Im Rahmen des Erfurter Dopingskandals habe ich mir mal ein paar grundsätzliche Gedanken gemacht und mich dabei auch insbesondere selbst hinterfragt wie ich persönlich zum Thema Doping stehe. Es gab da eine Stelle die ich sehr prägend fand. Eine Aussage des geständigen Radfahrers Georg Preidler. Jetzt mal ganz egal ob man ihm alles abkauft oder nicht, er sagt:
"Die kommen dann auf dich zu und reden dich an: ,Bei der und der Rundfahrt waren alle vor dir, die was gemacht haben.' Dann beginnst du zu überlegen. Das ist ein Prozess, du denkst: Du gibst alles, trainierst so hart, du schaust genau auf das Essen und alles und bist trotzdem nicht ganz vorne. Du bist immer der Verarschte"
https://www.sueddeutsche.de/sport/dopin ... r-1.435457
Und da geht's einmal natürlich ums Gewinnen, aber auch um einen ganzen Haufen Geld. Das ist der Job der Jungs.
Ich hab mich mal selbst hinterfragt. Vor gut zwei Jahren war ich bei einem Gesundheitscheck mit Leistungsdiagnostik. Da wurde auch die Lungenfunktion gemessen. Im Vergleich zu meinem sonstigen Leistungsvermögen war diese nicht so prächtig. Wir sind dann auf den Trichter gekommen, dass wohl mein jahrelanger Heuschnupfen sich auf die Lungenfunktion ausgewirkt haben könnte. Mir wurde geraten, das Thema mit meinem HNO zu besprechen und ernsthaft über ein Asthmaspray nachzudenken. Mein HNO war da dann eher defensiv, hat mich gefragt ob ich denn echte Probleme hätte und wollte mich zu einem Lungenarzt weiter schicken. Bevor ich da hin bin hab ich darüber nachgedacht, ob ich das überhaupt will mit dem Asthmaspray. Ich habe keine offensichtlichen Probleme, vor 10 Jahren vielleicht ein oder zwei Mal bei extremen Heuschnupfen in der Nacht, aber sonst nichts was mich ernsthaft an so ein Spray hätte denken lassen. Die Frage die ich auch mit ein paar Freunden diskutiert habe war, würde ich mit dem Spray einen krankheitsbedingten Nachteil ausgleichen oder mir einen medikamentös erzielten Vorteil verschaffen. Da ich keine offensichtlichen Beschwerden habe lief es dann auf die Frage hinaus "Wie möchte ich meine Leistung erzielen?" Und da spielt es schon eine Rolle was allgemein anerkannt ist, also wenn wir uns z.B. hier im Forum über gelaufene Zeiten austauschen wovon geht man da aus. Wenn einer schreibt er läuft Sub38 auf 10km, dann interessiert mich wie und was er trainiert, wie viel er schläft, vielleicht was er isst und welche Schuhe er läuft. Aber nicht welches Spray er nimmt. Insofern bin ich für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich im aktuellen Zustand meine Leistung ohne Spray erbringen möchte.
Wenn ich jetzt aber beim Volkslauf an der Startlinie stehe und 60 Läufer um mich rum sich kurz vorher noch einen Stoß aus dem Spray gönnen, dann würde die Sache ganz ehrlich anders aussehen. Dann wäre es wohl in der Läufergemeinschaft ein anerkanntes Mittel, um die Leistung zu optimieren. Sprich wenn man sich über Zeiten austauscht ist implizit auch klar, dass da "nachgeholfen" wird. Und in diesem Fall bin ich ganz ehrlich würde ich sowas schon durchaus ernsthaft in Erwägung ziehen.
Ich denke in diesem Sinne kann ich Preidlers Aussage schon verstehen. Irgendwie bist du ein Depp wenn du es nicht machst, zumal das Risiko erwischt zu werden scheinbar echt gering ist. Und man erinnere sich an Ulles "Ich habe nie jemanden betrogen". Damals fand ich das komplett lächerlich. Heute kann ich das bis zu einem gewissen Punkt schon verstehen. Und wenn hier darüber gesprochen wird was auch außerhalb des Sports so läuft. Da gibt es ja auch nicht nur Pillen sondern auch diversen anderen Beschiss. Da wird in Doktorarbeiten plagiiert, Ideen geklaut, Kollegen madig gemacht usw. Insofern sehe ich da an vielen Stellen im Sport einfach ein Abbild des Lebens bzw. ist es da ja wohl soagr so, dass wenigstens alle betrügen und es somit irgendwie zur Norm wird. Es ist halt immer so eine schöne Vorstellung, dass im Sport also so viel fairer und ehrlicher zugeht, gerade da wo es oft wirklich nur um nackte Zahlen und reine Leistung geht. Insofern ist das wohl einfach eine ganz natürliche Sache der man nur mit entsprechenden Kontrollen und Sanktionen beikommen kann.
Und wenn hier bei den Vorrednern z.B. über die Verwendung von Ibus philosophiert wird empfehle ich das letzte Interview mit Johannes Dürr in der Süddeutschen zu lesen. Es besteht bei vielen eine vollkommen "falsche" Vorstellung was sauberer, ehrlicher und fairer Sport in der Praxis bedeutet.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dopin ... duced=true
"Die öffentliche Wahrnehmung ist: Der saubere Athlet isst Honigbrot und Schnitzel. Das bedeutet: sauber. Aber was im erlaubten Bereich gemacht wird, ist auch schon ganz weit weg von dem, wie es transportiert wird [...] Wir haben bei einem Kollegen mal verfolgt, was der an einem einzigen Tag an Tabletten, Tropfen und so weiter nahm: 137 Stück!"
Dann ist noch die Rede von Vitaminspritzen usw. Also selbst was da im legalen Bereich läuft ist echt irrsinnig.
Und zum Thema Ibus/Schmerzmittel muss man einfach sagen: "Leistungsorientierter Sport ist einfach nicht (bedingungslos) gesund!" Ich meine bei Tim Lobinger mal gelesen zu haben, dass der teilweise eine ganze Saison nicht trainieren konnte ohne sich vorher Schmerzmittel reinzupfeifen. Und am Ende ist das tatsächlich eine Frage der Priorisierung bzw. Risikoabwägung. Wenn ich über das Karrierende von Lindsay Vonn lese kommt da auf, dass ihre Knie wirklich komplett im Eimer sind und sie hofft, dass die Medizin in 10 Jahren so weit ist ihr da vernünftige Linderung zu verschaffen. Die hat ihren Körper ausgepresst bis die Zitrone keinen Tropfen Saft mehr hatte. Das wollen nur viele nicht wissen.
Auch hier habe ich eine persönliche Geschichte dazu:
Ich war vor zwei Jahren ein paar Wochen vor dem Arber-Radmarathon in der Situation, dass plötzlich mein Knie etwas rumgezickt hat. Nichts richtig ernstes aber "störend". Ein paar Tage nicht trainiert, wurde aber nicht wirklich besser. Wenn ich trainiert habe wurde es aber auch nicht schlimmer. Bin ich zum Arzt gerannt, weil ich wissen wollte ob es was ernstes ist. Der sagt: etwas Wasser in der Sehne. Wir diskutieren die Situation und dann meint er, ja wenn sie unbedingt teilnehmen wollen, dann trainieren sie ganz normal weiter und nehmen drei Wochen Schmerztabletten. Wenn es dann nicht besser ist kommen sie nochmal. Habe ich dann gemacht ... und nach 2 Wochen waren die Beschwerden weg. Ich sage jetzt nicht, dass das gut, vernünftig oder zur Nachahmung empfohlen ist, aber ich wollte halt teilnehmen, es war eine besondere Gelegenheit die sich so nicht jedes Jahr für mich bietet und es gab nur die Entscheidung Risiko oder Absagen. Und ich habe mich für Risiko entschieden. Meine persönliche Grenze ist immer wenn ich ohne Schmerzmittel gar nicht trainieren könnte, dann tue ich es nicht mit. Und ich nehme nie mit Schmerzmitteln an Wettkämpfen teil. Aber das ist etwas was ich persönlich mit mir ausgehandelt habe.