Nachdem die Latte zugegebenermaßen sehr hoch liegt, was die Laufberichte angeht, will ich bei meinem 1. Lauf über die Königsdistanz natürlich nicht mit einem ausführlichen Situationsbericht nach ein paar Tagen Abstand (Die habe ich definitiv gebraucht.) geizen. Ich hoffe, ihr verzeiht mir, wenn ich da etwas ausholen werde, denn im Endeffekt fing die Vorbereitung schon viel früher an.
Laufen macht Spaß?
Nachdem ich mich im Sommer 2013 von meiner liebsten aktiven Leidenschaft, dem Fußball, verabschiedet habe, infolge sehr nerviger Kniebeschwerden, stieg dann im ab Januar 2014 die sportliche Motivation wieder an. Also ging es los, mit 2-3 x regelmäßig 10 km Laufen über mehrere Wochen. Irgendwie hat mich das olle Schmuddelwetter und die Dunkelheit eigentlich auch nie davon abgehalten raus zu gehen. Eine gute Basis also, um dran zu bleiben. Das von dkf erwähnte Steffny-Buch war dann der Start sich etwas genauer mit dem Laufsport auseinander zu setzen. So stand ich an dem Punkt, was will ich überhaupt. Ist das etwas, was zu mir passt, die Lauferei? Beim Fußball in den Vorbereitungen auf die Saison hat man das sture rumrennen ohne Ball verflucht und jetzt soll es auf einmal Spaß machen? Klingt verrückt, aber irgendwie war es so. Kurzer Ausflug in die Gegenwart: Wenn ich heute mit ehemaligen Mannschaftskameraden und aktiven Kickern rede, kommt meist: Du hast doch nen Schuss!

Wie dem auch sei. Als einen Meilenstein würde ich wohl die Anschaffung der Laufuhr ansehen. Damit war ich in der Lage meine Läufe genau nachzuverfolgen und die Umfänge und Tempi zu tracken. Klingt natürlich banal, aber zur damaligen Zeit war das für mich einen Schritt in Richtung Professionalisierung und führte wohl mit dazu (neben Motivation und Literatur) mich zum ersten Halbmarathon anzumelden.
Praxistest: Nun ja...
Es wurde dann der Halbmarathon in Mannheim als erstes Ziel ausgerufen. Recht großes Laufevent, man kann die Atmosphäre ganz gut aufsaugen und seine ersten Wettkampferfahrungen erleben. Vorbereitet mit einem Steffny-Plan stand dann am Ende eine knappe SUB 01:40, in dem Wissen, dass deutlich mehr drin ist, wenn man nicht unbedingt jedes Stück Riegel und Banane bzw. Becher Elektrolyt-Drink in sich reinhaut, den man in die Finger bekommt.

Geschenkt, abgeheftet im Grünschnabelbereich des Erfahrungsordners. Viel wichtiger war die Erkenntnis, dass es immer noch Spaß macht und dass das Wettkampf-Ambiente eine tolle Sache ist. Wenige Wochen später folgte die Anmeldung in Frankfurt.
Blut geleckt
Nach einem Halbmarathn und weiterhin steigender Motivation war klar, dass es nur noch ein Ziel geben kann: Die Königsdisziplin. Frankfurt dazu noch als absolutes Megaevent mit grandiosem (den Videos zu urteilen!) Einlauf in der Festhalle. Dazu ein Kurs, der sich zu großen Teilen durch Europas spektakulärste Skyline schlingelt. Schwer vorzustellen, dass es eine passendere Premiere gibt. Dazu noch flach, Ende Oktober also vom Wetter her auch optimal. Also Anmeldung ging im Sommer raus und Feuer frei.
Als schwierig empfand ich persönlich die Frage nach der Trainingsplanung. Da ich mit Steffny eigentlich keine schlechten Erfahrungen gemacht habe bei der Vorbereitung auf den HM Mannheim, wollte ich das erst einmal so beibehalten und habe mir erst einmal defensive Ziele gesetzt und wollte zunächst auf 03:30 hin trainieren. Ebenso schwierig empfand ich zur damaligen Zeit die Überbrückung bis zum Start des Plans. Einerseits wollte ich möglichst viel Umfang trainieren und habe vergleichsweise viele (im Vergleich zum bisherigen Zeitpunkt) Läufe über 20-25 km gemacht. Zudem wollte ich etwas an der Tempohärte schrauben, weshalb ich auch etliche Tempodauerläufe und Crescendoläufe gemacht habe. Dies führte letztendlich dazu, dass ich mich im Sommer rasant weiter entwickelt habe und die Zeiten und Läufe, die ich absolviert habe, eigentlich keinen anderen Schluss zuließen, mit dem 03:15er Plan zu starten.
Die Marathon-Vorbereitung...
...begann zugegeben grandios und endete desaströs. Die vorgegebenen Einheiten konnte ich wirklich ohne irgendwelche Mühen runterreißen. Ich würde nicht sagen, das ich mich nach wenigen Wochen unterfordert gefühlt habe. Aber jedenfalls hatte ich nicht das Gefühl, dass ich auch nur ansatzweise an mein Limit gehen musste um die Einheiten in den vorgegebenen Trainingstempi zu laufen. So dass ich - wie man ja auch hier im Faden nachverfolgen kann - die Zeiten auf Eigeninitiative sowie unter Berücksichtigung von vielen erfahrenen Läufern hier im Forum (Vielen Dank dafür!) nach unten korrigiert habe. So konnten die beiden im Plan vorgesehenen Testwettkämpfe - der 10er in SUB40 und der HM in einer tiefen 01:27 - mit Bravour absolviert werden und ließen mich euphorisiert von einem grandiosen Marathon-Debut träumen. Nach dem Halbmarathon ging es dann aber schlagartig bergab. Zunächst die Frage nach dem MRT. Diese konnte nach dem Tipp von Elefantino (TWL, nochmals Danke für den Tipp!) nur mit 04:30 beantwortet werden. Am Tag später mit Freunden eine schöne Traileinheit zu machen war im Nachhinein natürlich absolut dämlich und das darf auch einem solchen Grünschnabel wie mir nicht passieren. Die Quittung war dann eine schmerzende Achillessehne und damit musste der wichtiger 35er mit 15 km EB flach fallen. Ein schockierender Sonntag. Wie soll ich dies wieder rein bekommen bis Frankfurt. Ok, ich hatte die gleiche Einheit zwei Wochen vorher außerplanmäßig gemacht, aber dennoch stand diese Einheit ganz oben auf meiner Liste. Schließlich habe ich bis dahin, und nimmt man den mittlerweile gelaufenen Marathon raus, erst 3 Läufe über 30 km gelaufen. Wie dem auch sei, drei Tage später ging es wieder mit lockerem Laufen und Ende der Woche auch wieder mit Tempo. Also abgehakt und weiter gehts. Samstags morgens dann aufgewacht mit monströsem Brummschädel, Hals- und Gliederschmerzen und Rotznase. Na klasse. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Drei Wochen vor Tag X die Sehne, zwei Wochen vor Tag X einen Infekt eingefangen. Die Nebenhöhlen dicht und der Brummschädel lässt 6 Tage kein Lauftraining zu. Klar, Grundlagen sind gelegt, aber es fehlen so viele km (2 lange Läufe, etwas Tempo, regenerative Läufe) vor allem aber das gute Gefühl im Tapering und die absolute Vorfreude nach einer tollen Vorbereitung gut in Schuss in Frankfurt an den Start zu gehen.
Die letzte Woche vor dem Marathon war ich dann soweit wieder hergestellt. Mit voxel dann noch eine MRT-Einheit bei strömendem Regen auf der Bahn absolviert und nach 2-3 Wohlfühlläufen ging es dann natürlich motiviert, aber auch mit dem ein oder anderen Zweifel freitags auf die Messe und die Startunterlagen abholen.
26.10.2014
Nachdem man sich zwei Tage vorher etwas orientiert hat vor Ort und schon mal erahnen konnte, was an diesem Sonntag dort los sein wird, war ich dennoch relativ entspannt. Das hat mich selbst etwas verwundert. Natürlich war es einnerseits die Vorfreude, andererseits war schon eine gewisse positive Anspannung. Alle reden immer von diesem Mann mit dem Hammer. Die Mainzer Landstraße: Wie wird diese ewig lange Gerade sein? Wie läuft es am Start ab? Wie empfinde ich den Zieleinlauf? Erlebe ich ihn überhaupt? Das waren die Gedanken, aber ohne Stress, ohne Druck, eher entspannt. Den Freitag wie gesagt in Frankfurt verbracht inkl. Shopping mit der Freundin. Samstags dann noch ins Stadion und Fußball geschaut, danach zu den Schwiegereltern in spe zum Essen und ordentlich Nudeln geschaufelt.
Der Sonntag: Der Wecker klingelte, da war er also der Tag X. Nach sehr gutem Schlaf in die Küche, zwei Toastbrote mit Frischkäse und je einer Scheibe Putenbrust. Dazu 150g Naturjoghurt, eine Banane und ein paar Müsliflocken zusammen gepanscht und ein Kaffee sowie jede Menge Fruchtsaftschorle. Danach an den Bahnhof und zunächst einmal die Überraschung, dass voxel es sehr genau nimmt und fast auf die Minute mit der Regionalbahn am Bahnhof eintrifft.

Es waren natürlich sehr viele Läufer im Zug und wie voxel in seinem wunderbaren Bericht bereits erwähnt hat, hat man sich sehr schön ausgetauscht. Die jeweilige Taktik und die jüngesten Stunden wurde nochmals reüssiert. Also kamen wir dann an. An der U-Bahn Station dann nochmal kurz Wasser lassen, dann erst einmal orientieren. Ich musste mich noch umziehen. Also Umkleide gesucht und die Taschen abgegeben. Danach haben wir uns glücklicherweise wieder getroffen und sind dann nochmals an die Schlange der Toilette. Dazu eine kleine Annekdote: Bei all meinen Wettkämpfen habe ich bisher die Erfahrung gemacht, dass die Schlange immer nur für diejenigen Herren gilt, die gerne auf die Box wollen. Liebe Läufer, ich habe bisher noch nie erlebt, dass sich an den Urinalen eine Schlange bildet. Also seid doch bitte nicht böse, wenn euch nicht jeder in der Schlange sofort sagt, dass die Schlange nur für die Toiletten zum "groß machen" bestimmt ist. Denn eigentlich müsste man in den meisten Fällen eine Tonbanddurchsage abspielen lassen oder ein Schild hochhalten. Also einfach fragen, wofür man ansteht, dann muss auch keiner unnötig anstehen.

Nun denn, es war nachdem wir fertig waren, 09:50. Also nichts wie los zum Start, 10 minutes to go...
Aber da waren wir auch schon beim ersten Problem. Wie zur Hölle sollen wir in unseren Startblock kommen? Der Security-Mensch meinte, wir sollen von hinten aufschließen. Das war aber keine Option für uns. Also haben wir geschaut wie es weiter vorne aussah. So langsam verrannen auch die Minuten. Im Startblock schoss mir sofort das Bild von den Ölsardinen in den Kopf. Wir mussten natürlich noch irgendwie über die Absperrung kommen. Höflich gefragt, konnten wir uns im letzten Moment beider noch recht weit vorne dazwischen mogeln. Das hat also schon mal geklappt. Vor uns wurden die Top-Athleten vorgestellt. Das ist immer eine sehr schöne Sache. Noch krasser war es dann zu sehen wie die nach dem Startschuss los flitzen. Doch dies konnte ich nicht lange genießen. Noch kurz mit voxel abgeklatscht und uns gegenseitig alles gute gewünscht. Dann war ich auf der Reise.
Die Marschrichtung war eigentlich klar: Ich wollte versuchen die 10er-Splits von 45 Minuten möglichst lange zu halten. Die ersten km waren wirklich ein Traum. Von voxel inspiriert versuchte ich ebenfalls alles aufzusaugen. Die beeindruckenden Wolkenkratzer boten wirklich eine prächtige Kulisse, dazu noch die klasse Atmosphäre entlang der Strecke. Der Beginn war also atmosphärisch schon mal genauso, wie ich mir das vorgestellt hatte. Sportlich lief es auch recht gut. Obwohl ich bereits nach 2-3 km für mich untypisch ziemlich heftig angefangen habe zu schwitzen. Aber das habe ich mal der Aufregung und dem Adrenalin zugeschrieben. Die ersten 5 km habe ich dann in geschmeidigen
22:03 min absolviert. Also dezent schneller als im Plan. Dazu ist zu sagen, dass das GPS während wir durch die Skyline sind natürlich komplett neben der Kappe war. Aber das war vorher klar. Deshalb habe ich meine Zeit auf der Uhr dann immer mit den km-Markierungen verglichen. Die zweiten 5 km bin ich dann in nahezu identischer Zeit gelaufen und habe die 10 km-Marke dann offiziell in
44:08 passiert. Ich fühlte mich wirklich sehr gut und hatte ein sehr gutes Gefühl bei diesem Tempo. Mir war klar, dass ich dieses so nicht halten werden kann, weshalb ich es zu diesem Zeitpunkt als angemessen fand, mir einen kleinen Vorsprung auf mein Ziel herauszulaufen. Die Atmosphäre in der City und die Euphorie taten ihr übriges, im Anschluss ging es langsam raus aus der Innenstadt in Richtung Höchst bzw. Schwanheim. Ich wusste zwar, dort gibt es auch ein paar nette Fixpunkte und atmosphärische Highlights, aber es wird anders und dann kommt da ja noch diese ominöse Mainzer Landstraße. Mal sehen...
Während den ersten 10 km habe ich meine Lippen nur zwei Mal kurz mit etwas Wasser befeuchtet, mein Shirt dafür umso mehr. KM 10-15 liefen dann wie bisher, ich war sogar noch dezent schneller. Somit standen bei der 15er-Marke
01:06:05. Alles gut soweit, auch körperlich nach wie vor alles super. Ich überholte auch etliche Läufer, gleichzeitig zogen aber auch immer wieder einige an mir vorbei. Dies hielt sich gefühlt die Waage, weshalb ich mir keinen Kopf deshalb machte. Viel besorgniserregender fand ich hingegen die Tatsache, wieviele Läufer bereits ausgestiegen sind oder zumindest auf dem Gehweg eine Pause einlegen mussten. Das war wirklich alarmierend. Ebenso schob sich an einer Abzweigung ein Krankenwagen mit Blaulicht an uns vorbei. Bei einer solchen Masse an Läufern sicher nicht so verwunderlich. Ich hoffe jedenfalls, dass alle mittlerweile wohlauf sind.
Zurück zu meinem Rennen. Zwischen km 15 und 20 habe ich dann erstmals unbewusst etwas rausgenommen. Das ging automatisch. Ich bin genau in den geplanten 04:30 gelaufen und die HM-Marke überquerte ich bei exakt
01:33:33. Ich träumte insgeheim von einer SUB 03:10, wenn alles passt. Drei Minuten durfte ich ca. verlieren in der 2. Hälfte. Das könnte doch im Optimalfall klappen. Diese Gedanken waren es, die ich mir zu Beginn der 2. Streckenhälfte machte. Zwischen km 20 und 25 sackte das Tempo immer noch leicht ab auf 04:38 min/km. Bei km 25 dementsprechend wurde eine Zeit
01:51:35 erfasst. Ich wollte mich ab diesem Zeitpunkt nun nicht mehr mit irgendwelchen Zeit-Hochrechnungen beschäftigen, weil ich ab hier einfach andere Sorgen hatte. Wie bereits erwähnt (nebenbei bemerkt: Entschuldigung, wenn ihr mittlerweile vieles doppelt gelesen habt, aber ich denke ein ganzheitlicher Bericht, nachdem ich euch monatelang mit allen möglichen Fragen gelöchert habe, muss jetzt sein), schlichen sich im ehemals lädierten rechten Knie an der Außenseite ziemliche Schmerzen ein.
Dazu begannen die Oberschenkel langsame Anzeichen der Erholung zu erbeten. Nun, damit mussten sie eben jetzt erst mal warten. Es hieß immer, ein Marathon beginnt erst ab 30 km, bei mir heute dann wohl bereits ab 25 km. Und das so richtig. Ich begann an jeder Verpflegungsstelle auch auf Tee und Elektrolyt zurück zu greifen. Ich brauchte einfach Energie, einen Strohhalm. Als ich dann in dieser Region sah, wie weit diese verfluchten Wolkenkratzer, die ich während den ersten 5-10 km noch so beeindruckend und toll fand, nun entfernt waren und ich wusste, dass ich genau dorthin wieder zurück muss, hätte ich mich am liebsten in den Busch geworfen und wäre in Tränen ausgebrochen. Ab hier begann es ein Kampf gegen diesen Schweinhund zu werden. Aufgeben konnte einfach keine Option für mich sein. Meine Freundin wartete mit Eltern im Ziel, jetzt hast du monatelang dein halbes Umfeld verrückt gemacht, einen Marathon zu laufen. Jetzt hast du dich monatelang darauf vorbereitet mit diszipliniertem Training, mit harter Arbeit, den Genuss erleben zu können, in der Festhalle einzulaufen, die Medaille umgehangen zu bekommen und dich Marathon-Finisher zu schimpfen... Nein, ein Ausstieg konnte AN DIESEM TAG keine Option sein, außer ich würde mir die Bänder reißen oder zusammen klappen. Aber nicht unter einigermaßen zumutbaren Umständen.
Also versuchte ich mich irgendwie mit dem Gedanken anzufreunden, dass die letzten 17 km so richtig widerlich werden und ich wohl so leiden werde wie selten zuvor in meinem Leben. Die Träume irgendwelche Traumzeiten laufen zu können habe ich dementsprechend relativ früh begraben. Jetzt ging es nur noch ums Ankommen. Bei km 30 ging es dann auf die sagenumwobene Mainzer Landstraße. An der Verpflegungsstelle (müsste km 32,5 oder so gewesen sein), nachdem ich mir die volle Ladung Wasser, Tee und Elektrolyt gegeben hatte, musste ich im Gebüsch eine kurze Pinkelpause einlegen. Dies tat gut, ebenso die Getränke im Gehen zu verzehren. Richtige Gehpausen sind dies wohl nicht, da ich mich sofort nachdem ich mich dem Becher entledigt hatte, wieder ins Laufen eingestiegen bin. Aber es tat wie gesagt gut. Die 30 km-Marke ging dann in
02:15:45 nach Hause. Immer noch ein Schnitt unter 05:00 min/km. Dies sollte sich aber in den letzten 12 km rapide ändern. Mit zunehmendem Verlauf hat man die km-Marken weiter auseinander gestellt, diese fiesen hinterlistigen Streckenposten. Ich fragte mich, wann ich endlich wieder was trinken kann. Sollten die Verpflegungsstellen gegen Ende nicht häufiger kommen? Gefühlt kamen fast gar keine mehr. Die km zogen sich wirklich wie Kaugummi. Mein mitgenommenes Hydrogel habe ich bei km 32 reingehauen. Hat es etwas gebracht? Ich weiß es nicht. Bei km 35 (
02:43:03) dann wieder ein Gel eingesammelt, die Wolkenkratzer waren wieder in der Nähe. Irgendwie ein gutes Gefühl. Aber warum zur Hölle muss man denn gefühlte 25 Mal an der Messe vorbei laufen, bevor man rein darf? Ach ja, ein Marathon geht ja 42,195 km. Mist.

Nun denn, ich erwische mich wie ich teilweise laut stöhnte, fluchte... In meinem Kopf immer wieder die selbe Frage: Wieso machst du so einen Schwachsinn? Es zog sich immer mehr und wurde mit jedem Meter härter. Habe ich am Anfang noch geschwärmt von dieser beeindruckenden Skyline, so habe ich alles außerhalb ausgeblendet. Am Straßenrand ließen sich Läufer ihre Krämpfe von Passanten rausdrücken, boah ist das eine Qual. Dann auf einem Teilstück im Bankeviertel auf der gegenüberliegenden Seite sehe ich ein Teil des Feldes, der vor mir liegt. Dann der Pacer mit dem 02:59-Ballon. Oh guckste mal, ob ich voxel finde. Ich wusste, dass er ihn im Auge behalten wollte. Somit konnte ich mich einen Moment lang von meinem eigenen Leiden ablenken. Tatsächlich, wenige hundert Meter dahinter erspähe ich ihn. Er ruft mir zu, feuert mich irgendwie an mit meinem Namen. Er beißt, er ackert, sieht aber bestimmt nicht so fertig aus wie ich. Ein klasse Sportsmann, denke ich mir. Gleichzeitig dachte ich mir ok, wenn du da bist, wo du den voxel gesehen hast, dann ist es nicht mehr weit. Zwischen km 35 und 40 ging es dann im Schnitt in unfassbaren 05:53 min/km. Ja, das ist er dann wohl der Einbruch. Die letzten beiden km konnte ich dann in 05:29 nochmal leicht zulegen. Die Gerade bevor es links weg in die Festhalle ging war dann nochmal absolut unerträglich. Ich wusste, jetzt noch irgendwie ins Ziel wackeln. In den letzten 10 km hatte ich mindestens 25 Mal die Frage "Raus?" mit "Nein" beantwortet und jetzt ging es nur noch darum da rein zu wackeln. Die Zielgerade außerhalb habe ich noch dazu genutzt, nach meinem Anhang Ausschau zu halten und tatsächlich. Direkt vor der Festhalle erspähte ich sie. Ich konnte mir offenbar ein kurzes Lächeln rauskneifen und ein Peace-Zeichen. Sie meinten hinterher, ich hätte gut ausgesehen. Wenn die wüssten was ich die letzten km durchlitten habe... Dann ging es tatsächlich rein. Tosender Jubel, Konfetti war noch überall, Musik, die Zeit, ich konnte nur noch 03:24:xx erahnen. Über den Strich! Geschafft!
Ich konnte keinen Meter mehr weiter laufen oder gehen, bin quasi zusammen gebrochen und die Helfer mussten mich im ersten Moment stützen. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Mir liefen Tränen der Erleichterung und des Schmerzes über die Wangen, ein emotionaler Ausnahmezustand. Medaille geholt und Zielverpflegung ausgekostet bis zum letzten und zwei Jungs im Ziel getroffen, mit denen ich in Bensheim beim HM über weite Strecken zusammen gelaufen bin. Auch die Jungs sind eingebrochen.
Nach einiger Zeit, nach dem Duschen im Auto auf der Heimfahrt begann ich bereits mit einer Analyse dieses harten Rennens. Der Tenor ist natürlich. Ein Debut in 03:24 ist keines, für das man sich schämen muss. Das muss ich an dieser Stelle ganz klar betonen und das macht mich in gewisser Weise auch sehr stolz. Aber dennoch habe ich es nicht geschafft die deutlich besseren Zeiten auf den Unterdistanzen über den Marathon auf die Straße zu bringen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Einerseits ist es immer noch mein 1. Laufjahr überhaupt. Mir fehlen Lebenskilometer, mir fehlen lange Läufe (siehe oben!). Dazu lief wie bereits geschrieben, die Vorbereitung alles andere als ideal. Vielleicht hätte ich mich aufgrund dieser Umstände etwas bremsen müssen. Eine etwas defensive Herangehensweise habe ich hier im Faden ja fast schon traditionell vertreten, ich habe mich wahrscheinlich von meinen schnellen Fortschritten etwas blenden lassen. Dazu hatte ich in der Rückschau wirklich einen vergleichsweise laschen Plan und werde nun den Vergleich ziehen und hoffe, dass mich ein Plan mit den regelmäßigen 35er besser vorbereitet. Potential ist bestimmt irgendwie da. Die Frage ist nur, es auch an Tag X auf die Straße zu bringen. Alles in allem hatte ich nicht das Handwerkszeug an diesem Tag eine bessere Leistung abzurufen. Das muss ich akzeptieren und nehme für mich jetzt sehr wichtige Erkenntnisse mit. Ich weiß wie es ist, einen Marathon mitzulaufen. Ich weiß, dass ich es besser machen kann. Und ich will es beim nächsten Mal besser machen. Und das aller wichtigste: Es gibt ein nächstes Mal.
Beste Grüße
Dennis