakt genug um schnell am Startblock zu sein und mein Startblock "D" war klein genug, damit die Positionierung innerhalb des Blocks nicht so entscheidend ist. Also warum groß rumstressen und dann erstmal für 30min in der Kälte stehen? Etwas überrascht war ich dann aber doch, als sich der 3:15 Ballon deutlich
vor mir einsortierten. Es war ja nirgendwo angegeben, für welchen Zeitbereich die Blöcke eigentlich galten und irgendwie dachte ich, dass ich mit meinem 3:10er Ziel eher ans Ende des Blocks gehöre, habe mich da aber scheinbar getäuscht. Aber gut, das verhindert zumindest ein zu schnelles Angehen und 3:15er Läufer sind ja auch nur minimal zu langsam, also halb so wild.
Das Rennen
Direkt nach dem Start wurde es dann natürlich schon ein wenig eng und ich habe einige Sekunden "im Stau" verloren, aber das habe ich bei anderen Rennen schon deutlich schlimmer erlebt. Nach 1-2 km hatte sich das Feld dann auch schon genug entzerrt und ich hatte die verlorenen Sekunden schnell wieder aufgeholt. Deutlich nerviger war da das Wetter: Direkt vor dem Start erzählte der Moderator noch irgendwas davon, dass die Sonne ja gerade durch kommt, aber pünktlich eine Minute nach Start fing es dann zu hageln an?!?

Durch den Hagel zu laufen war schon eine sehr "interessante" Erfahrung, aber wirklich gestört oder gar Zeit gekostet hat das ganze eigentlich nicht, und nach geschätzten 10 Minuten war der Spuk auch schon wieder vorbei. Irgendwann zur Halbzeit gab es dann noch mal etwas Graupelschauer, aber der Rest der Zeit blieb es trocken und teils gab es sogar richtigen Sonnenschein. Etwas mehr gestört hat der Wind, gerade in der zweiten Rennhälfte, aber auch da hatte ich
deutlich schlimmeres erwartet und das ganze dürfte maximal ein paar Sekunden gekostet haben.
Die ersten 5 Kilometer habe ich trotz leichter Steigung meine Pace exakt getroffen. Dann aber kam der Abschnitt der Strecke, den man traditionell zu schnell läuft: Runter zu den Landungsbrücken und dann einige Kilometer eingesäumt von Zuschauermassen die Elbe entlang. Und natürlich war auch ich wieder zu schnell und die meisten Kilometer gingen im Bereich 4:20 - 4:25 weg. An der Stelle war ich innerlich wirklich zerrissen, einerseits wusste ich, dass ich zu schnell bin, aber anderseits war das Tempoüberschuss jetzt auch nicht so riesig. Wenn ich bewusst abgebremst hätte, wäre die Gefahr wohl groß gewesen, dass ich gleich viel zu langsam werde... Und sich bergab zu sehr zu bremsen macht irgendwie auch wenig Sinn, spätestens wenn es wieder bergauf geht, kann man die heraus gelaufene Zeitreserve gut brauchen... Aber anderseits ahnte ich zu den Zeitpunkt schon, dass es wohl noch sehr anstrengend werden wird. Es war zwar schon noch alles im grünen Bereich, aber irgendwie fühlte sich das alles doch einen kleinen Tick zu anstrengend für ~ km10 eines Marathon an.
So ab km15 herum beim Tunnel fing es dann auch endgültig an, etwas zäher zu werden. Im großen und ganzen konnte ich das Zieltempo schon noch halten, aber die abgedrückten Kilometer mit einer 4:3x wurden doch immer häufiger und der gefühlte Abstand der Kilometerschilder wurde auch schon immer größer. Prinzipiell ein ganz normaler Effekt beim Marathon, aber dass das diesmal schon vor der HM Marke begonnen hat, das machte mir dann doch Angst. Einen kleinen Motivationsschub gab dann der Blick auf die Uhr bei der HM Marke: 1:34:04 Ich hatte also fast eine Minute Zeitreserve rausgelaufen und mir wurde klar, dass das mit der 3:10 noch klappen könnte - trotz der sich häufenden 4:3x Kilometer.
Dumm nur, dass kurz nach der HM Marke dann auch der nächste größere Anstieg gekommen ist. Also "größerer Anstieg" ist natürlich relativ, aber mit 22km MRT in den Beinen können einen auch 10 HM pro KM verdammt viel vorkommen...

Jedenfalls kamen dort dann auch die ersten Kilometer nahe der 4:40 zu Stande und mir wurde bewusst, dass so die Minute Reserve schnell auch wieder weg ist und die 3:10 wohl doch nicht zum Selbstläufer wird. Als dann irgendwo so beim km27 rum die schlimmsten Steigungen vorbei waren, kamen dann leider die Abschnitte, bei denen der Wind ganz schön geblasen hat. Wie oben schon geschrieben, eigentlich nicht wirklich dramatisch, aber zu den Zeitpunkt im Rennen hat der Wind dann doch ganz effektiv verhindert, dass ich wieder in ein schnelleres Tempo herein finde oder wenigstens ein wenig regeneriere. Und zu den Zeitpunkt wurden den Beine dann auch langsam
richtig schwer und müde.
Spätestens ab km30 war das ganze eigentlich nur noch ein einziger Kampf mit mir selbst und ich hab mehr als einmal mit den Gedanken gespielt, massiv Tempo rauszunehmen oder sogar ganz aufzugeben.

Irgendwie habe ich es dann aber doch mit Mühe und Not geschafft, mich von jeden nicht Enden wollenden Kilometer zum nächsten durchzukämpfen und irgendwie zu motivieren. Zunächst damit, dass ich diesmal wenigstes etwas länger als in Frankfurt letztes Jahr durchhalten will (Bestzeitversuch abgebrochen bei km32), dann damit das ich mich mit der "Schande" eines Abbruchs hier und beim später geplanten Treffen ja gar nicht erst blicken lassen dürfte

und außerdem mit dem Wissen, dass ohne einen wirklich
ganz massiven Einbruch zumindest eine neue PB auf jeden Fall noch drinnen sein sollte. So ab km35 wurde es dann mit der Selbstmotivation zum Glück wieder etwas leichter, da da dann langsam die "jetzt hast du es wirklich fast geschafft", "nur noch 5km, das ist kürzer als alles was du jemals im Training läufst" etc. Gedankengänge greifen.
Ab km40 hat dann definitiv wieder der Optimismus und die Freude auf das Ziel die Überhand gewonnen, die letzten 2.195km sind ja quasi nur noch eine verlängere Zielgerade. Nur verdammt, da war ja noch was, bei km41 kam dann plötzlich dieser *zenziert* Gorch-Fock-Wall, der mich letzten Jahr schon "gebrochen" hat. Eigentlich sind das auch wieder nur ~10HM auf einen KM, aber zu den Zeitpunkt des Rennens fühlt sich das echt wie der Mount Everest an.

Das wurde dann mit 4:52 auch mein mit Abstand langsamster Kilometer.

Als ich dann geschätzte 200m vor Ende das Ziel gesehen habe, hat es aber doch noch zumindest für einen winzigen Endspurt gereicht und die Uhr stoppe letztlich bei 3:11:05h.
Fazit
Anfangs war ich zwar doch etwas traurig, dass ich die 3:10 recht klar verfehlt habe. Aber die Enttäuschung ist dann schnell der Freude über die Verbesserung der PB um über 4 Minuten gewichen. Und vor allem bin ich extrem stolz darauf, dass ich diesmal - im Gegensatz zu Frankfurt - das ganze mental doch irgendwie bis zum Ende durchgezogen habe. Ich glaube, dieser Schub für's Selbstvertrauen dürfte für mich der größte Gewinn dieses Rennens sein, da der Abbruch in Frankfurt mich mental wohl doch mehr belastet hatte, also ich mir eingestehen wollte.
Körperlich hatte ich das gesamte Rennen über keine akuten Probleme, keine Krämpfe, keine Schmerzen oder sonstige orthopädische Probleme, keinen klaren Hungerast. Auch der Kreislauf hat gut mitgehalten, was sich einerseits an den recht niedrigen Durchschnittspuls von 84% HFmax zeigt und vorallem daran, das der Puls im Laufe des Rennens, analog zur Pace, sogar leicht
gesunken ist.

Das einzige körperliche Problem war wirklich die schwindende Kraft in den Beine.
Nach dem Rennen
Nach dem Rennen im Zielbereich hab ich dann erstmal schnell auf dem Handy ins Forum geschaut und gelesen, das Farhad wohl ausgestiegen ist.

Das hat dann die Stimmung doch etwas gedämpft, da ich - wie wohl jeder hier - niemand anderen ein verdient gutes Ergebnis mehr gegönnt hätte als ihm. Ansonsten bin ich noch Wolfgang und Markus über den Weg gelaufen und hab ein nettes, kurzes Schwätzchen mit Ihnen geführt. Und das eigentliche Highlight des Tages stand dann ja erst noch an: Der wohl schönste Zahnarzttermin überhaupt aka das Forumstreffen bei Farhad.
Nach den ganzen verletzungsbedingten Absagen hatte ich ja schon etwas Angst, dass die Runde dieses Jahr sehr klein ausfällt. Zu meiner Überraschung sind aber doch erstaunlich viele Leute zusammengekommen, inklusive einigen Überraschungsgästen wie Mc-Jan.

Es hat mich wirklich wahnsinnig gefreut, viele bekannte und einige neue Gesichter endlich mal wieder persönlich zu treffen, gemeinsam das eine oder andere Bier zu leeren, über das Laufen fachzusimpeln, das war einfach der perfekte Ausklang des Marathons.

Besonders hervorheben will ich hier auch noch mal Farhad, der seinen Ausstieg offenbar super weggesteckt hat, sich seine ansteckend gute Laune nicht vertreiben lies und wie immer der perfekte Gastgeber war. Vielen Dank hierfür, ich finde deine lebensfrohe Art wirklich bewundernswert, bleib einfach so wie du bist!
Blanke Zahlen
Nettozeit: 3:11:05
Splits: 1:34:04 / 1:37:01
5 km | 22:30 | 04:30 | 84% HFmax |
10 km | 21:59 | 04:24 | 85% HFmax |
15 km | 22:09 | 04:26 | 84% HFmax |
20 km | 22:25 | 04:29 | 85% HFmax |
25 km | 22:45 | 04:33 | 84% HFmax |
30 km | 22:59 | 04:36 | 83% HFmax |
35 km | 22:47 | 04:34 | 83% HFmax |
40 km | 23:12 | 04:39 | 82% HFmax |
Netto | 10:24 | 04:45 | 82% HFmax |