Ethan hat geschrieben:Ansichtssache. Wer ist denn die Zielgruppe vom großen Laufbuch? Wahrscheinlich viele relativ langsame LäuferInnen, die es nicht zu überfordern gilt.
Alle Läufer müssen für zu großen Überforderungen geschützt werden, nicht nur relativ langsame Anfänger. Du machst Steffnys Denkfehler nach, du folgst der Idee, dass die Belastbarkeit eines Läufers von seiner Leistung bzw Geschwindigkeit auf einer bestimmten Strecke abhinge. Das ist aber in sehr vielen Fällen eben nicht so.
Mal ein Beispiel: Ich habe 2003 oder so mal einen 10er mitgemacht, obwohl ich da nicht regelmßig trainiert habe - bin vielleicht 8 mal im Jahr gelaufen oder so was. Gelaufen bin ich irgendwas um 45 min. Hinter mir waren bestimmt einige, die mehr trainiert haben und auch mehr Training vertragen haben zu der Zeit, man sieht ja hier im Forum, was einige trainieren müssen, um diese Zeiten zu erreichen.
Wenn man jetzt Umfänge nach Zielzeiten oder aktuellen Leistungen bestimmt, ist das eben extrem riskant. Man überfordert sehr leicht die eher schnellen mit relativ wenig Ausdauer und unterfordert die eher langsamen mit mehr Ausdauer.
Es ist für die Optimierung des Trainings essentiell zu wissen, WIE die Leistung zustande kommt, die zur Orientierung dient. Daniels gibt da auch noch zu wenig Hinweise: Nicht
der beste Vdot ist zwangsläufig entscheidend, sondern das Verhältnis der Leistungen auf verschiedenen Strecken kann die entscheidenden Infos über den Läufertyp geben.
Es ist auch nicht nur der Umfang. Für zwei Läufer mit demselben Leistungstand über 10km und ddemselben Ziel können passende Einheiten sehr unterschiedlich aussehen. Der eine braucht Gehpausen, der andere Trabpausen. Der eine fast keine Intervalle, dafür mehr TDLs, der andere mehr Intervalle.
Wenn du hier die Threads verfolgst - ich mache das seit Jahren - oder dir mal ein paar Statistiken besorgst, wirst du feststellen, dass fast alle Läufer sich mal verletzen. Und die die mehr trainieren, nicht unbedingt öfter als die, die weniger machen.
Mehr trainieren soll dazu führen, widerstandsfähiger gegenüber Verletzungen zu werden. Das geschieht auch meistens, wenn man das gut macht. Das heisst, wenig Training ist auf Dauer eher nicht die gesündeste Lösung und die, die vor Verletzungen am besten schützt.
Man kann Anfänger verarschen und behaupten, mit 3 bis 4 mal Luschi Training pro Woche könne man sich gut auf einen Marathon vorbereiten. Muss man aber nicht. Und was ist weniger Risiko: Einen Marathon gut vorbereitet zu laufen oder schlecht vorbereitet? Also vielleicht doch besser vorher besser trainieren und dann im Ernstfall weniger Verletzungsrisiko haben?
Imo nimmt Steffny seine Zielgruppen nicht ernst genug. Eigentlich fangen richtige Läufer für ihn in etwa bei den Sub3 Kandidaten an. Ab da fangen die Pläne ja auch an, fordernd zu werden. Der Rest kriegt im wesentlichen lieblos zusammengestellten Kram, der alle mit derselben Zielzeit in denselben Topf wirf.
Es ist auch entscheidend, zu lernen, SELBST die Belastung zu dosieren, gerade falls man keinen TRAINER VOR ORT hat. Daniels bringt die Läufer imo eher dazu. Das große Vertrauen, das gerade Anfänger in die großen Namen setzen, kann eben gefährlich werden. Deshalb tut Daniels gut daran, nicht zu viele Vorgaben zu machen, denn die können eben unpassend sein.
Genau genommen macht auch ein Daniels imo noch zu viele Vorgaben, aber sonst wären eben noch mehr Leser enttäuscht, dass sie nicht genügend Orientierung bekommen.
Daniels "Pläne" sind eher Entwürfe, Beispiele, Rahmen, die man füllen muss, Ein H. Steffny behandelt seine Pläne eher wie eine Art Evangelium, an dem nix verändert werden kann. Dass immunisiert nämlich auch so schön gegen Fehlschläge: Wenn ein Läufer mit einem Steffny Plan scheitert, kann H. S. immer einen Punkt finden, den der Läufer nicht eingehalten hat, und an dem muss es dann gelegen haben, egal ob das logisch nachvollziehbar ist oder nicht. Wenn man sich mal die Fragen und Antworten auf seiner Homepage durchliest, weiß man glaube ich, was ich meine.
Ethan hat geschrieben:
Anpassungsprozesse dauern, grade Anfänger sind schnell demotiviert und verletzungsanfällig. Ich denke also nicht, dass Steffny viele Läufer vom besseren Training abhält, sondern viele durch ihn überhaupt est die Chance haben, langfristig zu trainieren!
Ohne Steffny würden es viele womöglich noch besser schaffen. H. Steffny differenziert einfach viel zu wenig und schließt viel zu viel von sich auf andere. Im Prinzip nimmt er einfach sein Programm und streicht und rechnet runter. Das ist aber imo eben deutlich weniger, als viele Anfänger brauchen.
Im Langstreckenlauf gibt es diese seltsame Idee, dass Anfänger nur ganz leicht und langsam trainieren dürfen. Im Fußball oder im leichtathletischen Mehrkampf käme man nie auf so einen Quatsch. Man würde nie alle erstmal nur ganz langsam schießen, laufen, springen oder werfen lassen.
Ethan hat geschrieben:
Und was passiert, wenn er wirklich ein paar LäuferInnen vom "besseren" (Definition?) Training abgehalten hat? Dann haben diese Läufer eine gute, gesunde Grundlage für ihre weiteren Ambitionen.
Zur Definition von besserem Training: Wenn jemand in der Lage ist, jeden Tag zu laufen, und man hält ihn mit fadenscheinigen Begründungen davon ab, verwehrt man ihm besseres Training. Mehr Einheiten bringen in fast jedem Fall mehr Erfolg, da sind sich auch ausnahmsweise mal fast alle einig.
Zur Grundlage: Inwiefern sorgt Steffny den für gute Grundlage? Er gibt doch nur ein paar sehr simple, eher vage Ratschläge für Grundlagentraining. Ich wüsste nicht, dass er jemals einen ernsthaften Trainingsplan veröffentlicht hätte, in dem auch die Grundlagenphase genau beschrieben worden wäre.
Und wenn man sich ständig unterfordert, bekommt man eben nicht die Grundlage, die man haben könnte. Grundlage ist auch nicht nur, locker und lange laufen zu können. Zur Grundlage gehört viel mehr. Kraft, Kraftausdauer, Sprint, Stabilität, Koordination, etc etc.
Gruß
C