Spannendes Thema hier aus verschiedenen Blickwinkeln!
Prozessfokussierung gegenüber Ergebnisfokussierung ist prinzipiell oft hilfreich, aber auch nicht immer. Es gibt auch Motivations-/Trainingstypen, die sich damit schwertun. Letztlich ist vor allem die Auseinandersetzung und Reflektion mit dem Thema etwas, was einen weiterbringen kann.
Da ich beruflich ja zentral damit zu tun hab und auch durchaus mal in der Vorbereitung (im WK weniger) damit gestruggelt habe, hab ich mich eine Zeit lang viel mit Mentaltraining beschäftigt und auch mal einige Zeit mit einem Sportpsychologen zusammen gearbeitet. Ich fand das für mich durchaus hilfreich zu verstehen, was mich antreibt und warum und was die Vorteile und auch die Nachteile davon sind. Wir Menschen sind ja psychisch durchaus flexibel und entwickelbar, allerdings wenn schwierig wird - in Vorbereitung (Prozess) oder Wettkampf (Ziel), greifen wir in der Regel auf unsere typischsten Muster zurück. Das kann man einerseits nutzen, weil das meist auch unsere effektivsten Mittel sind (bewährt, vertraut und erfahren damit). Andererseits behindert uns ein rigides Festhalten an solchen Mustern auch öfters und auch andere Mittel/Motive zuzulassen, kann einen erfolgreicher machen.
In der Sportpsychologie gibt es ja verschiedene Modelle. Das sind natürlich alles Vereinfachungen und Schubladen, aber für strukturierte Arbeit an der Motivation schon hilfreich. Etablierte motivationale Dimensionen sind beispielsweise Sicherheitsbedürfnis und Stimulatonsbedürfnis.
Eine hohe Ausprägung des Sicherheitsbedürfnisses führt zu einem Streben nach eindeutigen Entscheidungen, Kontrolle und Normorientierung sowie zu einer schnellen Fehler- und Gefahrenerkennung. Eine niedrige Ausprägung des Sicherheitsbedürfnisses führt zu einem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit sowie einer Fokussierung auf den Prozess im
Vergleich zu einer Fokussierung auf das Ergebnis.
Jemand, der einfach durch seine Lebenserfahrung ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat, tut sich naturgemäß schwerer, auf den Prozess zu vertrauen.
Stimulationsbedürfnis ist eine weitere Dimension: Eine hohe Ausprägung führt zu handlungsorientierten Verhalten,
das sich durch Kommunikationsgeschick auszeichnet und eine hohe Durchsetzungsstärke bewirkt.
Eine niedrige Ausprägung führt zu Selbstaktivierung durch Selbstdisziplin und einer Autorität durch Kompetenz im Vergleich zu einem starken Auftritt. Solche unterschiedlichen "Typen" kennen wir wahrscheinlich alle aus unserem Umfeld. (Oder wir führen uns Olli Kahn und Phillip Lahm mal als Kapitäne der Fussballnationalmanschaft vor Augen)
Weitere Dimensionen sind dann unser Denken und Handeln im Sinne von Entscheidungen. Da kenne wir alle die Extreme von Menschen, die eher Detailsgenau denken als auch diejenigen, die eher übergeordnet und ganzheitlich vorgehen. Alles hat Vor- und Nachteile, gute Teams bestehen deshalb meist aus einer Mischung der Extreme. Im Handeln gibts auch die Extreme vom geplanten peniblen ZIelverfolgen zum assoziativ vernetzten Beziehungstypen.
Ist vielleicht etwas abstrakt, führt aber letztlich zu unterschiedlichen Motivationstypen mit ihren Stärken und Schwächen.
Eine mögliche Unterscheidung sind dann vier Motivationstypen, vielleicht mal veranschaulicht mit Beispielen aus Marathon-Vorbereitung und Wettkampf und vielleicht auch paar prominente Sportler, wenn sie mir einfallen.
Selten sind Anschlussmotivierte, die also eine gute Gruppe wollen und brauchen. Aber die gibt es auch, aber oft nur mit Laufftreff oder Trainingsgruppe. Das sind dann auch die, die zu den Wettkämpfen fahren, wenn da viele am Start sind, die sie kennen und nicht selten haben die Geschichten aus dem Wettkampf zu erzählen, dass sie von km 10-35 mit einer anderen Sportlerin zusammen gelaufen sind oder sich die letzten 10 Kilometer mit jedem gemeinsam ins Ziel gekämpft haben (das Gefühl ist dann aber, sich gegenseitig zu pushen im Gegensatz zu "die Sau mach ich fertig"). Natürlich findet man aber solche Menschen am häufigsten in Manschaftssportarten.
Freiheitsmotivierte sind diejenigen, die vor allem Bock auf Laufen haben und denen feste Trainingspläne ein Greul sind. Ein guter freiheitsmotivierter Sportler kann und will offensichtlich gar nicht erklären, warum und wie er so gut ist. Thomas Müller kann wahrscheinlich auch einen großteil seiner Tore nicht erklären und warum er wo steht. Freiheitsmotivierte sind durchaus oft sehr gute Sportler, aber selten gute Trainer.
Sehr häufig sind Leistungsmotivierte. Das sind diejenigen, die hart trainieren, um persönliche Bestleistungen erreichen, die ständig ihre Rekorde brechen, jeden Stravakom haben wollen ect. Sub3 wird auf ein Postit an den Spiegel geklebt und das ist dann das Ziel.
Arnold Schwarzenegger war sicher primär Leistungsorientiert (Wurde bester Bodybuilder der Welt, bester Schauspieler der Welt ...in a way

und nur nicht Präsident der Vereinigten Staaten wegen Geburtsort)
Reibungsmotivierte gibt es auch häufig, wobei die prototypmäßig in 1:1 Sportarten reüssieren, im Ausdauersport aber oft auch den Kampf gegen sich selbst finden. Die können sich im Training pushen, indem sie sich selbst herausfordern. Oder wenn sie keinen direkten Gegner im Laufen haben, suchen Sie sich den ("den da vorne kriege ich noch"). Reibungsmotivierte profitieren von Feindbildern und produzieren durch Polarisieren (Oli Kahn war sicher ein typischer Vertreten, im Gegenteil aber zum Beispiel zu Phillip Lahm, obwohl beides Führungspersönlichkeiten waren).
Viel Text, aber vielleicht interessant für den einen oder anderen. Je nach Lust und Laune kann das ja mal jeder für sich prüfen. In der Regel haben wir ein Motiv, bei dem wir uns a.e. zu Hause fühlen (wobei das manchmal auch in der Selbsteinschätzung täuschen kann, einige Typen lehnen z.B. Reibung und Macht ab, obwohl das ihr Hauptmotiv ist) und ein anderes, was kaum eine Rolle spielt. In der Realität haben wir sicher von allem etwas, aber eine klare Dominanz oder maximal zwei Motive.
Nochmal zur Veranschaulichung: Hilfreich kann das z.B. sein, um effektive Wege aus schwierigen Situationen zu finden. Beispielsweise massiver Trainingsausfall vor dem Hauptwettkampf. Man fühlt sich schlecht und die Motivation schwindet. Einem primär reibungsorientierten Sportler wird die Aussicht, das er sich trotzdem bei einem 42km Lauf am Limit gut fühlen wird, weil er das einfach gerne macht, bei einem tollen Erlebnis in einer tollen Stadt nicht viel helfen. Der kann aber davon profitieren, dass er sich einen neuen Gegner sucht, den er im Wettkampf schlagen will (Wenigstens den, den anderen nächstes Mal") oder sich nochmal den Kampf gegen sich selbst bewusst machen, am Wettkampftag im Rahmen der Möglichkeiten alles rauszuholen und sich nicht zu schonen. Den Wettkampf selber als Gegner zu sehen. Der Anschlusstyp freut sich auf seine Gruppe oder meldet ggf. um, wo er Freunde trifft und der Leistungsmotivierte findet konkrete (niedrigere) Zahlen, die er dennoch schaffen will.
Kurzfristig kann man da auch nicht viel an sich arbeiten, und sollte eher schauen, wie holt man aus seinem Typ das beste raus. Langfristig geht da schon mehr. Also beispielsweise kann der mehrfach an Sub3 gescheiterte Freiheitsmotivtyp, der bisher nie wirklich mit Plan trainiert hat und dem auch Ernährungspläne ein echte Greul sind (wie alle Pläne...), dann feststellen, dass er doch mal etwas ändern muss. Aber wenn er jetzt streng nach Plan trainiert, läuft er Gefahr, nach wenigen Wochen den Spaß zu verlieren. Also nur ganz vorsichtig einzelne Regeln und Einengungen der Freiheit zulassen.
Gute Trainer kennen ihre Schützlinge diesbezüglich und stellen sich da drauf ein - oder man trennt sich hoffentlich.
Viel Theorie, aber ja vielleicht ist ja für den einen andere anderen was interessantes dabei.