dicke_Wade hat geschrieben:Ich verlasse mich grundsätzlich nicht mehr auf einen Laufschuhverkäufer, wenn der mit mir eine "Laufbandanalyse" machen will. Ich war vor ein paar Jahren auf Anraten meiner Ärztin bei einer medizinischen Gang- und Laufanalyse, die den Namen auch verdient hatte. Dort gab es Empfehlungen für den zukünftigen Schuhkauf bzw. die Einlagenversorgung. Wenn du langfristig wissen willst, was für deine Beine gesund sein soll, dann empfehle ich dir das bei Gelegenheit.
Auch wenn der Vergleich von Einzelfällen hinkt, kann ich Tommis Erfahrungen grundsätzlich bestätigen. Ich habe bei meinen ersten Laufschuhkäufen (allerdings schon vor 35 bis 40 Jahren) auch immer auf Laufbandanalyse im Schuhgeschäft bestanden und auch immer den dringenden Rat bekommen, wegen meiner offensichtlichen Überpronation gestützte Schuhe zu tragen. Später habe ich dann auf das Laufband verzichtet und gleich von mir aus immer nach solchen Stützsofas verlangt - die Diagnose war ja vermeintlich klar. Da ich ständig orthopädische Probleme hatte (Knie, Schienbeine) ging die Reise in Richtung von immer mehr Hardcorestütze und es wurde immer schlimmer. Allerdings spielte bei mir auch immer eine völlig unvernünftige Trainingsgestaltung (jeden Tag ein Stück weiter und schneller, bis nichts mehr ging) mit rein.
Vor vier Jahren bekam ich hier im Forum den Hinweis, eine professionelle orthopädische Laufanalyse machen zu lassen, um die Ursachen meiner bis dahin schon fast wieder überstandenen Achillessehnenbeschwerden zu ergründen. Das überraschende Ergebnis war: ich brauche Neutralschuhe. Mir wurde sogar aufgezeigt, wie die ebenfalls mitgebrachten Stützschuhe meinen Knien bei jeder Landung einen harten Schlag nach außen versetzen. Außerdem bekam ich den Hinweis auf muskuläre Dysbalancen und Trainingsvorschläge dagegen. Und mir wurde der Rat gegeben, meine angeblich ungleichen Beinlängen (durch Generationen von Orthopäden konstatiert und immer nur lapidar mit Einlagen gekontert, an die ich mich aber nie gewöhnen konnte) mal daraufhin untersuchen zu lassen, ob nicht viel eher gewisse Unbeweglichkeiten in den Hüftgelenken die Ursache sein könnten (funktionale Beinlängendifferenz). Ein guter Physio, der auch als Personal Trainer tätig ist, ließ mich auf dem Parkplatz vor der Praxis "vorlaufen" und gab mir diverse Hinweise auf Fehler in meiner Lauftechnik. Mit seiner Hilfe konnte ich ein paar ungute Dinge (allen voran meinen extremen Fersenlauf) abstellen. Nein, ich bin nicht zur grazilen Vorfußgazelle mutiert; aber die schlimmsten Auswüchse, vor allem das In-den-Boden-Rammen der Ferse des gestreckten Beins weit vor dem Körperschwerpunkt konnte ich wenigstens soweit entschärfen, dass mir meine Knie fortan keine Probleme mehr bereiten.
Wie gesagt, Einzelfälle sind kaum vergleichbar, der Einstieg in den richtigen Weg aber schon: Sich Rat bei den wahren Profis holen und die erkennt man nicht an möglichst vielen akademischen Titeln, sondern an ihrer praktischen Erfahrung (orthopädische Laufanalyse, sportlich affine Physios, Lauftrainer). Und wenn doch mal Arzt, dann wenigstens einen mit Sportarzt-Schwerpunkt und Empathie für Laufsüchtige. Mein Negativbeispiel hingegen war der renommierte Clubarzt eines damaligen Fußballbundesligavereins, der zu meinen damaligen Schienbeinbeschwerden nur zu raten wusste: "Dann hören Sie halt mit der Lauferei auf." Ach ja, untersucht hatte der mich nicht, obwohl ich alle aktuellen Laufschuhe zur Begutachtung dabei hatte. Nach meinen Trainingsgewohnheiten hat er mich auch nicht befragt - hätte er doch womöglich erfahren, dass ich in den Monaten davor 6x die Woche je 19,2 km gerannt war und zwar jedesmal mit Ambition auf eine erneute PB-Zeit.

(Dass meine Schienbeinkanten das überhaupt so lange mitmachten, war eigentlich ein medizinisches Wunder.) Nur meine Beinlängendifferenz entging jenem Wunder-Doc nicht. Und schwupp, flog ein weiteres Paar nagelneuer Einlagen auf den damaligen Stapel unbenutzter Einlagen. Am Schienbein hatte ich seit dem (und einer längeren Laufpause) übrigens nie mehr was.
Auch die Hinweise von Catch hauen ja in dieselbe Kerbe: Such dir jemanden, der dein Fahrgestell in Aufbau und Funktion als Ganzes versteht und kuriert. Kommerzgetriebene Schnellschüsse (Schuhe mit irgendwelchen Technologien) können eine Lösung sein, sind es aber selten und eine vollständige Lösung sind sie noch viel seltener.