Nochmal herzliche Glückwünsche an unsere Ultras!

Korinna, Eckardt und Tvaellen, wirklich Wahnsinns Leistung von Euch! Ich würde den Lauf allein von der Distanz nicht hinbekommen. Auch die 50km von Holger sind nicht von schlechten Eltern! Nicole erste in der Altersklasse, Du räumst nach und nach die Wettkämpfe ab, Super! MarcYa Du hast auch eine super Leistung abgeliefert. Und Jan zersägt seinen Erzrivalen und macht wertvolle Triathlon Erfahrungen. Was für ein Wochenende!!!
Was den Rennbericht angeht, bin ich noch etwas verwirrt und weiß nicht wo ich anfangen soll vor lauter Eindrücken, Gedanken und Gefühlen.
Als Erstes bedanke ich mich für die wunderbare mentale Unterstützung hier bei den Sub3:20er KollegINNen. Tut gut sich bei der Vorbereitung auszutauschen, Trainings zu diskutieren, Verletzungen aufzuarbeiten und sich gegenseitig Tipps zu geben. Mit allem was dazugehört und wenn man dann im Wettkampf steht, pusht es nochmal extra, weil man es nicht vergeigen will...
Danke Euch! Auch für die Blumen, die netten Worte und die Likes
Besonderen Dank an Farhad, Jan, Dennis, Markus, Martin, Korinna, Dromeus, Elefantino, Holger, Zemita, Steffen, Christian, Eckard, Tvaellen, Bastig, Rudi, Nicole, Jhony, Jonny, Andreas, McAwesome, laufende, und alle die ich vergessen habe.
Jetzt meine noch frischen Eindrücke vom Rennen.
Mainz Marathon 2015
Der erste Wettkampf in diesem Jahr. Der erste Wettkampf nach meinem Schaden im Knie. Der Marathon an dem ich endlich die 2 vorne stehen haben will. Die Vorbereitung lief planmäßig. Knapp 80 Wochenkilometer waren die letzten 7 Wochen drin. Die kurzen Intervalle habe ich weggelassen (3000m waren das Minimum).
Die Tapering Phase ist wie immer mit viel Kopfkino verbunden. Ich mache mir selbst Druck. Wie werden die äußeren Bedingungen sein? Hoffentlich nicht zu heiß, schwül oder windig. 16 Tage vor dem großen Tag gibt es die ersten Wetterprognosen. Ich schaue bestimmt 10mal am Tag darauf. Warmes Wetter ist gemeldet. „Das ist blöd. Dann muss ich die erst kältere Hälfte schneller laufen, damit ich Spielraum habe, wenn ich später eingehe.“ Aber Tag für Tag ändert sich die Wettervorhersage in alle Richtungen. Auf einmal ist starker Wind angesagt… „Hmm, da müsste ich immer in einer Gruppe laufen, so dass ich abgeschirmt werden.“ So beschäftige ich mich jeden Tag mit den unterschiedlichsten Szenarien. Außerdem würde ich diesen Marathon gerne mit einem BMI unter 23 laufen, am besten unter 22,5 laufen. Das hatte ich mal bei Steffny gelesen. Ich beginne extra früh, 11 Tage davor mit der Saltin Diät.
Ich nehme 1-2 kg ab, aber nach zwei Tagen Carboloading sind die sofort wieder drauf. Die letzten 2 Tage vor dem Wettkampf wiege ich mich nicht mehr, weil ich das Gefühl habe mehr zu wiegen als vorher. Unter BMI 23 wird nix.
Irgendwann habe ich mir aber keinen Kopf mehr wegen meinem Gewicht oder wegen Wind und Sonne. Das was ich nicht (mehr) beeinflussen kann, muss ich nehmen wie es kommt und klug damit umgehen. Und bei allem anderen gebe ich mein Bestes.
Am Samstag morgen wache ich mit Halsschmerzen auf. Ich ignoriere die Symptome und verbringe den Tag mit meiner Frau. Die Schluckbeschwerden und Halsschmerzen werden schlimmer und ich fange an mich damit zu beschäftigen. Eine Erkältung ist wohl im Anmarsch. Das kann und darf nicht sein. Ich bin so gut wie nie krank und jetzt gerade heute.
Ich gurgele Fernet Branca (man sagt er habe magische Kräfte) und lutsche Salbeiblätter aus dem Garten.
Nachmittags gehen wir zu der Veranstaltung, wofür ich den Mannheim Marathon gecancelt habe. Abends zu Hause trinke ich diverse Tees und viel Wasser. Jetzt bin ich froh, dass ich nicht in Mannheim laufe – ich fühle mich elend. Nackenschmerzen deuten sich an. Aber eine Nacht habe ich ja noch.
Knoblauch und Chili soll ja gut gegen Erkältung sein, also mache ich mir noch eine Riesenportion Spaghetti aglio e olio mit viel Chili und Unmengen an Knoblauch. Das ist ja auch das Standardgericht von moengel vor dem Marathon und 3 große Teller später fühle ich mich leicht besser, bis auf das Völlegefühl...
Farhad gibt mir den Tipp warm eingepackt mit Schal schlafen zu gehen. So mache ich es. Die motivierenden Worte von unserem Doc tun gut. Aber ich kann erstmal nicht einschlafen, mir ist viel zu warm. Dann wache ich völlig nassgeschwitzt auf. Muss aufs Klo. Der viele Tee drückt. Pyjama wird gewechselt und alle 1-2 Stunden wache ich immer auf und muss raus. Zum Glück liest man überall dass die vorletzte Nacht zählt und nicht die Nacht davor.
Der Renntag
Der Wecker klingelt um 5:45. Ich war schon vorher wach. Als erstes messe ich Fieber. Keine Temperatur. Sehr gut. Dann hält mich nix mehr. Ich habe immer noch Halsschmerzen, aber ich fühl mich morgens definitiv fitter als abends nach einem langen Tag. Wer kommt eigentlich auf die Idee einen Marathon wie in Mannheim um 19 Uhr beginnen zu lassen?
Ich denke wieder an moengel. Der macht in kurzen Abständen einen Marathon nach dem anderen und oft es ist so, dass er sich nicht gut fühlt und nach Kaffee und Frühstück merkt er beim Laufen dass doch noch was geht.
So mache ich es auch. Große Tasse Kaffee. Ein paar Haferflocken mit Banane und Milch und zwei Brötchen mit Honig und Marmelade. Zusammen mit den seit Mittwochmittag verzehrten Kohlenhydraten sind die Speicher gefüllt bis auf Anschlag.
Insgeheim hatte ich in den letzten Tagen darauf spekuliert, dass es noch etwas besser als 2:59 werden könnte. 2:58 wäre genial. Die Formel, mit dem Durschnitt aus Endbeschleunigung und Formüberprüfungslauf + 5sec hatte eine 4:125 ausgespuckt. Also knapp unter 2:58 theoretisch möglich. Aber seit gestern war der gegenteilige Gedanke gereift. Alles was zählt ist sub3. Mit 2:59:59 kann ich glücklich sein. Ich muss so konservativ wie möglich laufen. Die Erkältung schlummert in den Gliedern und verbündet sich womöglich mit dem Hammermann.
Es folgt die Anreise, Abholen der Startnummer, Umziehen, Aufsuchen der Toiletten. Bis ich mit allem fertig bin, ist 9.15 Uhr und der Forumstreff damit leider schon vorbei.
Wie angekündigt, wollte ich das Rennen extrem konservativ angehen. Kein Risiko. Die Strategie ist mir auch geglückt. Die erste Hälfte ging einschließlich Pinkelpause in 1:29:21 durch. Bis dahin bin ich bewusst so entspannt wie möglich gelaufen. Ich habe nicht an die Endzeit gedacht, ich habe nicht an das Ergebnis gedacht. Ich habe nur versucht ökonomisch zu laufen, jeden Windschatten mitzunehmen, auf der blauen Linie zu bleiben ein paar Gels verdrückt und zu relaxen. Wollte mir so viele mentale Stärke wie möglich aufheben, dass ich später noch genug Energie hätte. Geduld und Kräfte aufheben.
Das war mir aber irgendwie zu konservativ....
Rennen zweiter Teil
Kurz vor der Halbmarathonmarke kommen mir die Führenden entgegen. Einer läuft mit Schaum vor dem Mund. Das ist ein echter Kämpfer! Und ich hingegen komme mir vor, wie ein Genussläufer auf einer Sightseeing Tour.
Ich bin viel zu langsam und entspannt. (Im Nachhinein glaube ich, dass der Schaumläufer ein Halbmarathoni beim Zieleinlauf war). Dann kommt die Brücke und ich kann das Tempo etwas anziehen. Brücke hoch schnell, mit kurzen Schritten, runter noch schneller mit großen raumgreifenden Schritten. Ich habe das Gefühl, dass ich die Brücke abwärts fliege... Ich hatte mir aber vorgenommen auf gar keinen Fall vor km35 Gas zu geben. Zu groß die Angst später einzugehen. Das Feld wird jetzt schlagartig leer, aber das war mir ja vorher bekannt. Also schaue ich immer nur bis zum nächsten Läufer und versuche einen nach dem anderen einzusammeln. Ich werde dabei immer schneller, aber ich versiche mich immer noch etwas zu bremsen.
In Mainz Kastel spielt die Blaskapelle einen alten italienischen Schlager und ich gehe voll darauf ab. Kurz danach irgendwelche Technomusik aus den 90ern wo ich genauso mit den Lippen mitsinge und Kraft daraus ziehe. Auf dem Rückweg die Brücke bei km28 kann ich wieder zum Überholen nutzen. Windschatten gibt es auf der zweiten Hälfte nicht mehr. Ich sauge mich wie ein Staubsauger an den nächsten Läufer, überlege ob ich eine Weile im Windschatten bleiben soll und entscheide mich aber dafür zu überholen und gebe noch etwas aufmunterndes zum besten. Ich rede mir ein: Der Wind ist mein Freund, er kühlt mich! Und nehme den nächsten Läufer ins Visier.
Schneller als ich dachte bin ich schon bei km32. Mensch nur noch 10km. Jetzt muss ich aber langsam Gas geben. Ich ziehe weiter an. Endlich kommt km35 und jetzt ist es höchste Zeit den Tiger aus dem Tank zu lassen. Jetzt laufe ich mich in Rage. Komme mir im Nachhinein vor, wie Braveheart auf dem Schlachtfeld. Ich schnaufe, kneife die Augen zusammen und sprinte los. Die ganze Anspannung der letzten Stunden und Tage packe ich in den Lauf. Ich lasse alle Wut raus, wie ein Befreiungsschlag. Die nächsten 2 Kilometer gehen unter 4min weg. Meine Uhr zeigt zeitweise 3:40er Durchschnitt an. Ich denke mir "Das ist doch das 3000er Tempo Intervalltempo?!" Die Uhr ist sowieso ungenau, aber ich krieg trotzdem ein bisschen Angst vor der eigenen Courage. Bitte keine Krämpfe oder kein Laktatüberschuss. Die Beine krampfen schon ein bisschen. Egal ich gebe alles, laufe so schnell ich kann. Die paar Kilometer gehen immer. Leider kaum Leute da zum Überholen. Dann kommen zwei Läufer, ich sprinte an denen vorbei wie ein Irrer weiter in die Altstadt. Jetzt ist es ein echtes Rennen... Mental bin ich 100% da. Ich denke hier an den Faden und an die motivierenden Worte von Euch aus den letzten Tagen.
Ich höre jetzt auch den einen oder anderen Zuschauer sagen: „Mensch der zieht aber ganz schön an.“ Alles zusammen motiviert. Gleichmäßige Krafteinteilung ist was anderes. Aber jetzt gilt’s. Ich atme schwer, nein ich schnaufe und beiße die Zähne zusammen.
Es kommen wieder windige Passagen und es wird doch schwerer und ich etwas langsamer.
Kilometermarker suche ich vergebens, aber weit kann es ja nicht mehr sein. Seit der Halbmarathonmarke hat mich keiner mehr überholt. Einen Läufer erspähe ich noch in der Ferne. Vielleicht kriege ich den auch noch…
Ich reduziere den Abstand, aber er ist noch sehr weit weg. Ich komme an dem Parkhaus vorbei, wo ich geparkt hatte. Nanu, ist schon der letzte Kilometer angebrochen?
Ich biege auf die letzte Gerade ein. Die Strecke bin ich morgens schon gegangen, es war etwas über einen Kilometer bis zum Start/Ziel. Mein Laufstil wird langsam schlechter, aber ich ziehe mich vorwärts. Langsam kommt das Ziel in Sichtweite. Auf einmal nähert sich ein Läufer von hinten mit schnellen Schritten. Das habe ich gebraucht. Ich denke „Nee Du. Ich werde mich bestimmt nicht überholen lassen. Weder die letzten 20km noch die letzten 600m!“ Letzte Kräfte werden freigesetzt und ich ziehe das Tempo an. Der wäre abgeschüttelt. Nein ein paar Sekunden später höre ich den Läufer wieder hinter mir. Na dann muss ich den Kick zünden. Ich sprinte nach vorne und komme dem Ziel immer näher. Ich sehe die Uhr bei 2:57 und bin überglücklich. Ich reiße die Arme hoch und laufe über die Matten. Geschafft! Ich habe es wahr gemacht! Eine Sekunde später kommt mein Verfolger, der mir gratuliert. Vom SWR Fernsehen werde ich noch interviewt. Super Gefühl.
Endergebnis 2:57:26, Platz 3 Altersklasse.