@haricot: Erstmal es geht mir nicht darum, ein bestimmtes Trainingstempo zu empfehlen. Es gibt einen Marathonläufer hier im Forum, der die lockeren Läufe in 5'30 oder so läuft und im Herbst fast an der 2:40 gekratzt hat. Und einen, der oft im 5er Schnitt unterwegs war und schon vorher die 2:40 geknackt hat (ist übrigens der mit der deutlich besseren Umsetzung 10k-Marathon - kann natürlich auch am Talent liegen und nicht am Training). Beiden würde ich z. B. sicher keine pauschalen Trainingstempi empfehlen, obwohl ich mir fast sicher bin, dass der langsamere noch viel Potenzial verschenkt mit seinem "Rumgejogge".
Mir geht es darum, den Spruch: "Lern langsam zu laufen" zu kritisieren. Weil er in den meisten Fällen einfach nicht passt. Wichtig ist lernen, seine Kräfte einzuteilen und seinen Körper richtig einzuschätzen. Und dass man nicht jeden Tag beliebig intensiv trainieren kann, sollte jedem klar denkenden Menschen klar sein. Aber zu lernen, bei 5'30 stilistisch perfekt zu laufen, wenn man einen Sub3 Marathon laufen will, steht auf der Prioritätenliste eher weiter hinten.
Haricot hat geschrieben:@DerC: Ich weiß gar nicht, wer in die Welt gesetzt hat, dass schnelles Laufen beinah identisch mit einem guten Laufstil ist. In letzter Zeit liest man das häufiger, was die Sache nicht wahrer macht.
Ich habe das nicht behauptet. Aber ohne schnelles Laufen sind die wenigstens zu einem guten Laufstil gekommen. Und ab einer gewissen Geschwindigkeit ist schnelles Laufen identisch mit einem guten Laufstil:
Im 100m Finale einer WM sind keine Läufer mehr mit groben Fehlern, weil es einfach nicht möglich ist, unter 10,20 zu laufen, wenn der Stil nicht sehr gut ist.
Auf der Mittelstrecke sieht man dann die ersten Fehler und etwas eigenartigen Stile, beim Marathon schaffen fleißige Elite-Läufer trotz deutlicher Laufstilprobleme durchaus Podestplätze. (Ich meine nicht Paula R, das sieht schlimm aus, aber die wichtigsten Sachen macht sie trotzdem richtig, die eigenartige Oberkörperarbeit verstellt den Blick auf das wesentliche. Die beiden Läuferinnen, die in NY hinter ihr waren, hatten den schlechteren Stil, auch wenn die symmetrischer laufen.)
Haricot hat geschrieben:
Auf dem Sportplatz, auf dem ich die letzten Jahre trainierte, drehte öfters auch ein Mittzwanziger seine Runden. Dem jungen Mann wollte ich öfters schon sagen, er möchte bitte langsamer laufen und das Laufen erst lernen.
Diese Gedanken habe ich eher, wenn ich die "Schlurfer" sehe, die unbedingt länger laufen wollen, bevor sie das Laufen lernen. Als sinnvolles Ziel für Einsteiger wird immer wieder genannt: Erstmal nur langsam laufen, kein Tempo, nur länger durchhalten. Das Konzept ist erstens ineffektiv und zweitens potenziell gesundheitsschädlich. Außerhalb vom Laufen kommt kaum jemand auf die unsinnige Empfehlung, etwas möglichst lang und langsam zu machen, was er noch nicht richtig kann.
Wenn du z. B. Gitarre spielen lernst und zu früh zu viel am Stück mit schlechter Technik übst, holst du dir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Sehnenscheidentzündung.
Beim Laufen holst du dir u. U. andere Verletzungen. Denn die einseitige Ausrichtung auf langsames Laufen hat potentiell schädliche Auswirkungen, u. a. die eingeschränkte Flexibilität von Muskeln (im Volksmund auch "Muskelverkürzung" genannt). Der Muskel muss immer wieder in einem möglichst großen Bewegungsbereich arbeiten, damit die volle Flexibilität erhalten bleibt. Und das erreicht man mit schnellerem Laufen tendenziell besser, z. B. weil die meisten Läufer ab einem gewissen Tempo die Knie höher heben und deutlicher anfersen. Damit will ich nicht behaupten, dass durch schnelles Laufen automatisch ein guter Stil erreicht würde. Aber schnelles Laufen kann quasi der Verletzungsprophylaxe dienen, gleichem Zweck dient u. a. auch Lauf-ABC. Wobei Lauf-ABC ohne Anleitung und Korrektur natürlich immer etwas fragwürdig bleibt.
Jetzt zu deinem Mittzwanziger. Wieso soll er langsamer laufen, um das laufen zu lernen? Er sollte doch besser lernen, mit weniger Kraftvergeudung genauso schnell und natürlich noch schneller zu laufen.
Ein Vorteil von Laufstiltraining bei schnellem Laufen ist, das die positiven Veränderungen durch Verbesserungen deutlicher werden.
Lauf mal 1km in 6'00/k und vernachlässige dabei die Arme. Das wird noch ganz gut gehen, ohne anstrengend zu werden.
Jetzt lauf mal 200m bei etwa 90% deiner Maximalgeschwindigkeit und experimentiere dabei mit den Armen. Der Unterschied ist den meisten Läufern offensichtlich.
U. a. deswegen sehe ich es als ein wichtiges Trainingslement an, "schnelle" Läufe mit vollständiger Erholung zu machen. Das können anfangs sogar nur 50m Abschnitte sein, wenn für längeres noch die Kraftausdauer fehlt.
Viele Läufer merken auch bei lockeren Dauerlauf-Tempi, dass sie schneller werden, wenn sie auf den Stil achten und da etwas verbessern. Oft ist es aber noch zu ungewohnt, um das länger durchzuhalten. Aber das spricht auch für schnelleres laufen. (Nebenbei spricht es auch für kürzere Einheiten, weil in kurzen Einheiten eher etwas schneller gelaufen werden kann, ohne dass es zu sehr ermüdet. Außerdem kann die Konzentration leichter über 40min erhalten werden als über 60 oder mehr.)
Haricot hat geschrieben:
Warum? Er war/ist ein Arbeiter. Die Knie kamen kaum hoch, die Unterschenkel wurden kaum angewinkelt, aber schnell wollte er sein. Er hat so viel Kraft dafür verwendet, schnell zu sein, dass es einem Leid tun konnte.
Diese Leute gibt es immer wieder. Dennoch wirst du feststellen, dass es umso weniger sind, die sich einen schlechten Stil leisten können, je höher das absolute Tempo wird. (Siehe WM-Finale 100m). Bei einem Volkslauf wirst du bei den ersten 10% auch weniger solcher "Gewaltläufer" finden als weiter hinten.
Haricot hat geschrieben:
Bei Pfitzinger, meine ich, gelesen zu haben, dass langsames Laufen dem Laufstil abträglich sei. Eine Begründung fehlte allerdings oder ich hab sie nicht abgespeichert. Bis auf die Aussage, wir Läufer sind unterschiedlich, suche ich bei Dir auch nach einer Begründung für diese These.
Eine Begründung liefere ich dir nach: Laufen gilt offiziell nicht als "technische Disziplin", aber natürlich kann technisch einwandfreies Laufen nicht beliebig langsam ausgeführt werden. Zudem ist Gehen effektiver, wenn das Lauftempo zu niedrig wird. Der Versuch, in Zeitlupe zu laufen, macht das jedem sofort klar. Es geht bzw. eher
läuft nicht, weil jeder Schritt ein "kleiner Sprung" ist und der Abdruck immer mit einer gewissen Mindestgeschwindigkeit ausgeführt werden muss.
Und je weniger Kraft du in den Abdruck investierst, desto schwieriger ist es z. B., einen guten Kniehub zu realisieren, weil der Kniehub im wesentlichen "automatisch" aus dem Abdruck kommen sollte und nicht durch ein hochziehen des Knies.
In der Theorie ist es also absolut klar, dass nicht beliebig langsam gelaufen werden kann, um die Technik des Laufens zu üben.
Nur wo ist die Grenze? Ich werde mich hüten, da einen zu hohen absoluten Wert anzugeben

, und deine 5'10 können mit entsprechender Übung sicher noch technisch einwandfrei bewältigt werden. Aber in dem Bereich, in dem sich viele Anfänger bewegen und der sehr nahe am schnellen Gehen liegt, sehe ich große Probleme. Für viele Anfänger wäre es besser und gesünder, mehr Gehpausen zu machen und dafür schneller zu laufen. Der Hauptnachteil dieser Methode liegt in der Psychologie, da für viele langsame Anfänger das Durchhalten das größere Erfolgserlebnis und die höhere Motivation bietet als die erreichte Geschwindigkeit. Aber Galloway hat ja mit seinen Gehpausen großen Erfolg.
In dem Bereich der Sub 4 und erst recht der Sub3 Läufer ist das Problem aber sicher nicht eine Trainingsgeschwindigkeit, die zu nahe am Gehtempo liegt. Das Problem ist eher ein anderes: Je näher das Tempo der lockeren und vor allem der langen Läufe an der Marathonbelastung ist, desto mehr trägt dieses Tempo natürlich dazu bei, alle Parameter des Laufens im MRT zu trainieren: Stoffwechsel, Laufökonomie, etc ...
Die Optimierung des Kohlehydratstoffwechsel wird von vielen unterschätzt. Je schneller die Zielzeit im M., desto wichtiger ist das. Der Hauptunterschied vom Marathon zu allen kürzeren offiziellen Strecken ist, dass auf der 42,195km-Strecke selbst bei Elite-Tempo der Treibstofftank niemals ganz reicht. Es reicht nicht nur die Depots auszubauen und den Fettstoffwechsel zu optimieren, der "Motor" muss auf Effizienz optimiert werden und nicht nur auf Leistung. Und damit der Motor effizient bei MRT läuft, musst du möglichst viel km möglichst nahe am MRT machen, natürlich mit folgender EINSCHRÄNKUNG: Dein Gesamtumfang muss dennoch hoch genug bleiben.
Der 5h Läufer hat es da einfach: Sein MRT ist so wenig intensiv, dass er nahezu alle Lauf-KM im MRT oder schneller machen kann - vor allem wenn man berücksichtigt, dass die meisten 5h läufer relati wenig Umfang trainieren.
Beim Elite-Läufer dagegen geht die HF im MRT so hoch wie bei manchem deutlich langsameren Läufer beim HM-Tempo nicht. Je schneller der Marathon gelaufen wird, desto schwieriger ist es also den besten Kompromiss zu finden, denn gerade der schnelle Marathonläufer sollte sich immer daran erinnern dass es nicht nur darum geht, lange durchzuhalten, sondern darum lange SCHNELL zu laufen.
Mit 5'10 hast du unabhängig vom Laufstil also den Nachteil, dass du weiter vom MRT weg bist als mit 4'40 oder 4'50. Dennoch kann es richtig sein, wenn eine höhere Geschwindigkeit dich zu stark fordern und somit zur Einschränkung des Umfangs oder der wichtigsten Tempoeinheiten zwingen würde. Imo gibt es aber meist einen Toleranzbereich, in dem die Ermüdung sehr ähnlich ist. Und wer in diesem Bereich das schnellere Ende trifft, vergeudet an am wenigsten von der Wirkung der lockeren Läufe. Bei mir ist der Bereich nicht so klein, könnten durchaus 30s sein.
Wichtig ist in de Zusammenhang auch, dass das Tempo natürlich kritischer wird, je höher die Gesamtbelastung ist. Insbesondere, wenn mehr als 1mal am Tag trainiert wird, kann es sinnvoll werden, eine der beiden Einheiten recht langsam zu laufen. Denn schließlich fehlt der Schlaf zur Erholung zwischen den Einheiten. Also: Wenn 24h inklusive 8h Schlaf zwischen 2 Einheiten liegen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass du dich von einem Lauf in 4'40 genauso gut erholst wie von einem Lauf in 5'10, als wenn du nur 8h ohne Schlaf zwischen den Einheiten an einem Tag hast.
Dann gibt es noch die große Zahl der Läufer, bei denen die verfügbare Trainingszeit das Umfangslimit setzt, BEVOR es die Physis tut. Diese können natürlich oft von intensiverem Training profitieren und bei schnellerem Lauftempo auch etwas mehr km aus derselben Trainingszeit holen, insbesondere bei vielen Ruhetagen.
Haricot hat geschrieben:
Es geht nicht darum, einfach sub3 zu laufen, sondern aus seinen Unterdistanzzeiten die bestmögliche MA-Zeit heraus zu holen.
Das ist so pauschal Unsinn. Auch wenn in Foren immer mal wieder behauptet wird, dass die beste Umsetzung der Unterdistanzen super-wichtig sei, ist das reine Ergebnis in der Realität den meisten Läufern viel wichtiger. Viele Läufer würden gerne ihre 3:05 mit dem Faktor 4,6 (10k Zeit mal Faktor = Marathonzeit) gegen eine 2:58 mit einem Faktor 4,8 tauschen .... so bekämen sie nebenbei noch ne 10km Bestzeit dazu .....
Die Läufer mit den niedrigsten Faktoren sind übrigens oft nicht so extrem gute Marathonläufer, wie man angesichts des Super-Faktors auf den ersten Blick denken mag - sondern schlechte 10km Läufer.

Oder sie laufen in Topform nie oder nur selten einen Zehner, weil sie in Topform nur Marathon laufen.
Haricot hat geschrieben:
Und hier vermisse ich immer noch ein Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung mittels dieser Trainingsempfehlung.
Welche Trainingsempfehlung? Es ging mir nicht um eine Trainingsempfehlung. Es ging mir um die Kritik an der klischeehaften Ermahnung "Lern langsam laufen". Für nahezu jeden WK-Läufer ist das wichtigere Ziel, schnell laufen zu lernen.
Mein vorheriger Beitrag war schon mit Absicht etwas polemisch formuliert, aber auch nicht in jeder Zeile todernst, mindestens 1 Smilie zu wenig.

Ich hoffe, das mit diesem etwas länglichem Beitrag einiges klarer wird. Es ist auch Zufall, dass ich deinen Beitrag zum Anlass genommen habe, mir geht der "Lern langsam laufen" Spruch schon lange auf den Sack.
Beste Grüße
C.